Tamsin
hat heute wieder ein Termin in Lübeck. Ich weiß gar nicht, worum es überhaupt
geht. Nur, dass es noch in diesem Quartal sein musste. Das Wetter ist gar nicht
so schlecht und sie freut sich, denn sie kann alles und es soll dir keine
Probleme geben. Allerdings hat sie seit ungefähr vier Wochen immer noch keine
Bestätigung für die Fahrtkostenübernahme. Wenn die das verbummelt haben oder
sie das Geld doch nicht wiederkriegt, wäre sie für diese Diagnose insgesamt
ungefähr 100 € los.
Dennoch
ist die Fahrt mit dem Zug etwas Neues und Aufregendes. Besser als den halben
Tag in der Tagesstätte zu setzen. Die meiste Zeit wird sie an ihrem Roman und
auf Dauer ist das irgendwie langweilig. Jetzt wo sie das alles noch mal lesen
tut ist sie gar nicht mehr so begeistert. Sie versteht nicht, was ihre damalige
Chefin, die das auch gelesen hat und so toll fand, damit meinte. Einige Stellen
sind gutgeschrieben, aber oberflächlich betrachtet merkt man, dass es ein
Anfänger geschrieben hat.
Die
Fahrt nach Lübeck begann damit, dass der Zug eine halbe Stunde zu spät kam. Oft
habe ich Angst, keinen freien Sitzplatz mehr abzubekommen. Ich saß da und hatte
meine Tasche ja zur Hälfte auf dem Wein und zur Hälfte auf dem anderen sitzt.
Viele Sätze waren voll, aber einige waren auch noch frei. Plötzlich kam eine
korpulente Frau und setzte sich einfach dorthin. Ohne etwas zu sagen hätte sie
sich einfach auf die Tasche draufgesetzt. Finde das mutig. Ich hätte mich das
nicht getraut. Aber vielleicht in Zukunft. Immerhin haben Menschen Vorrecht auf
Sitzplätze anstatt Handtaschen.
Daraufhin
habe ich den Anschlusszug verpasst und musste mit dem Bus fahren. Eigentlich
kein Problem. Ich habe im Internet nachgeschaut, wie und wo der fährt.
Allerdings hat die Stadt mir ein paar komplizierte Steine in den Weg gelegt.
Oder die Verkehrsverwaltung. Wer auch immer das System organisiert. Ich musste
mit Bus Nummer 9 fahren. Allerdings war nirgendwo ausgeschildert, von wo aus
der fährt. Also habe ich mich an Absteig neun hingestellt. Dabei hatte ich so
ein Gefühl, dass das nicht richtig war. Denn auf dem Schild daneben stand
nirgendwo mein Zielort. Also habe ich dann doch noch mal im Infocenter gefragt
und erfahren, dass Bus 9 auf Absteig 5 losfährt. Warum hätte der nicht auch auf
9 fahren können?
Kurz
vor 10 Uhr kam ich an. Ich hatte ein bisschen Unsicherheit, weil der Bus an
einer anderen mir unbekannten Haltestelle hielt. In letzter Sekunde erkannte
ich, dass ich dort richtig war und stieg aus. Der Bus hielt ungefähr an dem
Haus, wo ich hinmusste, aber ich musste mich zuerst anmelden und deswegen noch
mal 10 Minuten zum Anmeldehaus laufen und danach wieder zurück. Uff!
Der
Termin verlief sehr kurz. Es ging nur um Medikamente.
Nach
ungefähr zehn Minuten war ich fertig.
Ich
hatte erwartet, dass ich noch eine Stunde auf den nächsten Bus warten würde
komme aber dann kam doch noch ein früherer. Und dieser war genau pünktlich am
Bahnhof. Ich kam gerade an und konnte direkt in den Zug steigen, der nur ein
paar Minuten später los war. Das war wahrscheinlich sowas wie Glück. Ansonsten
hätte ich eine Stunde warten müssen.
Zum
Abschluss gab es dann noch ein bisschen Stress. Aber nur ganz kurz.
Auf
dem Rückweg musste ich mich entscheiden. Entweder nehme ich den Radweg auf der
rechten Straßenseite bis zur Abbiegung und warte dort unten an dieser eine
Ampel, die immer so übertrieben lange braucht.
Oder
ich fahre direkt an der ersten Ampel und dann auf der anderen Straßenseite auf
dem Fußweg zur Abbiegung. Denn hier war die Ampel gerade grün. Die Leute gingen
rüber und ich musste nicht warten. Wäre ich auf dem Radweg bis zu anderen Ampel
gefahren, hätte ich wieder länger warten müssen. Das hätte mich geärgert.
Also
bin ich schnell an dieser Ampel rüber und dann auf dem Fußweg bis zur Abbiegung
gefahren. Das sind höchstens 30 m.
Allerdings
liefen durch Leute. Und zwar wieder diese Art von Leuten, die meinen, dass der
Fußweg nur für Fußgänger ist und sie für Fahrradfahrer nicht Platz machen
müssen. Ich klingelte. Der eine Mann dreht sich um und schimpft und die Frau,
die neben ihm ging, gegen extra direkt in der Mitte und tat so als würde mich
es nicht hören.
Vieleicht
wollte die, dass ich sie anremple, damit sie mich dann anzeigen kann!?
Mag
sein, dass ich laut den Gesetzen im Unrecht bin. Dass ich nicht auf dem Fußweg
fahren darf und nur auf dem Radweg fahren muss. Dass ich dann eben an der
langen Ampel warten muss. Und dass ich an der Stelle, wo es hinter der
Abbiegung neben einem Restaurant bergab geht schieben muss und da, wo es wieder
bergauf geht, erst weiter fahren darf…. Aber solche Menschen, die extra Streit
provozieren sind auch nicht besser als ich. Für die ist das nicht schlimm, mal
kurz zur Seite zu gehen. Der Weg ist immerhin breit genug.
Meine
moralischen Werte sind sehr klein. Wenn es eine Möglichkeit gibt, Gesetze oder
Anweisungen, die zu meinem Nachteil sind zu umgehen, dann tue ich es.
Ich
gebe der Schuld der Stadt, weil die diese Ampel so eingestellt hat, dass man
dort fast eine Minute lang warten muss. Woanders geht‘s überall schneller, nur
da nicht.
Anstatt
Moralischen Charme fühle ich Wut. Ärger darüber, dass alles auf dieser Welt
oder hier in diesem Land so penibel bürokratisch geregelt wird. Für jede
Kleinigkeit gibt es ein Gesetz.
Nachmittags
bin ich noch mal zur Bank gegangen. Und in ein Euro laden. Danach ein bisschen
Klee eingepflanzt. Ich fühle mich gut. Nicht müde und auch nicht traurig.