„Geplant war schon länger, dass wir mal wieder
grillen. Damals wusste ich allerdings noch nicht, dass mir mein Körper ein
Strich durch die Rechnung machen will. Und das will ich auch nicht zulassen.
Ich kann zwar nichts Schönes trinken, aber was solls. Ich weiß noch nicht, ob
das mit dem Grillen heute überhaupt was wird, weil ich zum morgens Arzt gehe.
Ich erwarte zwar nicht krankgeschrieben zu werden, aber ich wurde gebeten das
Thema anzusprechen. Ich fühle mich immer noch müde und im Hals brennt es. Ich
habe auch schon überlegt das Grillen zu verschieben, aber das ist einfach
stressig. Ich weiß nicht wann Punkt am Wochenende muss ich einen Tag einkaufen,
am anderen Tag zum Feuerwerk. Freitag geht’s nicht. Und ich möchte ihn nicht
enttäuschen, indem ich es direkt eine ganze Woche verschieben will. Sollte ich
heute nach Lensahn fahren, wird dort gekocht. Ich soll lernen Mais und
Kartoffeln zuzubereiten. Demnach wäre ich danach auch schon satt. Naja
größtenteils. Das ist alles schwierig. Ich fühle mich gestresst mit den ganzen
Planungen Wäre die Sache mit den Halsschmerzen nicht so lästig, wäre es halt so
wild.“
„Unwillkürlich gesellt sich eine sonderbare Wut
dazu. Ich konnte schon wieder nicht anders als über das verhasste Telefon in
der Maßnahme nach zu grübeln. Es ist so unerträglich lästig wie eine Fliege. So
wie die Fliege, die gestern bei mir rein kam und die so schnell war, so dass
ich sie nicht kriegen konnte und sie immer wieder um mich herum geschwirrt ist,
sich auf meine Tasse gesetzt hat und mich am frühen Morgen um den Schlaf
gebracht hat. Seitdem das so ist, dass es die Teilnehmer rangehen sollen, wenn
es klingelt, fühle ich mich im Gruppenraum unterbrochen gestresst. Jede Sekunde
könnte es klingeln. Wie eine Bombe, die in meinem Herzen explodiert. Erwarten
die ernsthaft, dass ich mit meiner Angststörung freiwillig dran gehe? Ich
denke, wenn ich im Gruppenraum alleine sein sollte, würde ich zukünftig einfach
auch rausgehen. Einfach nur im Flur stehen, um nicht dort alleine zu sein mit
diesem blöden Telefon.“
Es
bringt nichts, darüber frustriert zu sein. „Das zieht mich nur runter und macht
meine Stimmung kaputt. Vielleicht sollte ich das alles ein bisschen gelassener
sehen. Ich gehe jetzt zum Arzt, fahre dann nach Lensahn, dort kochen wir und
essen. Nach Feierabend tun wir grillen. Vielleicht danach noch ein bisschen
spielen und der Tag ist rum. So lange habe ich mir so etwas gewünscht, um das
jetzt so einfach abzusagen und stattdessen nach Hause zu fahren und den Abend
vor dem Fernseher rum zu gammeln.“
„Also dann, beim Arzt wurde
mir Blut abgenommen. In dem Haus sind 3 Ärzte und diesmal war ich wieder bei
einem anderen. Es ist schon seltsam, ich habe vorher überlegt, was wohl
passieren würde und ans Blutabnehmen gedacht. Und nun passierte das wirklich, weil ihr
besonderes Leiden nicht ausfindig gemacht werden konnte. Es war nicht so extrem
unangenehm wie üblich.
Die Panik wird bald mit jedem Jahr mal weniger. Tamsin war in den letzten Tagen ein wenig
schlampig mit ihren Antibiotika. Es half nicht, also hatte sie es ein paar Mal
vergessen. Nun hat sie Angst, dass das auffällt.
