Sonntag, 31. Dezember 2017

Silvester



Tamsin kauft mit ihrer Mom einen großen Karton voller Berliner. Gestern. Denn Silvester ist dieses Jahr am Sonntag, und da hat wohl kein Bäcker geöffnet. Jedenfalls nicht der, wo Tamsin ihre Berliner am liebsten mag. Obwohl sie sie lieber frisch und nicht vom Vortag mag, ist Tamsin doch froh darüber, denn vor den Backstuben stauen sich endlos lange Schlangen bis hin zur Straße, wie sie heute feststellen musste. Zudem sind die Marzipanberliner ausverkauft.
„Mom kochte Nudeln mit Pilzen.“, freut sie sich am Abend. Ihre Eltern haben sie abgeholt, weil sie später noch zum Hafen zum Feuerwerk wollen.

„Wir haben uns die Fotos des letzten Jahres angeschaut.“ Im Gegensatz zu sonst war Tamsin diesmal nicht so hackevoll, dass sie nichtmehr gerade gehen kann. Sie hat viel Wasser getrunken, aus Angst vor einem Kater. „Es war beinahe schon in wenig langweilig.“ Tamsin ist ein wenig traurig, dass sie auch dieses Jahr wieder keine Freunde gefunden hat, mit denen sie hätte feiern können. Ihre Chefin hat ihr Neujahrsgrüße zukommen lassen. Tamsin ist ein wenig erstaunt, dass mal jemand anders an sie denkt. „Oft fühle ich mich schwach, nutzlos, wertlos, der Welt egal. Kaum zu etwas besser, als dafür, zu tun, was andere von mir verlangen.“
Nunja… Silvester war fast wie immer.
„Wir saßen vor der Glotze, haben einen Film geschaut, der weniger lustig war als erwartet, und dann versuchte ich noch ein wenig zu schlafen, was in dem kalten, nach Schimmel stinkenden Raum nicht möglich war.“ Der Grund, weshalb Tamsin diese Nacht im Wohnzimmer verbrachte. Dort war es zwar sehr warm, aber die Luft brannte ihr nicht im Hals.

Das Feuerwerk hätten sie beinahe verpasst! „Wir waren knapp 2 Stunden früher losgefahren, in die richtige Stadt, zum falschen Ort.“ Dort war eine Party, wo Tamsin noch ein Getränk bekam. Dabei bemerkt sie ein Werbezettel, wo der richtige Ort draufstand. Rasch fuhren sie dorthin. „Es fand sonst immer hier auf der Brücke statt.“ Nun findet es auf dem See statt. Es war schön, groß, viel besser als diese kleinen Raketen, die jeder zu Wucherpreisen kaufen kann. Aber auch irgendwie nicht sooo groß, wie in den letzten Jahren. „Naja, wenigstens sind wir nicht wieder völlig umsonst hergefahren.“

Später zündet ihr Dad auch noch ein paar Raketen an – die vom letzten Jahr, die wegen des Sturmes nicht starten wollten. „Wir kaufen eigentlich nie viel. Ich finde es schon etwas dämlich, neunzig Euro für nicht mal ein paar Minuten sprühende Funken auszugeben.“

Donnerstag, 28. Dezember 2017

Immer noch einsam

 
Tamsin freut sich auf Silvester und hat sich schon die besten Berliner ausgesucht, die nur noch bestellt werden müssen. Mit Nougat und Marzipan.
Während sie zuhause sitzt und Möbel und andere Dinge mit Farbe verziert, kommt die Einsamkeit wieder. Das gestrige Frühstück war doch freiwillig, und Tamsin verzichtet wegen ihrer miesen Stimmung über das fehlende Busgeld, worüber sie sich später ärgert. Und auch heute noch. Ein weiteres Tief hatte ihr eine Frage über die Küche bereitet, die ihre Betreuerin mit „Dann musst du deine Mitbewohner fragen“ beantwortet hat. Das traut Tamsin sich nämlich noch nicht. Alleine bei denen zu klingeln… Sie wohnt nur mit Männern in ihrem Erdgeschoss, was es umso schwieriger macht. „Ich fühle mich im Stich gelassen.“ Sie hätte sich die Frage sparen können.
Tamsin sagt vieles, was falsch ist. Und bereut es später. Sie muss genauer nachdenken!

