Mittwoch, 30. Mai 2018

„Ich war noch nie in einer richtigen Psychiatrie.“

 
Tamsin hat einen Termin beim ZIP in Lübeck. Dort soll ihre Diagnose neu gestellt werden. Sie hat sehr schlecht geschlafen und fühlt sich nicht so Happy. Dennoch freut sie sich, dass die Leute in ihrem Umfeld anscheinend wirklich versuchen, ihr zu helfen.

Ihre größte Angst: „Dass ich dortbleiben muss, weil meine Denkweise als abnormal eingestuft wird. Dass mir eine Gehirnwäsche verpasst wird, und ich erst wieder nach Hause darf, wenn ich so denke, wie die Masse es verlangt. Dass ich die Realität akzeptiere, die aus Arbeit, Essen und Schlafen besteht und in der alles andere wie Hobbys, Freunde, Freude unwichtig ist. Dass ich einsehe, mit meinem Schulabschluss keine guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben und froh sein zu dürfen, irgendeinen Job zu finden, egal welchen, und dass ich dann eben jeden Tag 10 Stunden unterwegs bin – 8 Stunden Arbeit, 1 St. Pause, 1 St. Arbeitsweg. Und dass ich mich an so ein Leben schon gewöhnen würde. Denn es nützt ja nichts, wie Frau Ti so schön gesagt hat.“

Ihr typisches Pech:
Der Termin wurde abgesagt/verschoben, weil der Arzt krank geworden ist.
Mist.
Tamsin ärgert sich. Sie hat schlecht geschlafen und sich mental auf alles vorbereitet. Und nun wieder sowas!
Sie fuhr dann zu JOBB. Dort saß sie fast den ganzen Tag mit den anderen am PC. Das war anstrengend, aber immerhin besser als putzen. Denn sie hatte keinen richtigen Auftrag, außer Rezepte zu suchen. Denn morgen ist ein Picknick am Strand geplant. Dafür hat Tamsin schon ihren Therapie Termin abgesagt.
Später wurde dann noch eingekauft und Tamsin hat Dips für Brot zubereitet. Das war im Einzelunterricht spannend. Da ist Tamsin fast gerne in der Küche. Anders wäre es, wenn sie für den Kiosk in der Küche stehen und kochen müsste.

Abends wimmelt sie ihre Eltern ab, weil sie nichtmehr jeden Abend stundenlang mit denen reden will. Ihr Dad gibt ihr das Gefühl, unhöflich zu sein. „Wir machen uns so viele Sorgen!“, so die Mom.

„Ich fühle mich mies.“ Tamsin lenkt sich mit Musik ab. Sie wartet, dass Dave antwortet, weil sie mal wieder etwas unternehmen wollen. Eigentlich hat sie ein wenig Angst, nun, da er ihr gesagt hat, dass er gerne mit ihr kuscheln oder sie küssen würde – sie weiß nicht, wie sie damit umgehen soll, weil sie keine Erfahrungen mit sowas hat! Das macht sie traurig. Sie mag mit niemanden darüber reden. „Ich habe einen Vorhang mit Wäscheklammern aufgehängt, weil ich im Hellen immer so schlecht einschlafen kann.“ Das sieht doof aus. Und Licht kommt dennoch durch.
Der Gedanke, dass andere ihr wirklich helfen wollen, macht sie traurig, weil sie das nach nachvollziehen kann. Sie kann nicht verstehen, dass andere sich für sie freuen können und würden. Warum auch? Die haben ja nichts davon. Heute hat sie alte Berichte gelesen, in denen steht, dass sie einen Internetfreund hat und die Eltern im Weg sind. Sie erkennt: Dieses Problem wurde gelöst. Und doch tauchen immer wieder neue Probleme auf. Sie sitzt in ihrem halbdunklen Raum und weint. Ganz alleine. „Ich bin es nicht gewohnt dass andere mit Gutes wollen.“

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