Sonntag, 27. Mai 2018

Was Tamsin will…

Tamsin kann nichts mehr downloaden, weil sie da jedes Mal ein Bilderrätsel lösen muss und ihre Lösung als falsch angezeigt wird, obwohl sie richtig war! Daher ist sie nun offiziell kein Mensch mehr, sondern ein Roboter, der sowas nicht lösen kann!

Wie ein Roboter fühlt sie sich auch oft, wenn sie mit den Eltern unterwegs ist. Die wollen nach Dame, Tamsin will nicht, weil ihr das Zeit kostet, aber sie muss mit, weil sie im Auto sitzt.
Der Flohmarkt in Segeberg war nicht so super. Nichts hat sie gefunden. Nichts! Erst am Ende hat sie etwas gekauft (ein Drachen, Vorhänge, Deko), und das auch nur, damit sie nicht das Gefühlt hat, umsonst da rumgegangen zu sein.
Sie will und soll ihre Zeit anders verbringen. Sich ein Hobby suchen?

Nachmittags schreibt sie mit Don. Oder besser gesagt Tina tut dies. Dies erinnert Tamsin an damals, 2007, wo sie im Chat viele Namen hatte und diesen unterschiedliche Charakter zugeteilt hat, als würde hinter jedem Namen eine andere Person stecken. Das konnte sie schon damals gut. Die Leute am anderen Ende dachten, sie wäre jemand anders. Tamsin gefiel das. Denn anstatt mehrere Freunde im Chat zu finden, war sie mehrere Personen, die denselben Freund hatten. Das ist abnormal. Dennoch empfindet sie Freude daran, jemand zu sein, der nicht existiert.
So auch bei Don. So hat sie erfahren, dass er Tamsin nur will, weil er sonst keine andere Frau findet. Tina hat ihm fiktive Singles angeboten, und er hat sogar eingewilligt, die kennenzulernen. Er würde Tamsin einfach fallenlassen, sobald er eine andere findet. Daher fühlt sie sich auch nicht mies dabei, wenn sie sich als Tina ausgibt. „Er gibt mir die Schuld für sein Verhalten. Es ist meine Schuld, dass er mich beleidigt und wütend wird, weil ich nicht mit ihm Zusammensein will.“
Es macht ihr Spaß als Tina zu schreiben, denn so kann sie jemand sein, der sie nicht ist und das ist weniger langweilig. Wie seltsam… Dabei fühlt sie sich beinahe, als wäre sie diese Frau wirklich. Sie fühlt sich mutig, heiter, wie sie so schreibt, irgendwie dissoziativ, als würde es die scheue, verrückte Tamsin gar nicht mehr geben. Als säße Tamsin, die sich nur über ihn ärgert, gerade wirklich vor dem Fernseher, während Tina ihm vorgaukelt, mit ihr zusammen zu sein, sodass dort für Don kein Platz mehr ist.
Erst, wenn sie den Laptop ausschaltet, im Bett liegt und am Handy mit ihm über die Beziehung, die sie nicht eingehen will, weiterschreibt – Tina ist nach Hause gegangen – spürt sie wieder die öde Eintönigkeit über sich hereinbrechen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen