Dieses Jahr hätte Tamsin
beinahe das Berühmte Feuerwerk Ostsee in Flammen gesehen. Stattdessen standen
ihre Nerven in Flammen. „Wir waren da. Haben sogar recht flott einen Parkplatz
in der Nähe gefunden.“ Tamsin wollte eine Pizza vom Strand. Das Gedrängel dort
war jedoch entsetzlich! „Man fühlte sich zusammengequetscht, wie in einer
Schrottpresse, in der man langsam nach vorne gedrückt wird.“ Und das den ganzen
Strand entlang. Es war beängstigend. Die Schlange an den Toiletten war 10
Meter. Die an der Pizzeria ebenfalls. Tamsin hat keine Lust, so lange
anzustehen.
Und so nahm das Übel
seinen Lauf. „Es sind so viele Menschen. Da siehst du ja überhaupt nichts!
Nicht einmal das Feuerwerk. Du guckst nur gegen die Köpfe der Menschen.“, so
die Aussage ihrer Eltern. Sie hatten keine Lust mehr. Wollte nach Hause. Eine
knappe Stunde, bevor es anfing. „Lass uns mal abhauen. Ich will hier nicht
nachher vier Stunden im Stau stehen.“
Im letzten Jahr lief alles
perfekt. Weniger Menschen, als erste – nach dem Feuerwerk! - losgefahren. Keine
Probleme.
Tamsin ist wütend,
während sie ins Auto steigt. Hinter ihr freuen sich welche über den
freiwerdenden Parkplatz. „Ich hasse es. Mit Eltern kann man sowas nicht machen!
Lieber zuhause sitzen und vor dem Fernseher gelangweilt einschlafen – das ist
angenehmer, als mit den alten Eltern zu derartigen Veranstaltungen zu fahren!“
Nie wieder!
Nur ist es so, dass
Tamsin kaum eine andere Wahl gehabt hätte. Busse fahren nicht, und nachts würde
sie auch nicht alleine Bus fahren. Wegen ihren Ängsten traut sie sich ja selbst
tagsüber nicht mal alleine weg.
Ein wenig früher:
Von Lensahn aus war
Tamsin mit der Gruppe in Heiligenhafen. Spaziergengehen. Es war angenehm. Warm.
Okey.
Bis es dann nach Hause
ging. Einige wurden direkt in der Stadt raus gelassen. Tamsin jedoch ist mit
ihrer Stimmung so am Ende, dass sie sich nicht traut, zu fragen, ob sie auch
raus kann. Außerdem war es erst 12 Uhr, und da sie im Gegensatz zu den anderen
in Vollzeit dableiben müsste, dachte sie nicht, dass auch sie jetzt schon
Schluss machen dürfte. „Täglich in die Küche zu müssen, obwohl die wissen, wie
sehr ich es hasse, gibt mir das Gefühl, wertlos zu sein. Nicht wegen der
Arbeit. Aber wegen meinen Rechten als freier Mensch. Bei anderen werden
Abneigungen akzeptiert. Selbst wenn die sich nur vor den Arbeitsschuhen ekeln
kommen die damit durch. Bei mir heißt es: Nein, Tamsin du gehst in die Küche!“
Die gebieterischen Worte hallen in ihren Alpträumen wieder. „Es hat keinen
Zweck, sich dagegen aufzulehnen. Ich verliere sowieso.“ Tamsin verliert immer.
Schwelgt im ewigen Unglück. Es ist das Gefühl, bedingungslos tun zu müssen, was
sie hasst, was Tamsin in die Verzweiflung treibt. „In der Küche waren nur wir
zwei Leute. Die übrigen Vier haben den Tisch gedeckt. Klar, dass sie dann
schnell fertig waren, sich hingesetzt und ausgeruht haben.“
Vor Wut und Hass kaum
mehr fähig, klar zu denken, zieht sie sich nach dem Essen, an dem sie selbst
nicht teilgenommen hat, einfach um. „Wenn es keine Gerechtigkeit gibt, muss man
sie erzwingen.“, denkt sie, da nun, wo sie fort ist, sich zwangsläufig jemand
anderes um den Abwasch kümmern muss.
Später wurde sie jedoch
nicht drauf angesprochen, warum sie schon alleine im Gruppenraum sitzt und
nichts tut.
Nunja... Nachdem Tamsin
nach dem Ausflug dann wieder mit nach Lensahn gefahren ist, war Feierabend.
Nichts mit Vollzeit. „Ich bin hingefahren, nur, um wieder zurückzufahren.“ Wenn
die anderen wo aussteigen müssen, wird Rücksicht genommen. Tamsin wird
einfach... ignoriert. Als wäre sie Luft.
Da sie keinen Bock mehr
hatte, nun auch noch ne halbe Stunde auf den Bus zu warten, ruft sie ihren Dad
an, der sie abholt.
„Im Internet steht: 1/3
aller Deutschen wäre psychisch krank.“ Ob das stimmt? Wer weiß. Fakt ist:
Niemand wird psychisch krank geboren! Die Menschen werden dazu gemacht. Von Der
Gesellschaft. Von ihrem Umfeld. Stress. Anstrengung. Hektik.
Verständnislosigkeit. Das alles ist wie Gift für eine gesunde Seele
Es gibt so viele
Arbeitslose. Würden Vollzeitstellen halbiert und dafür zwei Leute in Teilzeit
eingestellt werden, gäbe es für den einen zwar weniger Lohn, dafür hätten beide
letztlich aber mehr vom Leben. Aber das kümmert niemanden, da dieses Vorgehen
mehr Papierkram verursachen würde.
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