Ja
heute ist Donnerstag. Heute hat Tamsin Therapie, weswegen sie erst später in
die Maßnahme muss. Dadurch verpasst sie die erste Pause dort und braucht nur 2x
in den Kiosk. Naja. Das ist anstrengend, aber die Zeit danach bis Feierabend
ist und Tamsin endlich wieder schlafen kann, ist beinahe genauso anstrengend.
"Ich überlege, alle Uhren aus meinem Umfeld zu entfernen und das Handy so
einzustellen, dass es immer Klingelt, wenn ich losmuss. Dann muss ich nichtmehr
auf die Uhren sehen, die mir sowieso nur sagen, dass ich keine Zeit habe."
Trotz
des morgigen Tischdienstes ist Tamsin heilfroh, dass ihre Woche heute endet. 5
Vollzeittage hintereinander Kiosk würde sie nicht durchhalten. Sie würde vor
den Kunden weinen, und das wäre ihr sogar egal.
Wieder
einmal ist Tamsin die einzige Teilnehmerin in ihrer Maßnahme. Der Rest ist
krank. Tamsin muss in den Kiosk. Dort ist sie nun schon 4 Wochen. Niemand kann
ihr bisher sagen, wie lange es noch dauert. "Es sind doch nur 3 Tage in
der Woche." Tamsin kommt sich albern vor, fast 30 Minuten damit zu
verbringen Bitte und Danke zu sagen. Ununterbrochen.
Gerade
ist es 13:42 und Tamsin ist hundemüde. Gestern tat sie um 19:00 die Augen und
erwachte mitten in der Nacht, konnte nicht wieder einschlafen bzw. Lag im
Halbschlaf und war am kommenden Morgen ebenfalls hundemüde.
Tamsin
soll nun an einer Präsentation weiterarbeiten. Das tut sie, so gut sie kann.
Nächste Woche soll sie die Präsentation dann zwischen den Kioskpausen halten.
Eines bereitet ihr Freude, das andere Verzweiflung. Das Ergebnis ist Wut! Und
ein wenig Trauer.
"Es
ist ätzend, zu sehen, wie alle gehen, weil sie Teilzeit haben und ich bis
nachmittags hier sitzen/stehen/wachbleiben muss." Es gibt nichts zu essen,
außer das Essen für die Schüler. Das isst Tamsin nicht, weil sie an der Kasse
stehen muss, und ist sie damit fertig, ist das Essen längst kalt. "Wenn es
Pommes gibt, darf ich manchmal die Reste essen. Gratis." Die Pommes sind
hier echt gut! Knusprig! Die schmecken sogar ausgekühlt.
"Ich
bekomme Kopfweh." Ihr Trinken ist alle und auf süße Kekse hat sie keine
Lust. Da sie noch eine Stunde hier sitzen muss, Traurigkeit verspürt und sich
kaum konzentrieren kann, geht sie in den Chat. Die nächsten 4 Tage hat sie
frei, doch der Moment, an dem sie wieder an die Kasse muss, kommt ihr vor, als
wäre es bereits morgen. Immer wieder kommen depressive Gedanken.
Als
ihr dann die Tränen kommen, ist Tamsin doch froh, ganz alleine zu
sein.
Sie
schaut auf die Uhr. Weitere 5 Minuten sind rum. Es gibt keinen Ausweg, diese
dunklen Gedanken loszuwerden.
"Der
Chat ist langweilig. Wieder nur Perverse on. Wie immer."
Plötzlich
kommt die Anleiterin und fragt: "Oh Tamsin, du bist ja so rot, ist alles
in Ordnung?"
Tamsin
schämt sich, vor anderen zu weinen und leugnet alle Anschuldigungen. Ob sie
hier sitzt und lacht oder weint, wen kümmert das schon? An die Kasse muss sie
sowieso wieder. "Das werde ich wahrscheinlich auch noch müssen, wenn ich
mich heulend auf die Theke stütze und mir jedes Centstück aus den zitternden
Händen fällt."
"Es
verändert mich." Wenn die sagen, Tamsin verliert dadurch Ängste, ok. Wenn
Depressionen der Preis dafür sind, hat sie keine andere Wahl, als ihn zu
zahlen.
Vielleicht
ist das so eine Art Strafe. Als Kind hat sie nie Bitte und Danke gesagt. als
ihr Onkel ihr einmal im Alter von 13 Jahren ein Fahrrad geschenkt hat, hat sie
sich sogar darüber beschwert, dass es nicht so war wie sie es gerne hätte.
Darüber war er sehr verärgert. Ihr war es egal.
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