Dienstag, 29. August 2017

Unbehagen

 

Tamsin hat eine üble Nacht hinter sich. Inzwischen kratzt ihr eigentlich nicht scharfer Zahn so sehr an der Zunge, dass sie kaum ein Auge zubekommt. „Ich lag ungefähr zwei Stunden wach.“ Sie traut sich nicht, das Zahnwachs auch nachts draufzutun, aus Angst, es zu verschlucken. „Es wird immer schlimmer. Mit jedem Abschleifen wird es schlimmer.“ Aber eine Krone wäre unnötig. Und teuer. Lieber möchte Tamsin das Geld für ihre neue Unterkunft sparen.

Der JOBB-Alltag lässt ebenfalls zu wünschen übrig. „Spazierengehen stand auf dem Plan.“ Zwei Teilnehmer müssen aber früh gehen. Anstatt führ loszugehen und damit auch rechtzeitig wieder zurück zu sein, wurde zwei Stunden gewartet, damit die beiden während des Spazierganges direkt zum Bus gehen konnten. „Und wie wir gewartet haben!“ Die Zeit ließ sie heute nur schwer absitzen. Die Beiden haben sich unterhalten. Der Rest hat zugehört. Ein banales Thema folgte dem Nächsten. „Ich finde es immer wieder faszinierend, wie gnadenlos sich Menschen über mehrere Stunden hinweg unterhalten können, ohne Pause, ohne, dass der Gesprächsstoff ausgeht.“

In der Zwischenzeit huscht Tamsin auf die Toilette, um Wachs auf den Zahn zu drücken. Dadurch kann sie weder essen, noch trinken, aber der Schmerz lässt ein wenig nach – wenn auch nur langsam, da die Zunge stark aufgescheuert ist.

Um das Elend zu perfektionieren wurde heute für Donnerstag Kochen geplant!
Sofort schrien die ersten, dass sie nicht in die Küche möchten und lieber die Tische eindecken. Damit standen die zwei Teams schnell fest. Tamsin, die von negativen Gefühlen überschwemmt wird und sich nicht traut, die Stimme zu erheben, wird sich ihrem Schicksal wohl wieder einmal ergeben müssen.
Wie immer. „Ich fühle mich down.“ Warum mussten sie das heute schon ankündigen? „Meine Woche ist ruiniert.“ Tamsin hat fühlt sich mutlos. Und lustlos. Und demotiviert. „Diese elende Großküche holt mich immer wieder ein.“
Im den Nudelauflauf gehören Zwiebeln – einer der Gründe für ihren Hass auf solche Großküchen. Man muss kochen, was man nicht mag und darf dann nur öde Hilfearbeiten und den Abwasch machen.

Nudelauflauf… Während dies beschlossen wurde, wurde auf jeden Rücksicht genommen, ob er es mag. Nur auf Tamsin nicht. „Aber wen interessiert das schon?“ Eine Ausländerin isst kein Schwein. Darauf wurde Rücksicht genommen. Tamsin wurde ignoriert. „Ich erwarte nicht, dass sie wegen mir auf das komplette Fleisch verzichten. Oder auf die Zwiebeln.“ Tamsin ist eben nur Tamsin. Stumm und gut genug, die Aufgaben zu erledigen, die andere nicht mögen…

„Diese Woche haben wir früh Feierabend. Sollen die letzten Sommertage genießen.“ Tamsin fragt sich: „Warum?“, während ihr Tränen in die Augen steigen.

Tamsin führt ihr Glückstagebuch. Es ist seltsam, aber tatsächlich offenbaren sich ihr trotz des Unmuts einige glückliche Momente, die das Leben erträglich machen.

Auf dem Firmengelände treibt sich eine heimatlose Katze herum. Einige Leute die dort arbeiten kaufen immer Futter für sie. Vom eigenen Geld. „Menschen können grausam und rücksichtslos sein. Gleichzeitig schlummert aber auch so viel Güte in ihren Herzen.“

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