Dienstag, 5. Juni 2018

Elternalarm

Gestern hatte Tamsin früher Schluss und während sie auf den Bus wartete, kamen ihre Eltern vorbei. Die hatten Langweile und sind einfach so ein bisschen rumgefahren. Tamsin wurde verboten, sich von denen bemuttern zu lassen. Sie soll selbstständig werden. Nicht mehr von denen heimgefahren werden.
Tamsin hat ein schlechtes Gewissen, als sie einsteigt, obwohl sie eigentlich etwas ganz anderes vorhatte. Und sie hat Angst, dass ihre Betreuerin das mitbekommt und dann wieder böse wird.
Dennoch kann sie die Einladung zu einer Pizza nicht ausschlagen. Die Pizza am Hafen schmeckt gut! Tausendmal besser als eine Eingefrorene. Danach will sie aber nach Hause. Wollte noch etwas mit der Betreuerin besprechen.
Gegen den Willen ihrer nun unglücklichen Eltern verzichtet sie darauf, noch weiter mit denen rumzufahren und will heim. „Du wirst immer komischer.“, meint ihr Dad, der das nicht versteht, dass Tamsin nichtmehr sein kleines Baby oder ein treuer Hund ist.
Unterwegs hat sie einen Anruf verpasst. Obwohl es nicht mal geklingelt hat. Blödes Handy.
Als sie daheim ankommt – sie wollte noch von denen heimgebracht werden und geht durch die Stadt – ist keine Betreuerin mehr da.
Tamsin hat ein schlechtes Gewissen. Weil sie nichtmehr mit der reden konnte. Und weil sie ihre Eltern deswegen versetzt hat.
Nun hat sie Angst, weil sie eine Sache wegen Morgen nichtmehr klären konnte. Der Termin ist nämlich schon 15 Min. früher als der Kerl zuvor gesagt hat. So steht es auf dem Brief.
Obwohl JOBB ihr Hoffnung gemacht hat, dass sie Verlängern könnte und dazu Teilzeit bekommen könnte und nicht mehr an de Kasse oder Putzen müsse, hat Tamsin Angst. Denn letztlich hat das JC das letzte Wort. Und wenn dort gesagt wird: Keine Teilzeit und dass Tamsin wieder unangenehme Aufgaben erledigen muss, tja, dann weiß sie nicht, was sie sagen soll.
Angeblich sei die Maßnahme freiwillig. Aber sie weiß, dass das nur eine Illusion ist. Nichts ist freiwillig! Wenn sie ablehnt, reden die anderen auf sie ein, dass sie es tun soll. Oder sie muss in eine neue Maßnahme, die vielleicht noch unschöner. Dabei waren die letzten Monate mit Frau Xai recht entspannend. „Damals wurde gesagt, ich solle ich nicht so viel am PC sitzen.“ Frau Xai wusste nichts davon oder hat dies ignoriert, damit Tamsin nichtmehr so unglücklich in der HWI ist und nun hat sie Furcht, dass es auch darüber ein Donnerwetter gibt.


Don textet sie weiterhin zu. Fragt dutzende Male: „Wollen wir zusammen sein??????????? Willst du? Ja?????“

Seine Angebote sind verlockend. Er würde auf alles verzichten, was sie nicht mag. Würde alles für sie tun. Alles! Sie glaubt ihm. Denn er ist einsam und verzweifelt. Tamsin kennt das. Würde sie ihren Traummann finden, würde sie auch alles für ihn tun. Naja, das wäre wohl gelogen. Sie würde nicht die elendsten Vollzeitjob den es gibt annehmen, um so viel Geld zu verdienen, dass sie ihm alles kaufen kann was er will, nur damit er bei ihr bleibt. Denn dann hätte sie ja gar keine Zeit mehr für ihn vor lauter Arbeit.
Don hingegen… Vielleicht wäre seine Liebe real.
Tamsins dagegen wäre es nicht. Sie kann ihn nicht lieben. Er ist kindisch, ignorant und aufdringlich und das komplette Gegenteil von dem höflichen Gentleman, auf den Tamsin wartet.

Wenn Tamsin bedenkt, dass sie nie je geglaubt hat, dass sich ein niveauvoller Typ in sie verlieben könne, könnte sie fast meinen, eine Göttin hätte Don gesandt, damit er all ihre Wünsche erfüllt.
„Mit ihm zusammen zu sein wäre vielleicht gar nicht anders, als würde ich mein Leben mit den Eltern verbringen.“ Die kaufen ihr auch alles. Mit denen mag sie auch nicht kuscheln, geschweige denn, sie heiraten.

Tamsin ist nichtmehr so verzweifelt wie damals, dass sie ihre Seele für Besitztümer verkaufen würde.
Für ihren wahren Traummann würde sie auf all sowas verzichten. Ihr wäre egal, wenn er kein Geld hätte und ihr nichts kaufen könnte, solange er zu ihr hält.

Dave ist auch nicht ihr Traummann, aber er kommt dem schon ziemlich nahe. Er ist höflich und zurückhaltend. Er geht es langsam an, weil er es ernstmeint, denkt Tamsin. Vielleicht geht er es auch nur langsam an, weil er sich unsicher ist, ob Tamsin wirklich die Richtige für ihn ist, oder, weil er in ihr nur eine Bekannte sieht, die in der Achterbahn neben ihm sitzt, damit er nicht neben fremden Leuten sitzen muss. Sie weiß es nicht.
Tamsin mag die Ungewissheit nicht.

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