Es war einmal ein Mädel. Ihr Name war Tamsin.
Sie war siebenundzwanzig Jahre alt. Das Schicksal hatte sie dazu verdonnert,
ihr Dasein bei ihren Eltern zu fristen. Ganz alleine, ohne Freunde. Das einzige
was ihr Freunde bereitete, war ihr Computer. Und natürlich ihr 3D Fernseher.
Aber Tamsin war in ihrem Kopf nicht alleine.
Da waren auch noch ihre beiden nicht existenten Schwestern Lucy, die
Ungehaltene und Mirella, die Unschuldige. Sie beide steckten in ihr und das
wusste Tamsin, die dankbar war, wenn sie erschienen, um in bestimmten
Situationen die Kontrolle zu übernehmen. Dankbar… Das redete sie sich zumindest
ein. Doch in Wahrheit wünschte sie sich nichts sehnlicher, als normal zu sein.
Normal zu sein. Freunde zu haben, echte Freunde. Ein Leben, in dem Situationen,
in denen sie die Kontrolle verlor, gar nicht erst passierten.
Dieses Glück blieb ihr bislang verwehrt.
Ihre Eltern trieben Tamsin regelmäßig in den
Wahnsinn. Naja, fast. Sie konnten auch nett sein. Zu nett. Sie behandelten Tamsin
wie ein Haustier, dass sich dem Willen des Oberhauptes fügen musste. Dem zwar
Rechte und Wünsche gestattet waren, jedoch in Grenzen. So durfte Tamsin nicht
alleine Auto fahren, weil sie in den drei Jahren, die sie den Führerschein nun
schon besaß, zu wenig Fahrerfahrung hatte. Jedoch hatte sie auch nicht das
Verlangen, nur mit den Eltern herumzukutschieren, die ihr stets sagten, wo es
langgeht. Für ein eigenes Fahrzeug fehlte ihr das Geld, sowie die Erlaubnis
ihres Dads, der sich gegen alles, was Tamsin verletzen könnte, auflehnt. „Wenn
etwas passiert, weiß sie doch gar nicht, wie sie reagieren soll. Was dann? Dann
erschreckt sie sich und fährt weg. Dann begeht sie Fahrerflucht!“, hatte er
einst aufgebracht behauptet, weil er nicht glaubt, dass Tamsin, die oft unter
schweren Angstatacken leidet, fähig ist, bei einem möglichen Unfall den
Rettungsdienst zu alarmieren.
Seit ungefähr elf Jahren lebt Tamsin in der
umgebauten Waschküche an der Grenze zwischen Hof und Garten. Abseits des
Elternhauses, und doch hatte sie stets das Gefühl, als wäre sie mittendrin. Tamsin
liebt das Schreiben. Es gibt ihr das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Tagebuch
führt sie, wenn auch nicht durchgehend, seit sie in der Grundschule schreiben
gelernt hatte. Und sie hat nicht vor, damit aufzuhören, weil sie sich auch in
ferner Zukunft noch an vergessenen Erinnerungen erfreuen will. Nun ist es so,
dass ihr momentanes Heft sich langsam dem Ende nähert. So wie auch das Leben,
das sie führt. Ein neuer Abschnitt beginnt.
Bald.
Gerade brachen die späten Abendstunden an. Tamsin
saß im Halbdunkel und überlegte, was sie dem noch hinzufügen könnte, da sah sie
eine dicke, mittelgroße Spinne über die schwarze Samttischdecke des Tisches
neben sich entlang krabbeln. Ihres weiblichen Gemüts entsprechend war sie
innerlich vor Schreck zusammengezuckt. Aber nur ein bisschen. Wobei das Vieh
mit ihrem starken Rumpf einen viel furchteinflößenderen Anblick bot, als ein
gewöhnlicher Weberknecht. „Es ist nur eine Spinne, viel kleiner als ich. Mir
unterlegen.“ Also beugte sie sich runter, zog ihre elektronische
Fliegenklatsche unter dem Fernsehtisch hervor und hätte bei dem Versuch sie zu
schnappen fast ihr Handy getroffen.
Menschen lieben ihre Handys,
können nicht mehr ohne sie leben, wie es oft den Anschein hat. Selbst Tamsin würde
die Vorteile, die es bietet, nicht missen wollen. Beispielsweise die eBooks. Auf eine moderne
Speicherkarte passt der ganze Inhalt einer Bibliothek – und man hat sie immer
dabei! Einzige Schwachstelle ist der Akku. Welch eine Ironie, wenn man doch an
die alte Zeit zurückdenkt, in der ein Akku noch eine ganze Woche gehalten hat.
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