Wiedermal schaut sie sich in Flirtchats nach neuen Bekanntschaften um. Aber auch dort ist es immer dasselbe. Entweder wohnen die Typen zu weit weg. Haben so kurze Haare – das sieht so normal, modern und langweilig aus (klingt das jetzt oberflächlich?). Oder haben im Grunde gar keine Lust überhaupt zu schreiben, was man schnell an den lustlos gestellten Standartfragen merkt. „Ich sollte meinen Kleiderschrank mal aufräumen. Alles fällt mir schon entgegen.“
Weil sich in den normalen Singlebörsen ausschließlich normale Menschen tummeln, durchforstet Tamsin den Gothikchat. „Ich wollte noch nie einen normalen Freund. Normal im Sinne von „So wie der Mainstream die Welt formt“.“ Einen Kerl mit kurzen Haaren der gerne RTL Soaps schaut, nur Radiomusik mag, auf Ikea Möbel steht, raucht und Fußballsüchtig ist – und der einem im Chat mit der öden Frage hi was suchst du? Begrüßt.
Tamsins Traummann mag Horrorfilme, weiß Antiquitäten zu schätzen, würde mit ihr in Wacken zelten gehen und anstelle von bunten Porzellanhasen nur Totenköpfe in der schwarztapezierten Wohnung aufstellen!

Allerdings sucht Tamsin bereits seit über 8 Jahren, und bisher hat sie weder einen Grufti gefunden, der ist wie sie, noch einen stinknormalen Typen. Sie schafft es ja nicht einmal, einen virtuellen Freund zu finden. „Ich habe es schon öfters versucht. Habe alle mir gestellten Fragen in den Chats beantwortet. Sogar die echt dämlichen Fragen, wie nach Körper- und Körpchengröße.“ Auch wenn ihre Antwort auf solche Fragen oftmals gelogen sind, die Gespräche verlaufen kurzweilig wie Treibsand.

Mittwoch, 27. Dezember 2017

Genervt und Lustlos

Tamsin ist frustriert, weil sie gemerkt hat, dass ihr zu wenig Geld für die Buskarte überwiesen wurde. Und das seit 3 Monaten. „Ich habe selbst Schuld, wenn ich mich nicht damit befasse und das nicht merke.“ Bestimmt ist das nur ein Fehler durch die damalige Umstellung und dem Umzug. Dennoch ist Tamsin sauer. Obwohl sie nun Urlaub hat, kann sie nicht entspannen. Wegen den Feiertagen fiel das Essen am Montag aus, weswegen es heute nachgeholt wird. Es werden wohl die alten Brötchen von letzte Woche verspeist, weil davon so viele übrig waren. Tamsin hat keine Lust auf Frühstücken und aufgetaute harte Brötchen. Ohne anständigen Käse. Sie meidet hartes Essen, weil ihr Zahn sonst wieder kaputtgeht und scharf wird.
Vielleicht werden später noch Spiele gespielt. Gerne würde Tamsin Mensch-ärgerdichnicht spielen. Sie hat das Spiel aus Glas. Aber nach der Sache mit dem Radio würde sie nicht mehr vorschlagen, es zu holen, damit alle damit spielen. Nachher kommt wieder die Aussage: Das Spiel ist komisch, nicht toll und das normale mit den Plastiksteinen wäre ja doch besser… Was solls.  

Letzte Woche hatte ihre Chefin sie gefragt, ob Tamsin Lust auf Kaffeetrinken hätte. Aber da genau heute die WG Besprechung und das Frühstück ist, stehen die Karten dafür nicht so gut. Außerdem: Warum? Tamsin wird die Vorstellung nicht los, dass mehr dahintersteckt. „Ich verstehe es nicht.“