Die
Geschirrspülmaschine ist mal wieder voll. So voll, dass nichts mehr reinpasst.
Und das schon am Dienstag. Aber ich habe keinen Küchendienst bzw niemand weiß,
wer Dienst hat, weil der neue Putzplan noch nicht fertig ist. Das ist WG Alltag.
Heute
Nacht habe ich geträumt, dass die Maschine lief.
Ich
träume oft von denen, die mich im Unterbewusstsein beschäftigen. Ich habe mir
immer vorgestellt, dass ich eines Tages eine richtige eigene Wohnung und ein
Barock Zimmer haben würde und wie ich das meiner Oma zeigen würde, damit sich
dort auf mich ist. Aber letztes Jahr ist sie gestorben.
Heute
habe ich einen Termin bei einer Psychologin in Lübeck. Um 12 Uhr muss ich los.
Ich muss einen Zug früher nehmen, weil ich in Lübeck umsteigen muss und die
Umsteigezeit nur 6 Minuten beträgt. Wenn mein erster Zug später käme, würde ich
den zweiten verpassen und somit auch den Termin. Dieser findet um 15 Uhr statt.
Laut Plan werde ich um 18 Uhr zu Hause sein. Obwohl ich McDonald’s nicht mehr
so gerne mag, weil man dort ständig lauwarmes oder was kaltes Essen vorgesetzt
bekommt, bin ich froh, dass ist am Bahnhof wenigstens eine Möglichkeit gibt,
dass ich an diesem Tag etwas Warmes essen kann. Wenn ich einen ganzen Tag lang
nichts zu essen bekomme bzw kein richtiges warmes gekochtes Gericht, von dem
ich auch satt werde, wenn ich richtig schlecht gelaunt. Daher war ich auch
etwas wütend, als meine Therapeutin mal gesagt hat, dass es ganz normal ist,
wenn man erst abends etwas isst. Für Sie, die in Vollzeit arbeitet und manchmal
erst um 18 Uhr Feierabend hat, mag es vielleicht nur mal sein. Sie ist es
gewohnt und akzeptiert es.
Aber…
Wer definiert, was normal ist und was nicht?
Und wer bestimmt, dass jeder sich allem Normalen anpassen muss?!
Bevor
ich losfahre, bin ich noch in der Tagesstätte. Allerdings gibt es dort das
Essen immer erst um 12 Uhr dreißig. Zudem gibt es in dieser Woche nur Gerichte,
die mir nicht schmecken. Sauerkraut, Schweinebacke, Rouladen, Grünkohl…
Für
viele Menschen ist sowas wahrscheinlich normal, aber ich finde es wirklich
abnormal, für einen Termin, der eine Stunde dauert sechs Stunden im Ganzen
unterwegs zu sein. Oder 5 Stunden, wenn man die Zeit beim Arzt abzieht.
Ich
habe schlecht geschlafen und bin nervös. viele Sorgen schwirren ihr durch den
Kopf.
Was,
wenn der Ticketautomat meinen Geldschein nicht annimmt? Ich habe keinen anderen
Passenden. Was, wenn er größere Scheine nicht wechseln kann? Was, wenn Ich doch
den Anschlusszug verpasse? Oder falls irgendeiner der vier Züge, auf die ich
insgesamt angewiesen bin, nicht kommt? Oder wenn nachmittags ein Streik anfängt
und ich nicht mehr zurück nach Hause komme? Was, wenn die Ärztin krank ist und
ich völlig umsonst dahinfahre? Was, wenn ich auf dem Weg überfallen und
ausgeraubt werde? Oder wenn ich plötzlich auf Klo muss und kein Geld mehr übrighabe,
oder kein Kleingeld? Ich weiß nämlich, dass am Hamburger Bahnhof bei den
Toiletten eine Schranke ist, und wenn man kein Geld für den Automaten hat, muss
man sich in die Hose machen. Oder in ein illegales versteck gehen. Hehe.
