Mittwoch, 31. Januar 2018

Tamsins Traumjob!?



„Ich konnte nicht mehr schlafen. Mich nicht mehr konzentrieren. Ich habe alles falsch gemacht; war gedankenlos.“  In Tamsins Maßnahme findet nun eine Umstrukturierung statt. Endlich gibt es feste Zeiten. Auf dem Plan steht Umstyling, PC Arbeit – Tamsin macht an ihrer Präsentation weiter -, Bewerbungen schreiben usw. Eine Kollegin hatte sich beschwert, dass man immer nur rumsitzt und nichts tut. Als Tamsin montags nicht da war, waren Leute da, die sich die Maßnahme angeschaut haben. Daher die Veränderungen. Einerseits gut. Endlich passiert mal was. Eine Pädagogin ist nun da, und Tamsin ist froh, ab heute nicht mehr dauerhaft an die Kasse zu müssen. „Ich dachte, du wolltest das freiwillig gerne tun!“, hatte eine Anleiterin gemeint, als Tamsin sich wieder mal beklagt hatte. Ihre neue Chefin scheint verständnisvoll zu sein. „Gut. Ich hatte mich schon gesehen, wie ich wieder 30 Schüler vor mir habe, die alle Pizza bezahlen wollen… Wie die Frau neben mir steht und ich Bitte und Danke schluchze… wie mir die Tränen kommen, weil ich sie nicht länger zurückhalten kann… will…“  Tamsin ist erleichtert.   

Eine andere Kollegin geht in eine Firma arbeiten. Tamsin hat solche Arbeit nie gemocht – verpacken, Montage, an der Maschine arbeiten, Kontrollen etc. – in einer lauten Fabrik. Doch die Arbeitszeiten kann man sich aussuchen. In einer 25Stunden Woche von 8-13Uhr verdient man mit 800€ genug, um sich eine kleine Wohnung zu leisten und nicht mehr vom Jobcenter abhängig zu sein.   Was will man mehr!?  „Es ist wenig, aber Geld ist nicht alles. Und selbst mit wenig Geld bekäme ich immer noch, was man sich für kein Geld der Welt kaufen kann: Gesundheit und mehr feie Lebenszeit.“  Obwohl es anstrengend sein kann, kann Tamsin sich kaum mehr einen anderen Job vorstellen. Büro. EDV. IT Techniker. So schön sich diese Berufe auch anhören und so schön die Tätigkeit auch sein mag… „Was nützt es mir, über tausend Euro zu verdienen, wenn ich abends müde und lustlos heimkomme und nicht einmal mehr Zeit habe, das Geld auszugeben!?“  Bereits als sie 2004 ein Praktikum in der Firma ihrer Mom durchgemacht hat, spürte sie, dass dies eines Tages auch ihr Job sein würde. Keine Kunden, die man bedienen oder beraten muss. Immer wissen, was zu tun ist. 

Donnerstag, 25. Januar 2018

Donnerstag. Letzter Wochentag.

Ja heute ist Donnerstag. Heute hat Tamsin Therapie, weswegen sie erst später in die Maßnahme muss. Dadurch verpasst sie die erste Pause dort und braucht nur 2x in den Kiosk. Naja. Das ist anstrengend, aber die Zeit danach bis Feierabend ist und Tamsin endlich wieder schlafen kann, ist beinahe genauso anstrengend. "Ich überlege, alle Uhren aus meinem Umfeld zu entfernen und das Handy so einzustellen, dass es immer Klingelt, wenn ich losmuss. Dann muss ich nichtmehr auf die Uhren sehen, die mir sowieso nur sagen, dass ich keine Zeit habe."
Trotz des morgigen Tischdienstes ist Tamsin heilfroh, dass ihre Woche heute endet. 5 Vollzeittage hintereinander Kiosk würde sie nicht durchhalten. Sie würde vor den Kunden weinen, und das wäre ihr sogar egal.