In der
Maßnahme waren alle verwundert, dass Tamsin nur krankgeschrieben werden würde,
wenn sie Fieber hätte. Komischer Arzt, meinten die. Tamsin selbst ist sowas
gewohnt. Dass Ärzte trotz unermesslichen Leidens nicht wie erwartet handeln, da
denen die Symptome zu gering erscheinen. „Sind doch nur Halsschmerzen, Tamsin.
Stell dich nicht so an.", spricht eine verhasste Stimme irgendeiner
unbestimmten Person, die Tamsin selbst nicht ernstnimmt, in ihrem Kopf.
Gut, dass
die Schmerzen inzwischen nicht mehr so unerträglich sind. Und auch das
Druckgefühl lässt nach. Tamsin muss heute auch nicht kochen, das wird auf
Dienstag verschoben, sodass sie sich auf das Treffen mit Dave freuen kann. Das
tut sie. Er geht extra los zum Einkaufen, um die Wurst zu besorgen, nachdem Tamsin
ihm im Bus mitgeteilt hat, dass sie heute doch noch kommt. Und er freut sich
auch. Das schreibt er. Und Tamsin glaubt ihm das. Deswergen ist sie auch nicht
enttäuscht über das nichtkrankgeschrieben-werden. Es sind nur 3 Tage in der
Woche, in denen sie losmuss. Sicher, mit Schmerzen kann sich selbst der
kürzeste Moment in eine Hölle verwandeln, aber momentan ist sie froh. Alles ist
gut. Naja, außer das Wetter mal wieder. Die Sonne scheint, doch der Wind ist
kalt. Sie hat sich keine Jacke mitgenommen, weil es in der Stadt so warm war.
Mist. "Bei Wind macht Grillen auch keinen großen Spaß.", findet sie.
Schmutz wirbelt durch die Luft, alles fliegt weg und das nervt. Aber wie schon
gesagt, sie muss das Positive erkennen. Sie ist nicht mehr allein. Sie kann
etwas unternehmen!
Während Tamsin
den Tag dort wieder am PC verbringt und schreibt, streichen die anderen den
Flur weiß. Puh. Einige sitzen aufm Boden, andere klettern auf Leitern. Darauf
hätte sie keine Lust. Wegen ihrem Hals muss sie auch nicht draußen die Paletten
lackieren. So hat ihr Halsleiden sogar noch etwas Gutes an sich.
Schlecht
fühlt sie sich deswegen nicht. Warum auch? Nur, weil sie keine anstrengende
Arbeit mag soll sie ein schlechter Mensch sein!?
***
Das
Grillen am Nachmittag war dann doch ganz nett. So stürmisch war es auf der Bank,
die auf einer kleinen Anhöhe mit Blick auf den See liegt, gar nicht. „Wir
hatten wieder so einen kleinen Einweggrill. Der war diesmal zwar etwas heiß,
aber eigentlich ist das Ding ganz gut. Die ersten beiden Würstchen sind aber
verkohlt. Wegen meines Herzens habe ich auf besondere Getränke verzichtet. Es
war schon anders als sonst. Und damit beginnen die Pleiten. Meine Eltern rufen
an. Sie sind auch nach Lensahn gekommen, um mir eine Isoflasche zu bringen.
Jetzt am Donnerstag, wo ich die doch gar nicht mehr brauche, weil Wochenende
ist und es meinem Hals auch schon wieder bessergeht. Dann brauche ich wohl
keinen Tee mehr nächste Woche mitnehmen. Den hatte ich jetzt in einer
Plastikflasche. Da drin wurde er zwar kalt, aber besser als gar nichts. Und
besser als Milch, die schon vorgestern so sehr im Hals gebrannt hat. Naja,
jedenfalls wollten die wissen wo ich war und wollten mich abholen. Ich wollte
die Wahrheit nicht sagen. Und ihre Fragen haben mich wütend gemacht. Sie wütend,
dass ich kurz ein wenig lauter wurde, als ich gesagt habe, dass ich unterwegs
bin und die nicht auf mich warten müssen. Im Nachhinein war mir das peinlich.