Jedenfalls
bin ich froh, wenn dieser Tag zu Ende ist.
Letztlich
ging alles gut. Es wurde kein Zug verpasst. In der Tagesstätte habe ich an
meinem Raumschiff weitergebaut, wollte mich aber nicht so dreckig machen und
bin deswegen nicht in die Werkstatt gegangen. Habe nur ganz wenig
abgeschliffen. Eine Frau hat es gestört, dass der Tisch deswegen so gewackelt hat.
Die wollte nähen und hat gerade das musste auf den Stoff gezeichnet. Ich wollte
nicht dass die meckert oder unzufrieden ist und habe mich mit dem Schleifen ein
wenig zurückgehalten. Auch wenn es mir egal hätte sein können, was die denkt.
Eine andere Frau hat Auch wenn es mir
egal hätte sein können, was die denkt. Eine andere Frau hat sich ein bisschen
mit mir unterhalten. Das fand ich nett.
Bereits
als ich um 12 Uhr losgegangen bin und im Zug saß, habe ich mich müde gefühlt.
Der Tag war anstrengend. Nicht wegen Ängste, denn die waren gar nicht so stark,
sondern einfach wegen dem langen Zug fahren und den langen warten und den
umsteigen und so weit laufen. Sobald ich in Lübeck angekommen bin, bin ich in einem
Imbiss gegangen und habe mir Bratnudeln gekauft. Ich bin schnurstracks hinein
gegangen ohne zu zögern, weil ich Angst hatte, dass die Angst wiederkommt und
mich dann daran hindert.
Die
Nudeln haben dort gut geschmeckt. Allerdings war es im Bahnhof sehr kalt. Ich
saß auf einer Bank. Mir wurden langsam die Füße kalt und ich war froh, als der
nächste Zug endlich kam.
Der
Termin dauerte nicht mal eine ganze Stunde. Dafür, dass ich so lange unterwegs
bin, erscheint mir das viel zu kurz. Wenigstens sind die Folgetermine wieder
vormittags. Leider am Mittwoch. Wenn
auch erst In zwei Monaten. Mittwoch ist einer der schönsten Tage in der
Tagesstätte, weil es da keine Pflicht Gruppen gibt und ich spiele spielen oder
schreiben kann. Es findet nur eine kurze Essens Besprechung statt. Und später
dann das Mittagessen. Es ist ziemlich entspannend.
So
gibt es offenes Internet, so vergeht die Zeit wenigstens nicht ganz so langsam.
Auch wenn ich müde und erschöpft bin und gar nicht wirklich Lust habe, mich mit
dem Internet zu beschäftigen. Das ist immer das schlimmste. Wenn mir so
langweilig ist und ich so lustlos bin und keine Lust zu gar nichts habe und
dann auch noch die Zeit zu langsam vergeht und der Zug gefühlte 8 Stunden
unterwegs ist.
Sobald
ich wieder zu Hause war, habe ich mir noch ein Rührei gemacht. Hatte zwar nicht
so großen Hunger, aber da ich nur Nudeln am Tag hatte, hatte ich Angst, dass
ich mit leerem Bauch nicht so gut schlafen kann. Meinen Eltern habe ich von der
ganzen Sache nichts erzählt. Die hätten sich nur Sorgen gemacht oder gemeckert,
dass ich alleine auch noch im Dunkeln unterwegs bin.
Jedenfalls
war ich echt froh, als ich wieder zu Hause war. Bin um 7 Uhr ins Bett gegangen
und habe gut geschlafen.