Wieder einmal ist Tamsin die einzige Teilnehmerin in ihrer Maßnahme. Der Rest ist krank. Tamsin muss in den Kiosk. Dort ist sie nun schon 4 Wochen. Niemand kann ihr bisher sagen, wie lange es noch dauert. "Es sind doch nur 3 Tage in der Woche." Tamsin kommt sich albern vor, fast 30 Minuten damit zu verbringen Bitte und Danke zu sagen. Ununterbrochen.  
Gerade ist es 13:42 und Tamsin ist hundemüde. Gestern tat sie um 19:00 die Augen und erwachte mitten in der Nacht, konnte nicht wieder einschlafen bzw. Lag im Halbschlaf und war am kommenden Morgen ebenfalls hundemüde.  

Tamsin soll nun an einer Präsentation weiterarbeiten. Das tut sie, so gut sie kann. Nächste Woche soll sie die Präsentation dann zwischen den Kioskpausen halten. Eines bereitet ihr Freude, das andere Verzweiflung. Das Ergebnis ist Wut! Und ein wenig Trauer.  

"Es ist ätzend, zu sehen, wie alle gehen, weil sie Teilzeit haben und ich bis nachmittags hier sitzen/stehen/wachbleiben muss." Es gibt nichts zu essen, außer das Essen für die Schüler. Das isst Tamsin nicht, weil sie an der Kasse stehen muss, und ist sie damit fertig, ist das Essen längst kalt. "Wenn es Pommes gibt, darf ich manchmal die Reste essen. Gratis." Die Pommes sind hier echt gut! Knusprig! Die schmecken sogar ausgekühlt.  

"Ich bekomme Kopfweh." Ihr Trinken ist alle und auf süße Kekse hat sie keine Lust. Da sie noch eine Stunde hier sitzen muss, Traurigkeit verspürt und sich kaum konzentrieren kann, geht sie in den Chat. Die nächsten 4 Tage hat sie frei, doch der Moment, an dem sie wieder an die Kasse muss, kommt ihr vor, als wäre es bereits morgen. Immer wieder kommen depressive Gedanken.  
Als ihr dann die Tränen kommen, ist Tamsin doch froh, ganz alleine zu sein.  
Sie schaut auf die Uhr. Weitere 5 Minuten sind rum. Es gibt keinen Ausweg, diese dunklen Gedanken loszuwerden.  
"Der Chat ist langweilig. Wieder nur Perverse on. Wie immer." 
Plötzlich kommt die Anleiterin und fragt: "Oh Tamsin, du bist ja so rot, ist alles in Ordnung?"  
Tamsin schämt sich, vor anderen zu weinen und leugnet alle Anschuldigungen. Ob sie hier sitzt und lacht oder weint, wen kümmert das schon? An die Kasse muss sie sowieso wieder. "Das werde ich wahrscheinlich auch noch müssen, wenn ich mich heulend auf die Theke stütze und mir jedes Centstück aus den zitternden Händen fällt." 
"Es verändert mich." Wenn die sagen, Tamsin verliert dadurch Ängste, ok. Wenn Depressionen der Preis dafür sind, hat sie keine andere Wahl, als ihn zu zahlen.  

Vielleicht ist das so eine Art Strafe. Als Kind hat sie nie Bitte und Danke gesagt. als ihr Onkel ihr einmal im Alter von 13 Jahren ein Fahrrad geschenkt hat, hat sie sich sogar darüber beschwert, dass es nicht so war wie sie es gerne hätte. Darüber war er sehr verärgert. Ihr war es egal. 

