Tamsin hat eine üble
Nacht hinter sich. Inzwischen kratzt ihr eigentlich nicht scharfer Zahn so sehr
an der Zunge, dass sie kaum ein Auge zubekommt. „Ich lag ungefähr zwei Stunden
wach.“ Sie traut sich nicht, das Zahnwachs auch nachts draufzutun, aus Angst,
es zu verschlucken. „Es wird immer schlimmer. Mit jedem Abschleifen wird es
schlimmer.“ Aber eine Krone wäre unnötig. Und teuer. Lieber möchte Tamsin das
Geld für ihre neue Unterkunft sparen.
Der JOBB-Alltag lässt
ebenfalls zu wünschen übrig. „Spazierengehen stand auf dem Plan.“ Zwei
Teilnehmer müssen aber früh gehen. Anstatt führ loszugehen und damit auch
rechtzeitig wieder zurück zu sein, wurde zwei Stunden gewartet, damit die
beiden während des Spazierganges direkt zum Bus gehen konnten. „Und wie wir
gewartet haben!“ Die Zeit ließ sie heute nur schwer absitzen. Die Beiden haben
sich unterhalten. Der Rest hat zugehört. Ein banales Thema folgte dem Nächsten.
„Ich finde es immer wieder faszinierend, wie gnadenlos sich Menschen über
mehrere Stunden hinweg unterhalten können, ohne Pause, ohne, dass der
Gesprächsstoff ausgeht.“
In der Zwischenzeit
huscht Tamsin auf die Toilette, um Wachs auf den Zahn zu drücken. Dadurch kann
sie weder essen, noch trinken, aber der Schmerz lässt ein wenig nach – wenn
auch nur langsam, da die Zunge stark aufgescheuert ist.
Um
das Elend zu perfektionieren wurde heute für Donnerstag Kochen geplant!
Sofort
schrien die ersten, dass sie nicht in die Küche möchten und lieber die Tische
eindecken. Damit standen die zwei Teams schnell fest. Tamsin, die von negativen
Gefühlen überschwemmt wird und sich nicht traut, die Stimme zu erheben, wird
sich ihrem Schicksal wohl wieder einmal ergeben müssen.
Wie immer. „Ich fühle
mich down.“ Warum mussten sie das heute schon ankündigen? „Meine Woche ist
ruiniert.“ Tamsin hat fühlt sich mutlos. Und lustlos. Und demotiviert. „Diese
elende Großküche holt mich immer wieder ein.“
Im den Nudelauflauf
gehören Zwiebeln – einer der Gründe für ihren Hass auf solche Großküchen. Man
muss kochen, was man nicht mag und darf dann nur öde Hilfearbeiten und den
Abwasch machen.
Nudelauflauf… Während
dies beschlossen wurde, wurde auf jeden Rücksicht genommen, ob er es mag. Nur
auf Tamsin nicht. „Aber wen interessiert das schon?“ Eine Ausländerin isst kein
Schwein. Darauf wurde Rücksicht genommen. Tamsin wurde ignoriert. „Ich erwarte
nicht, dass sie wegen mir auf das komplette Fleisch verzichten. Oder auf die
Zwiebeln.“ Tamsin ist eben nur Tamsin. Stumm und gut genug, die Aufgaben zu erledigen,
die andere nicht mögen…
„Diese Woche haben wir
früh Feierabend. Sollen die letzten Sommertage genießen.“ Tamsin fragt sich: „Warum?“,
während ihr Tränen in die Augen steigen.
Tamsin führt ihr
Glückstagebuch. Es ist seltsam, aber tatsächlich offenbaren sich ihr trotz des
Unmuts einige glückliche Momente, die das Leben erträglich machen.
Auf dem Firmengelände
treibt sich eine heimatlose Katze herum. Einige Leute die dort arbeiten kaufen
immer Futter für sie. Vom eigenen Geld. „Menschen können grausam und
rücksichtslos sein. Gleichzeitig schlummert aber auch so viel Güte in ihren Herzen.“