31.1.20
Schattenseiten
Nach 2 Jahren
fühle ich mich im WG Haus eigentlich ganz wohl. Ich habe keine Angst mehr. Auch
nicht vor den Leuten. Kann mit denen schon gut reden. Einige fragen mich immer,
wenn es etwas am Computer gibt, was die nicht können oder wissen. Dann zeige
ich es denen. Manchmal auch spät abends. Aber das macht nichts. Denn es ist im
Haus und ich wohne hier und man hat keinen weiten Weg zum laufen.
Nicht immer ganz
so positiv ist das da sein der Betreuer, die irgendwie zum Leben dazu gehören.
In der letzten WG
Besprechung, bei der ich auch anwesend war, weil ich an dem Tag im Haus Kochen
hatte, haben die Betreuer uns erklärt, dass wir, wenn wir sehen, dass jemand
die Hausregeln Brecht, es melden müssen. Trinkt jemand Alkohol oder empfängt in
der Woche heimlich Besuch, was in der Woche verboten ist, sollen wir das zu
unserem eigenen Schutz melden.
Ich persönlich
bin davon nicht so begeistert. Wenn jemand Regeln bricht, was kein auffällt und
damit auch keinen stört, hat er Glück gehabt. Petzen finde ich gemein.
Dennoch habe ich erzählt, dass die
Besucherin von einer Mitbewohnerin immer wenn die am Wochenende da ist Ihren
Hund in die Küche mit reinnimmt. Ich wusste nicht, dass das auch verboten ist.
Ich war wirklich nervös und habe gehofft, dass die Betreuerin denkt, dass ich
wegen dieser Sache mit der Frau und dem Hund nervös war, weil ich das erzählt
habe, und nicht aus anderen Gründen. Weil ich etwas verberge, was die wissen
von dem ich aber eigentlich nicht wissen kann, dass die es wissen.
…
Frau Mai kam
neulich mit zu einem Gespräch beim Jobcenter, weil der Sachbearbeiter
gewechselt hat und nun eine Frau da ist, die jedoch auch in zwei Monaten geht. Es
ging darum zu besprechen, wie es weitergeht. Auch neue Maßnahme, oder Reha oder
irgendwann Ausbildung.
Die Frau hat
gesagt, was man alles machen könnte, um wieder in Arbeit zu kommen. In einer
Behindertenwerkstatt arbeiten. Bei den Ostholsteiern.
Sport machen. Das geht aber nicht hier, sondern man müsste dann immer
nach Lübeck fahren, ist dann wieder drei Stunden unterwegs, nur, weil die dort
mit dem Jobcenter ein Vertrag geschlossen haben. Eine Ausbildung in einer
Einrichtung wo ich dann auch immer mit dem Zug hinfahren und noch ein bisschen
weit laufen müsste, wäre für mich besser als eine Ausbildung hier in der Stadt,
weil es dort eine geschützte Einrichtung ist. Dass ich dann um 17 Uhr oder 18
Uhr zu Hause wäre und schon um 6 Uhr los müsste würde dann dazu gehören.
Ich selbst hatte
nach dem Gespräch in der Tagesstätte geweint, weil es für mich den Eindruck
hatte, als würde ich das alles machen müssen. Früher oder später. Dass ich
keine weiten Wege oder lange Fahrten mag, weil das so viel Zeit kostet, und
auch nicht so spät abends zu Hause sein will, scheint die Betreuerin nicht zu
ernst zu nehmen. Für sie ist sowas normal und sie denkt, für alle anderen
Menschen soll so ein Leben auch normal sein. Das ist Standard und die
Gesellschaft akzeptiert ist und kennt es gar nicht anders. Und deswegen soll
ich das wohl auch.
In einem kürzlichen
Gespräch hatte ich erwähnt, dass ich ein bisschen verzweifelt war und traurig
bin, weil ich Angst vor diesen Dingen habe, wie Sport im Fitnesscenter z.b.
