Auf
Befehl der herrschenden Langeweile fuhr Tamsin mit den Eltern nach Raisdorf.
Dort waren sie schon lange nichtmehr. Aber das hat auch einen Grund: Dort gibt
es kaum noch etwas Besonderes, was auch wo anders nicht auch gäbe. Der Sushiladen
ist nichtmehr. Die Pizza schmeckt nicht. Also zu essen gibt’s dort nur McDonald’s.
Und auch sonst macht es wenig Spaß. „Wir haben keine Lust zu laufen und die
Geschäfte sind so groß, dass wir nie mehr als 3-4 schaffen, ehe wir wieder
heimfahren.“ Und viel Geld zum Ausgeben hat Tamsin auch nicht, weil sie spart. Für
was auch immer. Vielleicht für ein Auto? Sollte sie einmal einen Job bekommen,
wäre das ein Segen. Eine Stunde oder sogar mehr vom Tag nur für eine Busfahrt
opfern ist Horror! „Da fühlt sich selbst eine Teilzeitstelle wie Vollzeit an.“
In
ihrer Maßnahme hat sie immer um 15Uhr Schluss. „Ich hatte gesagt, dass wir
immer um 15Uhr Schluss haben, wegen dem Bus.“ So wurde das nun beibehalten. „Ich
hätte auch sagen können, wir haben oft unterschiedlich Schluss, aber dann hätte
es sich wohl so eingebürgert, dass wir die Vollzeit ganz ausnutzen – bis 16:30.“
Frau Xai ist zwar nett, mit den Zeiten aber ein wenig pingelig. Dürfen die
Teilzeitleute früher geben, muss der Rest dennoch dableiben. Einen Vorteil hat
es aber auch: „Nun weiß ich wenigstens, dass Vollzeit für mich zu viel ist und
ich damit überfordert bin und wirklich nichts mehr schaffe. Nur müde bin und
Panik habe, dass mein Leben damit zu ende ist.“ Sie hat es immerhin versucht. Sollte
sie einmal den Teilzeitwunsch begründen müssen, können die anderen wenigstens
nicht sagen: „Ach Tamsin, das lernst du schon noch. Daran musst du dich
gewöhnen. Jeder muss das. So ist das Leben.“
„So ist
das Leben. Aber nicht meins.“, denkt Tamsin wütend.
Am
Abend hat sie mit Don geschrieben. Er ist 4 Tage in Neustadt bei den Eltern.
Bis Sonntag noch. Er wollte sie zum Grillen einladen, hat sich aber mit den
Eltern gestritten, wie immer, und ging dann in der Stadt spazieren. Er scheint
sich wegen Tamsins Ablehnung in Sachen Liebe wieder beruhigt zu haben.
Tamsin
beschließt, sich mit ihm zu treffen. Nur eine halbe Stunde am Abend. Er ist
grad in der Nähe und hat nichts dagegen, sich mit Tamsins alter DV Kamera zu filmem.
„Wir sind ein wenig rumgegangen und er meinte, wenn ich mir den Film später
ansehe, wie wir so nebeneinander hergehen, würde ich erkennen, dass wir ein
tolles Paar wären.“ Er wollte sie umarmen. Hat ihre Hand gehalten. Beim
Abschied wollte er dann einen Kuss, weil selbst normale Freunde sich küssen. Tamsin
erkennt: Er versteht es nicht. Er wird es niemals verstehen! Auch wenn er es
will: Freundschaft ist nicht möglich, so lange er denkt, dass daraus Liebe
werden kann. Erklärungen sind zwecklos. „Ich habe gesagt später, nicht sofort, weil ich Angst hatte, dass er wieder wütend
wird, wenn ich direkt sage, dass ich keine reale Beziehung will. Niemals.“
Dave
schreibt, dass er den Spaziergang am See sehr schön fand. Das fand Tamsin auch.
Sie freut sich, jemanden zu haben, der sie mag. Manchmal kommt es ihr so vor, als
wäre ihm die Sache wirklich wichtig. Als hätte er Angst davor, Tamsin würde ihn
ablehnen, weil er eben auch sehr ruhig ist. Das nimmt ihr wiederum die Sorge,
etwas falsch zu machen oder zu sagen.
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