Tamsins
Dasein wird beherrscht von Ungerechtigkeiten. Immer wieder aufs Neue.
Dabei
fing der Tag so schön an.
Frau
Ti ist fort. "Du musst heute nicht in die HWI.", meinte Frau Xia, als
Tamsin am frühen Morgen das Gebäude betrat. Ob das für immer ist, weiß Tamsin
nicht. Sie traut sich nicht zu fragen, aus Angst vor einer enttäuschenden
Antwort.
Sie
verspürt sogleich tiefe Freude. Dabei hatte sie schon überlegt, wie sie es
erreichen kann, Tätigkeiten nicht im Stehen durchführen zu müssen, wenn dies
nicht unbedingt sein muss – wie das Schuhe putzen. Tamsin darf am
Gruppenunterricht teilnehmen. Die Frau hat eine Präsentation über Depressionen
gehalten. War ganz interessant, abgesehen von den ständigen Abschweifungen in
Privatgesprächen mit den Teilnehmern aus der ersten Reihe. Und dem Kind, das
zwischen den PCs gespielt hat, weil die Mutter es in die Maßnahme mitnehmen
muss, da sie keinen KITA Platz hat. Es ist laut, knallt die Bauklötze aneinander
und plappert mich sich selbst. Dazu kam dann später noch der Rasenmäher von
draußen. Tamsin fiel es schwer, sich bei dem Lärm zu konzentrieren. Irgendwann
nahm sie ihr Handy und beschäftigt sich damit. In der letzten Reihe merkt das
niemand. Vorne wird wieder über private Banalitäten diskutiert.
Der
Tag war vergleichsweise ok.
Bis
zu dem Moment, wo gesagt wurde, dass alle Teilzeit Leute um 12 Uhr nach Hause
gehen dürfen! Tamsin bleibt als einzige übrig. "Ich finde das unfair!
Diese Leute haben sowieso schon so viel Zeit mehr wie ich, und ich muss als
einzige bis um 15:00 hier sitzen?!" Obwohl die Leute nett sind, spürt Tamsin
regelrechten Hass auf sie.
Tamsin
tröstet sich mit dem Gedanken, dass sie mit Dave verabredet ist, und das um 15
Uhr. Hätte sie früher Schluss, wüsste sie nicht, ob sie ihn erreicht, um es
vorzuverlegen. Und stundenlang in der Stadt zu warten wäre auch öde. Und
einfach nach Hause zu fahren und es abzusagen, das wäre unhöflich.
Dennoch
kommen ihre die Tränen. Dass sie voraussichtlich 2 Stunden alleine im PC Raum
sitzen kann, heitert sie auch nicht auf. "Ich hätte mir etwas Schönes
Kochen und Einkaufen gehen können." Wäre dies ein normaler Tag.
"Vielleicht war die Verabredung ein Fehler." Nach einem Arbeitstag
noch etwas unternehmen. Vermutlich erst um 18 Uhr daheim sein. Dann schnell was
aus der Mikrowelle essen.
Naja,
Tamsin hatte es selbst vorgeschlagen. Einfach, weil sie etwas erleben wollte.
Weg vom öden Alltag.
Morgen
ist geplant, etwas zu kochen – in der Maßnahme. Einerseits freut Tamsin sich,
vielleicht nicht an die Kasse zu müssen und bei der Gruppe sein zu können.
Andererseits ist es für sie sinnlos, etwas zu kochen, was sie selbst sowieso
nicht essen mag. Die Gerichte wurden mit der Gruppe besprochen. Allerdings
drängten sich zwei immer akustisch in den Vordergrund, sodass andere kaum zu
Wort kamen. Und so endete es damit, dass gemacht wird, was die wollten.
Spargel. Toll. Dazu wurden Wraps besprochen, doch Tamsins Motivation wurde
dermaßen unterjocht, sodass sie sich nicht weiter zu dem Thema äußert.
Irgendwie
ist es sowieso alles egal. So lange sie nichts tun muss, was ihr Schmerzen
bereitet oder sie überfordert, ist alles gut. Selbst wenn es Spargel Schälen
ist. Wahre Freude erwartet sie gar nicht erst. Da würde sie nur enttäuscht
werden.
Es gab dann noch ein Gespräch,
in dem Ihr erklärt wurde, dass ich nur dabei musste, weil dieses Gespräch eben
noch geführt werden sollte. „Immerhin war es mein Wunsch. Das hätte auch auf
morgen hätte verschoben werden können - daran zu denken ist schon etwas mehr
als nur ein bisschen…. Äh… Na ja, mehr. Wenigstens musste ich nicht bis um 15
Uhr da sitzen, sondern konnte auch schon eine Stunde früher gehen. Ich habe das
Dave mitgeteilt und wir haben uns kurz darauf am Teich getroffen. Wir sind ein
bisschen spazieren gegangen, nicht viel, haben etwas getrunken und Croissants
gegessen. Wir saßen auf einer Bank im Schatten am Wasser umgeben von ein paar
Enten und haben geplaudert. Über unsere Interessen und so weiter. Meine Ängste
waren nur noch ein kalter Hauch in meiner Erinnerung. Irgendwann haben sich zwei
alte Damen auf die Bank gegenüber gesetzt. Sie haben zu reden angefangen. Wir
sind dann woanders hingegangen, aber nur kurz. Das Getränk wollte dringend
wieder raus. Ich bin dann in ein Loch getreten und hingefallen, aber das war
nicht so schlimm, da ich im Gras gelandet bin. Allerdings war es mir etwas
peinlich, dieses Missgeschick. Hm. Mit dem Gedanken: Was mache ich hier überhaupt, ist das wirklich richtig? sind wir
noch zu ihm gegangen und haben auf der Xbox gespielt. So etwas habe ich noch
nie oder anders gesagt schon sehr lange nicht mehr getan. Die Wohnung war schön
aufgeräumt, so wie ich es mag. Naja abgesehen von dem Zigarettenrauch. Weniger
erfreulich waren die Auseinandersetzungen auf virtueller Basis mit Don. Immer
wieder fängt er an zu meckern, dass ich nicht mit ihm zusammen sein will und
dass das mit der Liebe nichts wird und dass er doch kämpfen will und er
versteht es einfach nicht. Ich habe keine Lust mehr darauf. Selbst mit der
normalen Freundschaft scheint das nicht zu funktionieren, da er einfach mehr
will. Und das geht nicht. Die Sache mit dem Knutschfleck auf den er so bringt
bestanden hat und bei dem er sich so aufgeregt hat, weil er ihn nicht bekommen
hat, hat mir gezeigt, dass es nichts werden kann mit ihm. Ich habe nur noch
Stress. Mir fällt es allerdings schwer, ihn einfach so zu blockieren.
Vielleicht hätte ich mich nie mit ihm treffen sollen. Das war alles unüberlegt
und überstürzt. Nur habe ich ein bisschen die Sorge, dass er dann auch meine
Fußmatte steht und mir all die Worte an den Kopf wirft, die er mir dann nicht
mehr schriftlich mitteilen kann.“
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