Dienstag, 26. Juni 2018

Es geht auf und ab. Auf und ab.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass mir das ganze Leben über den Kopf steigt. Dass mir alles zu viel wird und ich nicht weiß, wie ich den folgenden Tag überstehen soll. Wenigstens lassen mich die Halsschmerzen in Ruhe!“

Durch Twitter fühlt Tamsin sich ein wenig weniger einsam. Zwar hat sie niemandem zum unterhalten, doch das Lesen alleine genügt schon und das ist tausendmal besser als das, was man in diesen versauten Flirtchats erlebt, in denen sie zuvor stets aktiv war. Endlich findet sie Menschen mit gleichen Interessen. Ohne vorher ewig langen, öden Smalltalk durchstehen zu müssen.

Tamsin ist froh, dass es in der Maßnahme wieder bergauf geht, seit Frau Ti weg ist. Wäre alles so wie damals und müsste sie heute immer noch putzen und an der Kasse stehen, sie weiß nicht, ob sie das mit sich machen hätte lassen. Die hätte sie geärgert, aber der Ärger wäre viel länger und größer als den, den sie von den Anleitern & dem Jobcenter bekommen hätte, wäre sie einfach weggeblieben. Der wäre schnell vorüber. Ein paar anklagende Worte, böse Blicke und dann ginge es weiter. Fragt sich nur, wie?
Egal. Darüber kann sich eine andere Tamsin in einem anderen Universum den Kopf zerbrechen.

Heute ist Dienstag; Tamsins Montag. Oft beklagt sie sich über anstrengende Dinge, dabei ist ihr gar nicht wirklich bewusst, dass sie nur eine 3-Tage-Woche hat. Das ist ganz anders als eine 5 Tage-Woche in Vollzeit, so wie damals. Nun wurde Teilzeit sogar bestätigt, doch trotz des geminderten Zeitdrucks an diesen Tagen ist das alles immer noch nicht besonders einfacher, als zuvor. Sie ärgert sich über die blöde Entfernung, wegen der ihr Heimweg 1 ganze Stunde andauert. Ihr wird ganz kalt, wenn sie daran denkt, dass es viele „Pendler“ gibt, die in Vollzeit schuften und selbst danach mehr als 1St. Lang unterwegs sind. Viel erschütternder ist, dass diese Tatsache in der Gesellschaft als „Normal“ gilt und diejenigen, die dem nicht anpassen wollen als „Träumer“ beschimpfen, die die Realität nicht begreifen.

So ist die Moderne Welt…
Die Menschen geben ihre Träume auf, leben nur noch fürs Wochenende und akzeptieren es, bestenfalls ein paar Wochen im Jahr in den Urlaub zu fahren, wo sie die hunderten von Euros, die sie dadurch ansparen, dass sie nach der Arbeit keine Zeit haben, das Geld für anderweitige freudenspendende Dinge auszugeben, zum Fenster des Ferienfliegers rauswerfen. Dann ist der Urlaub vorbei, die Kasse leer und der Alltag geht von vorne los.

„Der Tag in diesem Förderzentrum oder Maßnahme wie auch immer, war heute zur angenehmen aber auch etwas anstrengend. Ich habe nämlich mit dem Häkeln angefangen. Da keiner der anderen Leute das kann und mir zeigen konnte, musste ich nach Anleitung gehen. Habe mir einige Videos angesehen und dann geübt. Und das bis zum Nachmittag. Meine Finger taten weh und ich konnte irgendwann aufhören. Ich hätte auch vorher aufhören können. Ich hätte mich der Gruppe anschließen und die Paletten abschleifen können, aus denen später Sitzmöbel und ein Hochbeet gebaut werden. Allerdings weiß ich, dass dies noch viel anstrengender ist, darf man bzw. die Leute dabei in Bücken über das Holz gebaut waren und es mühevoll abgeschliffen haben und dabei von oben bis unten mit Staub übersät worden. Darauf hatte ich absolut keine Lust. Vor allem da mein Rücken bei dieser Haltung nicht sehr erfreut wäre. Also ich davon erfahren habe war ich doch ganz froh, dass ich den ganzen Tag drinnen sitzen und häkeln durfte. Gegen Nachmittag wurde das Wetter auch schon wieder besser. Wärmer. Ich war nervös, da ich heute meine Schuheinlagen abholen sollte. Das habe ich alleine getan und es war doch einfacher als gedacht, denn das Bestellen war schon schwieriger. Zudem habe ich den ganzen Tag über Hunger auf einen Döner gehabt. Und um mir mal eine Freude zu machen, habe ich mir erlaubt, diesen Hunger zu stillen. Das erste Mal, dass ich mir allein einen Döner bestellt habe. Den ganzen Tag über bin ich es gedanklich durchgegangen, was ich dann wohl sagen müsste. Aber ich darf ja nicht zulassen, dass die Angststörung mein Leben beherrscht. Nämlich, das darf ich nicht, weil ich das nicht will und weil ich weiß, dass ich so niemals richtig glücklich werden würde. Und als ich mit der Tüte nach Hause gerannt bin damit er nicht kalt wird, war ich sehr glücklich. Und gut geschmeckt hat er auch.“

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