Mittwoch, 24. Januar 2018

Der große Kiosk Tag


Dies war der wohl anstrengendste Tag seit Tamsin in JOBB ist! Kiosk. Den ganzen Tag. Zwar waren es nur 3 kurze Pausen, doch Tamsin musste an die Kasse. "Ich will/soll mich nicht abhetzen, aber ich denke: Je schneller ich mache, umso schneller bin ich fertig." Dadurch passieren Fehler. Tamsin drückt die falschen Tasten. Hm. Viel lästiger ist das Begrüßen der Kunden. Dich bedanken, verabschieden, die Summe sagen. 30x hintereinander dasselbe sagen. "Wenn ein Anleiter danebensteht, gebe ich mir mühe. Aber wenn nur die Kollegin dabei ist, tue ich, was ich kann ohne mich zu verausgaben."

In der Pause wurde Karten gespielt. Einer der Anleiter hat dies sogar vorgeschlagen. Tamsin findet es komisch, dass sie und die andere Frau währenddessen nicht zu den anderen in den EDV Raum dürfen, so wie das sonst immer ist.
Als ihre Kollegin während der zweiten Schicht rausgenommen wird, weil es ihr nicht gut ging und die Chefin nichts riskieren will, geht auch bei Tamsin die Sonne unter. "Ich sollte dann Pause machen. Eine ganze Stunde musste ich alleine im Gruppenraum hocken!" Warum durfte sie nicht zu den anderen in den EDV Raum? Die haben dort keine feste Arbeit, bei der Tamsin stören könnte.
Tamsin versucht auf ihrem Handy ein Roman zu lesen, was sie immer gern tut, kann sich jedoch nicht konzentrieren. Sie war froh, als die Pause zu Ende war - und wütend, weil sie den Kiosk danach größtenteils alleine aufräumen musste. Alle Flaschen und den Süßkram zurück in die Kammer... Fegen… Tische Wischen…

In einem Gespräch kam die Idee auf, dass der Kiosk für Tamsin noch verlängert werden könnte. Und das nur durch Tamsins Neugierigen Fragen. „Warum kann ich nicht einfach den Mund halten!?!? Alles, was ich sage, ist falsch. Alles, was ich sage, ist falsch. Alles, was ich sage, ist falsch. Und das macht es nur noch schlimmer.“

Ihre Füße schmerzen trotz der Sitzpause. "Wir sind dann noch ein bisschen spazieren gegangen." Den halben Weg zur Haltestelle und zurück. Danach war dann plötzlich Feierabend. 5 Minuten, bevor Tamsins Bus kam. Tränen der Wut steigen ihr in die Augen. Sie ist müde, erschöpft, hungrig und hat Schmerzen. Ein wenig mehr Zeit am Nachmittag käme ihr sehr gelegen. „Hätten wir unsere Taschen mitnehmen dürfen, hätte ichs geschafft.“
Die anderen gehen heim, während Tamsin auf den nächsten Bus wartet, der nach einer Stunde kam. „Nicht weinen!“, denkt sie. „Nicht vor den anderen!“


Zu ihrem Staunen durfte sich die Zeit am PC verbringen, ehe sie auf geschundenen Füßen los humpelt. Selbst ihre Musik konnte sie nicht von ihrem kreisenden Gedanken ablenken. Ob das auch mit dem PTBS zu tun hat?

Daheim angekommen isst Tamsin Sushi. Puh! Zum Kochen hat sie nämlich keine Zeit. Es war 16:15 und Tamsin wäre am liebsten ins Bett gefallen und nie wieder aufgestanden. „Doch dann hätte der Tag nur aus Arbeit und schlafen bestanden. Essen und Freude wären weggefallen, und sowas würde mich depressiv machen. Denn so ein Leben wäre nicht lebenswert.“

Beklagen tut Tamsin sich nicht. Sie kennt die doofen Sprüche, die sie dafür ernten würde, noch von JOBB 2007. "Das ist das normale Arbeitsleben. Teile dir deine Zeit besser ein. Daran gewöhnst du dich noch. Das Leben ist kein Zuckerschlecken."
Sie hallen in ihren Gedanken wieder, verursachen Panik und eine Übelkeit, von der Tamsin sich nur durch die Wiederholung vom RTL Dschungelcamp im TV ablenken kann!