An
diesem Tag war Tamsin glücklich und hat viel gelacht. Zudem war Schreibgruppe,
in der jeder etwas schreiben konnte, was dann vorgelesen wurde. Vielleicht
gefällt ihr dies so sehr, weil sie dabei Aufmerksamkeit du Anerkennung für
etwas bekommt, was sie selbst erstellt hat.
Zuvor
hatte sie ein Gespräch mit der TS Betreuerin wegen den Freitagen. Tamsin nervt
es, dass sie an diesen Tagen bis 14 Uhr bleiben soll. Nach der Abschlussrunde
passiert nix mehr. Zeit absitzen, während die anderen Werbung lesen, nur, weil
es Schöner sein soll, wenn alle gemeinsam Schluss haben. Wobei es auch Leute
gibt, die dennoch früher gehen. Aber das sind „Ausnahmen“.
Gerade
dann nach 14h, wenn Tamsin zuhause ist, geht Frau S. meistens in die Küche zum Kochen.
Tamsin soll das abklären mit der und sich nicht so viele Sorgen machen, dass
sie nicht essen oder kochen kann, wenn sie hungrig zuhause angekommen ist.
Als
ob das so einfach ist!
Ja,
das ärgert sie.
Versucht,
etwas Positives zu sehen. Will Freitage nicht hassen, nur, weil sie 30 min.
länger bleiben muss.
Nun
ja. Nach dem Schreiben denkt sie über das Gespräch du die Freitage nach. Ihre
Stimmung kippt um. Gerade noch heiter, nun den Tränen nahe. „Bin alleine hier
sitzen geblieben. Wollte nicht aufs Sofa zu den anderen, weil die mich nicht
weinen sehen sollten – falls es dazu käme.
„Ich
bin wütend. Verzweifelt.“
Tamsin
denkt, dass solche Situationen sie verändern. „Ich fühle mich seltsam. Ich
starre auf einen Punkt vor mir, bemüht, nicht zu weinen. Meine Gedanken sind
leer. Höre Geräusche, aber nehme sie nicht wirklich wahr. Es dauert, bis ich
den Verstand und die Beherrschung über mich wiedergewinne… Blinzeln kann. Mich
wieder bewege.“ Immer in solchen Situationen, wenn etwas gegen ihren Willen
geschieht. „Ich bin Erwachsen. Ich sollte komplett selbst über mein Leben
bestimmen dürfen.“
Tamsin
versucht das Positive daran zu sehen. Selbst nach halb3 ist der Tag noch lang.
Besser als um halb5 Zuhause zu sein! Ja es könnte schlimmer sein.
„Wenn
sich mein Verhalten unkontrollierbar verändert, ich mich so sehr in unangenehme
Situationen hineinsteigere, dass ich nicht mehr ich selbst bin, hat das auch etwas
Gutes. Meine größte Lebensangst ist es, dass ich eines Tages einen Job machen
muss, der mir nicht gefällt und wo ich in Vollzeit täglich erst nach 16 oder 17
Uhr zuhause bin, dann schon um 18 oder 19 Uhr schlafen muss, weil ich auch so
früh aufstehen muss. In einer Fabrik oder lauten Küche stehen… den ganzen Tag…“
Wenn Tamsin nicht ihr Wunschleben haben und in einem Büro arbeiten darf, will
sie lieber ihr Leben in Psychologischen Einrichtungen verbringen, als zu tun,
was sie hasst, nur, weil andere das verlangen!
Was
kann Tamsin dafür, dass sie einen schlechten Schulabschluss hat, weil die
anderen Kinder sie immer geärgert und die Lehrer sie nie richtig um sie
gekümmert hatten? Aufgaben wurden nicht gut erklärt. Hat sie eine Aufgabe
falsch gemacht oder nicht erledigt, weil sie sie nicht verstanden hat, gab es
eine schlechte Zensur. Damit hatte es sich dann erledigt.
Muss
sie dafür ein Leben lang bestraft werden, indem sie in einer Spülküche oder
Ähnliches arbeiten muss, weil ihre Qualifikation für einen Bürojob nicht
ausreicht?
Der
Abend an diesem Tag verlief äußerst tränenreich. “Den ganzen Frust, Wut und
Verzweiflung brachte über mich zusammen. Ich konnte nicht mehr aufhören zu
weinen. Absolut nicht. Da war diese Machtlosigkeit. Das Gefühl total hilflos
und am Ende zu sein. Ich kann und darf nur tun, was andere wollen. Dann ist
alles gut. Wie ich mich dabei fühle ist egal. Das war schon immer so und wird
immer so bleiben. Bis um 22 Uhr war ich wach, weil ich nicht einschlafen
konnte. Die Gedanken kamen immer wieder. Meine Probleme sind egal und ich muss
einfach tun was andere wollen. Irgendwie einen Weg finden. Dann war da auch
noch die Sache mit der Einsamkeit. Dave ist real. Er ist zwar ruhig und
zurückhaltend, aber er will mein Freund sein. Denn noch konnte mich das nicht
aufheitern. Ich werde in zwei Monaten 30 und habe das Gefühl, immer noch nichts
wirklich Angenehmes erreicht zu haben. Etwas Positives, ja. Ich habe sozusagen
eine Wohnung in der ich mich einrichten kann wie ich will und kaufen kann was
ich will. Ich bin nicht mehr abhängig von den Eltern. Und auch nicht alleine.
Dennoch habe ich keinen richtigen Freundeskreis. Keine Freundin, mit der ich
öfters was unternehmen kann. Ich weiß nicht, wie lange das dauern wird oder ob
es überhaupt je so sein wird. Damals in der dritten Schulklasse hatte ich eine,
aber dann bin ich sitzen geblieben, musste die Klasse wiederholen, und dann war
es damit vorbei. Vielleicht wäre es anders und wir werden heute noch
befreundet, wenn ich in der Klasse geblieben wäre. Heute zurück gedacht wäre
das mir wichtiger als das Schuljahr zu wiederholen und mein Wissen zu
erweitern, denn gebracht hat es anscheinend nicht viel. Habe trotzdem ein
schlechtes Zeugnis und schlechte Noten. Wenn ich im Internet neue Leute suche
werde ich immer nur von Männern angeschrieben. Und davon sind auch nur ganz
selten welche dabei, die keine Beziehung und so weitersuchen. Die auch nur
normal reden wollen. Und wenn, dann wohnen die so weit weg. Ich habe das
Gefühl, dass alles nicht auf die Reihe zu kriegen. Es überfordert mich, und
irgendwann ist mir alles egal. Heute kam dieser Punkt Wieder.“
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