„Manchmal
habe ich das Gefühl, dass mir das ganze Leben über den Kopf steigt. Dass mir
alles zu viel wird und ich nicht weiß, wie ich den folgenden Tag überstehen
soll. Wenigstens
lassen mich die Halsschmerzen in Ruhe!“
Durch
Twitter fühlt Tamsin sich ein wenig weniger einsam. Zwar hat sie niemandem zum
unterhalten, doch das Lesen alleine genügt schon und das ist tausendmal besser
als das, was man in diesen versauten Flirtchats erlebt, in denen sie zuvor
stets aktiv war. Endlich findet sie Menschen mit gleichen Interessen. Ohne
vorher ewig langen, öden Smalltalk durchstehen zu müssen.
Tamsin ist
froh, dass es in der Maßnahme wieder bergauf geht, seit Frau Ti weg ist. Wäre
alles so wie damals und müsste sie heute immer noch putzen und an der Kasse
stehen, sie weiß nicht, ob sie das mit sich machen hätte lassen. Die hätte sie
geärgert, aber der Ärger wäre viel länger und größer als den, den sie von den Anleitern
& dem Jobcenter bekommen hätte, wäre sie einfach weggeblieben. Der wäre
schnell vorüber. Ein paar anklagende Worte, böse Blicke und dann ginge es
weiter. Fragt sich nur, wie?
Egal. Darüber
kann sich eine andere Tamsin in einem anderen Universum den Kopf zerbrechen.
Heute ist
Dienstag; Tamsins Montag. Oft beklagt sie sich über anstrengende Dinge, dabei
ist ihr gar nicht wirklich bewusst, dass sie nur eine 3-Tage-Woche hat. Das ist
ganz anders als eine 5 Tage-Woche in Vollzeit, so wie damals. Nun wurde
Teilzeit sogar bestätigt, doch trotz des geminderten Zeitdrucks an diesen Tagen
ist das alles immer noch nicht besonders einfacher, als zuvor. Sie ärgert sich
über die blöde Entfernung, wegen der ihr Heimweg 1 ganze Stunde andauert. Ihr
wird ganz kalt, wenn sie daran denkt, dass es viele „Pendler“ gibt, die in
Vollzeit schuften und selbst danach mehr als 1St. Lang unterwegs sind. Viel
erschütternder ist, dass diese Tatsache in der Gesellschaft als „Normal“ gilt und
diejenigen, die dem nicht anpassen wollen als „Träumer“ beschimpfen, die die
Realität nicht begreifen.
So ist die
Moderne Welt…
Die
Menschen geben ihre Träume auf, leben nur noch fürs Wochenende und akzeptieren
es, bestenfalls ein paar Wochen im Jahr in den Urlaub zu fahren, wo sie die
hunderten von Euros, die sie dadurch ansparen, dass sie nach der Arbeit keine
Zeit haben, das Geld für anderweitige freudenspendende Dinge auszugeben, zum
Fenster des Ferienfliegers rauswerfen. Dann ist der Urlaub vorbei, die Kasse
leer und der Alltag geht von vorne los.
„Der Tag
in diesem Förderzentrum oder Maßnahme wie auch immer, war heute zur angenehmen
aber auch etwas anstrengend. Ich habe nämlich mit dem Häkeln angefangen. Da
keiner der anderen Leute das kann und mir zeigen konnte, musste ich nach
Anleitung gehen. Habe mir einige Videos angesehen und dann geübt. Und das bis
zum Nachmittag. Meine Finger taten weh und ich konnte irgendwann aufhören. Ich
hätte auch vorher aufhören können. Ich hätte mich der Gruppe anschließen und
die Paletten abschleifen können, aus denen später Sitzmöbel und ein Hochbeet
gebaut werden. Allerdings weiß ich, dass dies noch viel anstrengender ist, darf
man bzw. die Leute dabei in Bücken über das Holz gebaut waren und es mühevoll
abgeschliffen haben und dabei von oben bis unten mit Staub übersät worden. Darauf
hatte ich absolut keine Lust. Vor allem da mein Rücken bei dieser Haltung nicht
sehr erfreut wäre. Also ich davon erfahren habe war ich doch ganz froh, dass
ich den ganzen Tag drinnen sitzen und häkeln durfte. Gegen Nachmittag wurde das
Wetter auch schon wieder besser. Wärmer. Ich war nervös, da ich heute meine
Schuheinlagen abholen sollte. Das habe ich alleine getan und es war doch
einfacher als gedacht, denn das Bestellen war schon schwieriger. Zudem habe ich
den ganzen Tag über Hunger auf einen Döner gehabt. Und um mir mal eine Freude
zu machen, habe ich mir erlaubt, diesen Hunger zu stillen. Das erste Mal, dass
ich mir allein einen Döner bestellt habe. Den ganzen Tag über bin ich es
gedanklich durchgegangen, was ich dann wohl sagen müsste. Aber ich darf ja
nicht zulassen, dass die Angststörung mein Leben beherrscht. Nämlich, das darf
ich nicht, weil ich das nicht will und weil ich weiß, dass ich so niemals
richtig glücklich werden würde. Und als ich mit der Tüte nach Hause gerannt bin
damit er nicht kalt wird, war ich sehr glücklich. Und gut geschmeckt hat er
auch.“
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