Der
Tag kam mir vor wie ein Vollzeit Tag. Erinnert den mich ein bisschen an früher,
2007, wo ich erst um 17 Uhr immer zu Hause war. Heute war ich um 18 Uhr zu
Hause. Es gibt Menschen, für die ist sowas alltäglich. Ich bin froh, dass ich
täglich erst um 1:30 Uhr zu Hause bin und nicht um 5 Uhr oder 5:30 Uhr. So wie
die meisten. Ich kann mir dann was zu essen kochen, in Ruhe essen, putzen und
sauber machen, einkaufen gehen und habe der noch freie Zeit für mich. Zum
entspannen. Einfach, um auch die schönen Seiten des Lebens zu genießen. Und
nicht erschöpft und gestresst ins Bett zu fallen.
Dennoch.
Im Jahr 1997 bin ich eingeschult worden. Ein neuer, nicht gerade wohltuender,
sondern er anstrengender Lebensabschnitt begann.
Im
Jahr 2007 kam ich zu Jobb. Ein neuer anstrengender Abschnitt. Habe erfahren,
wie anstrengend Vollzeitarbeit ist. Musst du durchhalten. Schmerzen ertragen.
Den ganzen Tag stehen.
Im
Jahr 2016 kam ich wieder in eine Jobb-Einrichtung. Aber erst 2017 entwickelte es sich zu einem
Alptraum*. Und teilweise wiederholte sich das Jahr 2007.
Nun
habe ich Angst, dass im Jahr 2027 wieder etwas Ähnliches geschieht. Dass ich
wieder irgendwo reingesteckt werde, wo ich mich nicht wohl fühle und wo ich
Dinge tun muss, die mir nicht gefallen und mir Schmerzen bereiten. Wie
Toiletten putzen, stundenlang lange stehen und so weiter.
Ist
die sieben meine Unglückszahl?
Meine
Erfahrungen im normalen Arbeitsleben. Der Anfang?
*Im
Jahre 2007 habe ich eine BVB Maßnahme durchgemacht. Anfangs war ich der
Holzwerkstatt zugeteilt. Typisch für solche Maßnahmen ist es, dass nur Standard
Berufe angeboten werden. Von denen muss man sich etwas aussuchen, egal ob es
gefällt oder nicht.
Irgendwann fing es an, dass mir ständig übel
war und ich Kopfweh bekam. Die Betreuer meinten, ich würde den Holzstaub nicht
vertragen, daher wechselte ich in den HWI Bereich. (Ich denke heute, es hing
mit dem Mobbig zusammen, welches an den zwei Berufschultagen stattfand. Hatte
damals schon so große Ängste, dass ich mich nicht getraut habe mit anderen zu
sprechen. Die Jungs aus der Klasse hielten mich für behindert und standen in
den Pausen gerne um mich herum und haben sich grenzenlos verbal über mich
ausgelassen. Hatte deswegen zuhause oft geweint.)
In
der HWI musste ich dann von 8-17 Uhr Toiletten putzen, den Speisesaal und den
Rest der Einrichtung reinigen. Vom nahezu pausenlosen Stehen/laufen hatte ich
solche Schmerzen in Füssen und Rücken, dass ich jeden Abend den Tränen nahe
nach Hause gehumpelt bin. Die Ausbilder meinten dazu: Ich würde mich irgendwann
noch dran gewöhnen.
Dies
geschah nie.
Hilfe
für die Beseitigung meiner Ängste bekam ich damals nicht. Hatte nicht die
Kraft/Mut, mir selbst welche zu suchen.
Ich
bin nicht belastbar und zu ruhig/schüchtern für den Arbeitsmarkt, so die
Begründung, mit der ich nach Ende der Maßnahme nach Hause geschickt wurde. Lange
Zeit geschah dann nichts. Zudem hatte ich Angst, selbst die Initiative zu ergreifen;
Angst vor Mobbing & Schmerzen durch unangenehme Tätigkeiten.
10
Jahre später kam ich erneut in eine Jobb Maßnahme; kein 1€-Job.
Ich
wollte gerne einen Job haben, der mir Freude bereitet. So etwas zu finden ist
schwierig und irgendwelche Menschen meinten, ich solle die angebotenen
StandardBerufe ausprobieren. Denn Kassierer werden immer gebraucht!