Denn ich will nicht, dass er mich für komisch hält, wenn ich plötzlich so
unzufrieden wütend die Stimme erhebe. Aber ändern konnte ich dann auch nicht
mehr. Es passiert öfters, dass die neugierigen Fragen der Eltern mich wütend
machen. Zweimal haben sie angerufen. Nach dem Essen sind wir wieder zu ihm
gegangen, um ein bisschen Videospiele zu spielen. Die nächste Pleite war, dass es
auch auf der Toilette ein wenig laut wurde. Ups! Im Nachhinein ging dort nicht
mal die Spülung. Das war es war nicht schlimm, aber irgendwie nicht angenehm.
Davon, dass ich von meinem kalten Tee öfters mal aufstoßen musste, will ich gar
nicht erst anfangen. Das alles hat mich so mitgenommen, dass ich die ganze Zeit
über etwas verwirrt und unsicher war. Nicht so selbstsicher wie sonst. Aber
anscheinend habe ich keinen allzu schlechten Eindruck gemacht. Die letzte Pleite
war, dass während wir auf meinem Bus gewartet haben, noch ein anderer Bus an
der Haltestelle vorbeifuhr und kurz anhielt. Als er umgedreht hat, um
weiterzufahren, hat mir jemand zugewunken. Mir? Ja. Don! Wie ich später erfuhr,
war er in einer anderen Stadt unterwegs und gerade auf den Heimweg. Ich hatte
das seltsame Gefühl, dass er es war, selbst bevor er mir geschrieben hat. Ich
hatte echt Angst, dass er den Bus anhalten würde um zu mir zu kommen. Das wäre
noch was geworden! Die Tatsache, dass er mich dort mit jemand anders stehen
gesehen hat, scheint ihn jedoch nicht sonderlich zu stören. Mehr als ein
kleiner unschöner Kommentar kam nicht. Vielmehr ärgert ihm die Sache, dass ich
mit Tina, meiner imaginären LebensFreundin zusammen bin. Ich fühle keine Scham
oder irgendwelche moralischen Bedenken, wenn ich von dieser Person erzähle, die
behauptet, mit mir zusammen zu sein, damit für ihm kein Platz mehr ist. Und das
nur, weil ich nicht weiß, wie ich das sonst tun soll. Er erzählt Lügen, um mit
mir zusammen zu kommen. Das ärgert mich. Beinahe schon so sehr, dass ich nicht
mehr weiß, ob ich überhaupt je etwas Reales mit ihm zu tun haben will. Und dann
weiß ich noch nicht einmal, ob er wirklich nur so dreißt und ohne zu zögern
Lügen erzählen kann, oder ob er sich diese ausgedachten Lügen wirklich so sehr
in den Kopf gesetzt hat, dass er sie selbst glaubt. Angeblich will er mich
nicht verlieren. Aber dass er es genau dadurch tut, ist ihn nicht gewusst oder
egal. Verstehe ich auch nicht. Und trotzdem sucht er weiter Bilder aus dem
Internet und behauptet, die hätte Tina ihm geschickt. Das ärgert mich ein wenig
und macht mich gleichzeitig traurig. Denn auch wenn all die Sachen wie Ausflüge
zum Strand oder so ganz gut klingen, kann ich nicht mit jemanden befreundet
sein, der so schamlos Lügen erfindet. Wahrscheinlich ist das aber auch nicht
schlimm. Denn wenn ich mit Dave ein Zusammensein aufbaue, wäre da
wahrscheinlich auch kein Platz für einen anderen Mann. So etwas gehört sich
nicht. Ich habe ihm gesagt, dass ich keine Beziehung will und demnach tue ich
auch nichts moralisch Verwerfliches.“
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