Angst, dass ich das muss. Sowas ist absolut nichts für mich. Wenn ich Sport
machen wollen würde, dann etwas, was mir auch Spaß macht wie Lenkdrachen, und
mich nicht an Geräten quälen. Aber das hatte ich nicht erzählt. Ich hatte
erzählt, dass ich mit Dave mal Tischtennis gespielt habe. Aber sie meinte dann,
in einem Verein wäre das besser. Denn seit ich hier wohne und selber für mich
koche, bin ich sehr dick geworden. Wortwörtlich hat sie das so gesagt. dabei ist es gar nicht so, dass ich nur
ungesund koche. In der Tagesstätte koche ich bevorzuge gesunde Sachen wie Suppe
oder Kartoffeln und so gut wie gar nicht Nudeln, weil ich die schon so oft zu
Hause esse. Ich glaube, sie wollte mir ein schlechtes Gewissen machen, weil ich
ihre Idee mit dem Fitnessstudio abgelehnt habe.
Später war ich
sogar ein wenig traurig. Ich weiß selbst, dass ich zugenommen habe, aber es so
gesagt zu bekommen ist irgendwie ein bisschen unhöflich. Erniedrigend. Genauso
wie damals, als sie gesagt hat, ich würde mich wie eine Diva verhalten, weil
ich eine Kindertagesstätte mit den anderen essen will. Inzwischen esse ich dort
öfters, so oft wie möglich immer wenn es etwas Gutes gibt, weil ich zu Hause
sonst um gesunde Nudeln essen würde und zudem Angst davor habe, mal nicht
kochen zu können, falls die Küche schon besetzt ist, wenn ich nach Hause komme.
Dies war bislang jedoch noch nie der Fall gewesen.
Ich kann auch
kochen, wenn schon jemand da ist und dann eine andere Herdplatte benutzen.
Allerdings wohnt hier eine Frau, bei der ist es mir unangenehm.
Obwohl ich gerne Gespräche führe über mich oder über Probleme,
finde ich diese EinzelGespräche hier unangenehm und bin immer froh wenn es
schnell zu Ende ist. Oft habe ich das Gefühl, dass diese Frau glücklich ist,
wenn sie andere beherrschen kann und andere tun müssen was sie will. Und wenn
es eine Sache gibt, wo man sich widersetzt, macht es ihr besonders Spaß, den
Willen zu brechen. Und sie lässt dann auch nicht nach. Mir kommt es so vor, als
wäre es für sie schon ein fester Plan, dass ich Ende des Jahres oder nächstes
Jahr diese Ausbildung in dieser anderen Einrichtung mache. In Vollzeit
natürlich, weil das normal ist.
Und je mehr das so gesagt wird, dass ich dann eben den ganzen Tag
da bin und auch da essen muss und mich dran gewöhnen muss und das ich einen Weg
finden muss, damit umzugehen, umso größer wird meine Abneigung.
Gerade weiß ich gar nicht, ob ich überhaupt noch eine Ausbildung
machen will. Nicht, wenn es so anstrengend ist. Mir würde es auch reichen,
irgendwo Halbtags zu arbeiten. Natürlich am besten im Büro. Auf keinen Fall in
einer Werkstatt oder Küche, wo man für stehen muss, wo es laut ist und man sich
schmutzig macht.
So kann ich ihr das nicht
sagen. Die würde dann wieder sagen, das ist ein Traumleben, das es nicht so
geben wird für mich und nicht immer alles so sein kann wie ich es will… dass
ich das lernen muss und lernen kann und lernen werde… Uff!
Nächsten Monat fängt die Therapie in Lübeck an.
Zudem habe ich wohl die Möglichkeit, einen Betreuer zu beantragen,
der mir bei Dingen hilft. Dinge, die ich alleine noch nicht schaffe. Auf Frau
Mai bin ich nicht angewiesen.
Seid einigen Tagen ist der Wunsch nach einer eigenen Wohnung und
mehr Freiheit wieder sehr stark. Auch wenn gesagt wird, dass ich noch nicht
bereit bin für eine richtige Wohnung, habe ich mir vorgenommen, wieder stärker danach
zu suchen. Ich habe Angst vor dem Telefonieren und Angst, alleine zu so einer
Besichtigung zu gehen. Aber ich weiß, dass ich das schaffen kann.
Ich brauche mehr Platz. Ich möchte nächtliche Besucher auch in der
Woche empfangen dürfen. Mir nicht verbieten lassen, was ich trinke, wenn ich
sowieso alleine bin. Das Haus ist sehr hellhörig und man hört ständig Lärm.
Türenknallen, poltern und so weiter. Zudem will ich nicht mehr, dass die
Betreuerin mit mir schimpft als wäre ich ein kleines Kind.