In
dieser Maßnahme sollte ich in einem Kiosk einer Kantine den Schülern Brötchen
und Getränke verkaufen. Die Kinder waren unerträglich laut, haben wild durcheinandergeschrien,
sodass man kaum ein Wort verstehen konnte. Trotzdem musste ich die Kunden
begrüßen und die Geldsumme nennen. Denn selbst, wenn man kein einziges Wort
versteht und nur die Lippenbewegung sieht, ist es wichtig höflich zu sein!
Meine
Ängste waren so stark, dass ich mich so gut wie nie getraut habe, den Mund
aufzumachen. Gerne habe ich die Realität ausgeblendet und bin in anderen,
angenehmeren Gedanken versunken, während meine Hände ihre Arbeit taten und ich
stumm das Geld entgegennahm. Darum stand Frau Ti* manchmal neben mir und hat
mich regelmäßig ermahnt, wenn ich nichts gesagt habe. An der Kasse zu stehen
würde mir guttun und dadurch würde ich lernen, in Kontakt mit Menschen zu
treten, hieß es damals.
An
anderen Tagen musste ich die Putzfrau begleiten. So ein Tag im HWI Bereich
begann damit, dass alle 13 Toiletten geputzt werden mussten. Zuerst wurde es
mir gezeigt, später musste ich die Toiletten-Runde alleine gehen.
Obwohl
ich grundsätzlich nichts gegen solche Arbeit habe, empfand ich es als äußerst
unangenehm, im Herrenklo die klebrigen gelben Flecken von den Klobrillen zu
kratzen. Übelkeitserregender als der
Anblick war nur noch der strenge UrinGeruch in den kleinen Kabinen. Im Laufe
des Tages spürte ich zunehmende Schmerzen vom ununterbrochenen Laufen, bücken und
stehen.
Ich
bat um andere Tätigkeiten.
Frau
Ti meinte am Ende mehrerer Diskussionen irgendwann, ich würde mir die Schmerzen
nur einbilden. Zu kassieren und zu putzen würde mir guttun. Ich musste
weitermachen.
Immer
öfters habe ich mich in den Pausen auf der Toilette eingeschlossen, um dort zu
weinen. Ich wollte nicht, dass andere mich weinen sehen. Und ich konnte es auch
nicht mehr zurückhalten. Danach ging es mir etwas besser. Irgendwann bekam ich
vom Arzt dann Tabletten, die gegen dunkle Gedanken und Traurigkeit helfen
sollten. Allerdings wurde ich davon immer sehr müde, sodass ich die nur ungerne
genommen habe.
Anstatt
die Ursache zu vermeiden, gab es Tabletten, damit es erträglicher wird!
Auch
habe ich oft darüber nachgedacht, einfach nicht mehr in diese Maßnahme
hinzugehen. Doch getraut habe ich mich das nie. Ich hatte Angst vor den
Kürzungen des Geldes und davor, deswegen hungern zu müssen.
Zu
sagen, dass mir etwas nicht gefällt, das reicht nicht. Ich hatte 2007 schon im
HWI Bereich teilgenommen und würde gerne mal Arbeit im Büro ausprobieren. Tja.
Ich musste erneut beweisen, dass solche Bereiche mir keine Freude bereiten. Und
was ist das schon für ein Leben, täglich in einem Job zu arbeiten, der einem
überhaupt nicht gefällt?
Obwohl
ich nach wie vor gerne einmal Arbeit im Büro/EDV Bereich finden oder
ausprobieren möchte, verbinde ich das Wort Arbeit auch mit Angst und Erinnerungen
an damals.
Inzwischen
habe ich die nötige Hilfe bekommen. Dazu Diagnosen. Angststörung, PTBS und
Depressionen.
*Name
aus Datenschutzgründen geändert.