Dienstag, 19. Juni 2018

Ciao, Vollzeit.


„Mein Zahn kratzt an der Zunge. Obwohl ich genau weiß, dass dort nichts scharfes ist führe ich schmerzen. Vielleicht sind diese Schmerzen gar nicht real. Vielleicht sind sie nur ein Zeichen von Angst oder Stress. Dabei verlief der Tag überraschend friedlich. Kein Stress und keine Angst, die mich heimsuchten. In meinem ersten Maßnahmen Tag nach dem Urlaub saßen wir wieder am Computer. Wir sollten unsere Ziele aufschreiben. Dinge die wir dort erreichen sollen. Ich habe meinen schreib Künsten freien Lauf gelassen und die Leute wirkten erstaunt. Erstaunt und beeindruckt von diesem modernen Bürokratendeutsch, welches man in so einer Form eigentlich nur auf Formularen oder Anträgen zu lesen vermag. Ich tu gerne formulieren und mich überdurchschnittlich ausdrücken. Über den Tag hinweg haben sich meine gestrigen Ängste beinahe vollkommen verflüchtigt. Vielleicht hat der gestrige Tag mir etwas mitteilen wollen. Vielleicht ist es an der Zeit, die Realität zu akzeptieren. Irgendwann werde ich alle Dinge alleine erledigen müssen. Es ist nicht gut und bringt mich nicht weiter, wenn ich mich auf der Hilfe von den Eltern oder den Betreuern ausruhe ohne mir selbst Mühe zu geben. Darum bin ich nach Feierabend am Sanitätshaus vorbeigegangen, wo ich mir meine Einlagen abholen sollte. Ich bin einfach reingegangen. Habe natürlich zuvor versucht mich zu informieren, was mich dort erwartet. Dass die Füße abgemessen werden. Das alles lief problemlos ab. Da war ich froh. Ja viele Dinge sind irgendwie doch einfacher als erwartet. Ich traue mir nur nichts zu, weil ich solche Panik vor dem Ungewissen habe. Und wenn ich diese Panik über mich herrschen lasse, werde ich immer in ihrem Schatten leben. Und ein Leben im Schatten ist düster und öde, verläuft in der Abgeschiedenheit jenseits von Glück und Freude. Nun wo die große Sorge mit der Zeit und Vollzeit ein wenig zur Seite gedrückt ist, erwacht in mir der Drang noch mehr Gutes zu erreichen. Vielleicht werde ich irgendwann wirklich eine Arbeitsstelle finden, in der ich auch in Teilzeit genug Geld für ein unabhängiges Leben verdiene. Genauso sehr wie das hätte ich gerne eine richtige eigene Wohnung. Mehr als dieses Zimmer an diesen Ort, an dem ich mich immer noch höheren Mächten beugen muss. Eigentlich ist es hier ganz angenehm. Selbst die Gruppenaktivitäten Punkt bis jetzt gab es erst einmal oder wenn nicht sogar zweimal ein essen, was ich überhaupt nicht mochte. Und das war mit Kohl. Da wusste ich sogar vorher schon, dass es mir nicht munden wird. Also war es keine unangenehme Überraschung. Erstaunlich, wenn ich jetzt zurückdenke, welche Angst ich davor hatte Dinge essen zu müssen, die ich nicht leiden kann. Neue Dinge, die ich zuvor nicht gekannt hatte und die mich negativ überraschen. Aber dies ist bislang eine sehr große Seltenheit. Sogar das letzte Essen am Montag, bei dem ich vor den Zucchini solche Angst hatte, war überaus wohlschmeckend. Ich habe noch ungefähr 4 Monate, dann wird entschieden, ob mein wohnvertrag verlängert wird Komma sofern ich noch soviel Hilfe brauche. Eigentlich ist es unwahrscheinlich, dass ich innerhalb dieser kurzen Zeit lerne vollkommen selbstständig zu werden. Aber ich sollte versuchen es zu schaffen. Nachdem ich mir die Einlagen bestellt habe, die nächste Woche abgeholt werden müssen, er blühte in mir der Drang nach einem Döner. Aber in meiner Jacke habe ich geschwitzt und wollte nach Hause. Daher habe ich mir vorgenommen mir mal am Wochenende einen zu holen. Mit dem Fahrrad. Dafür habe ich mir heute Nudeln mit Pesto zubereitet. Da ich nun um 15 Uhr immer zu Hause sein kann, kann sollte ich die Zeit auch zum gesunden Kochen nutzen. Gerade heute war ich darüber sehr erleichtert. Denn die Maßnahme hat einen auf den Deckel gekriegt, weil die Leute immer oder öfters früher gehen als sie eigentlich dürfen. Und ihre Zeiten nicht einhalten. Nun soll das so gemacht werden, dass die Vollzeit Leute auch wirklich in Vollzeit da bleiben das war bisher noch nie so. Bis 15 Uhr war das längste. Und das wohl auch nur wegen dem Bus. Vielleicht war es ja meine Schuld, dass das Jobcenter und zufrieden ist und alle nun bis zum Schluss bleiben müssen bei denen es so im Vertrag steht. Bis 16 Uhr oder 17 Uhr. Denn während meines Gespräches über die Zeiten und Teilzeit wurde erwähnt, dass es Kontrollen geben kann, wo das Jobcenter in die Maßnahme kommt und guckt ob auch alles so abläuft wie es laufen soll. Und wenn die dann sehen würden, dass die Leute ihre Vollzeit nicht einhalten und schon zu Hause sind, gäbe es Ärger. Für alle. Irgendwie ist es seltsam, dass diese bürokratische Regelung gerade jetzt in Kraft tritt, wo Vollzeit kein Thema für mich mehr ist. Ich war echt erleichtert. Dann käme ich mit dem Bus der dafür sorgt, dass ich eine Stunde später nach Feierabend immer erst zu hause bin um 17 Uhr oder 18 Uhr heim, wäre ich mehr als nur erschöpft. Oder ausgehungert.“

Tamsin ist froh, dass sie ihren Problemen Gehör verschafft hat und nicht weiterhin alles verschwiegen hat, aus Angst, man würde sie als faul abstempeln, nur, weil Vollzeit sie ein bisschen überfordert hat.

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