Mittwoch, 4. Oktober 2017

Tamsin zieht um



Tamsin ist ausgezogen. An diesem Tag geschah das, wonach sie sich so viele Jahre lange gesehnt hatte.
Und doch verspürte sie am Ende große Traurigkeit.
Aber beginnen wir am Anfang. Tamsins Chefin aus der Maßnahme hat den Umzug mit einem Auto organisiert. Ohne dies hätte Tasmin es wohl nicht geschafft. Eifrig lud sie Kartons ein, achtete auf ihre Möbel – vergebens. Am Ende war ihr antischer Schreibtisch doch angeschlagen und zerkratzt.
Nachdem alle Möbel in das neue WG Zimmer einer betreuten Wohngruppe gebracht wurden, begann das große Einräumen. Freude verwandelt sich derweil langsam in Sorge. „Ich habe das Gefühl, es nicht zu schaffen – dieses Leben.“ Ihr ihrer morgigen Therapiestunde soll sie alleine gehen. „Den Weg dahin soll ich schon irgendwie finden.“
Anschließend muss sie zum Zahnarzt. Nicht alleine zu Ärzten zu gehen, der Panik unterlegen – das ist eines von Tamsins Problemen. Nun hat Tamsin großen Kummer, dass ebenfalls gesagt wird, sie solle alleine damit fertig werden!

Obwohl das neue Zimmer viel größer ist aus Tamsins altes Heim, fühlt sie sich nicht sonderlich wohl. Die Wände sind weiß. Der Gummifußboden stinkt nach Gummi. Ihn mit Teppich auszukleiden scheint angesichts der Größe unmöglich.
Die Leiterin der Einrichtung hat Feierabend. Tamsin sitzt alleine in ihrem Raum. Fühlt sich alleingelassen. Mit ihren Eltern geht sie Pizza im Auto essen, obwohl sie vor Angst keinen Hunger hat. Da sie kein Internet hat, versucht sie, sich mit lateinischer Musik von ihrem Kummer abzulenken.
Ein Leben in Freiheit. Ohne Eltern. „Ich habe es mir immer gewünscht. Nun bin ich nicht einmal einen Tag hier, und sehne mich nach meinem alten Zimmer.“
Tamsin traut sich nicht, alleine in die Stadt zu gehen. „Ich traue mich nicht mal in die Küche.“
Warum!
Ihre Eltern können ihr nicht mehr helfen.
„Wie lange werde ich es hier aushalten?“ Die Vorstellung, im Elternhaus alt zu werden ist grauenhaft. Dies ist ihre Chance auf eine erfüllte Zukunft. Tamsin will sie nicht wegwerfen.
„Wie meine Zukunft wohl aussehen wird?“ ….
Vielleicht hatte ihr Dad doch Recht. Abgesehen von der Einsamkeit und wenig Freiheit hatte Tamsin es immer gut.
Aber ihre Chefin hat auch Recht. Wenn ihre Eltern irgendwann nicht mehr für sie da sein können, ja was soll dann mit Tamsin geschehen. Irgendwann muss sie den ersten Schritt tun. Mit 28 Jahren ist es bereits viel zu spät.

Tamsin legt sich schlafen, liegt wach. Als es dann klingt und die Mitbewohner ihr ihren Kühlschrank zeigen, fällt ein Teil ihrer Sorge von ihren Schultern. „Ich hatte echt Angst, die Milch etc. wegwerfen zu müssen, weil sie warm wird.“
Plötzlich merkt Tamsin, dass sie nicht alleine ist. Naja, nicht allein alleine. Geräusche und Stimmen hinter ihrer Tür zeugen von Leben.
Auch als sich andere Bewohner vorstellen, fühlt Tamsin sich nicht unwohl. Das ist schön. Eigentlich sollte es wohl eine Vorstellrunde geben. Aber eine der Anleiter fehlt. Wieder einmal schwelgt Tamsin im Unglück. „Ich habe darauf verzichtet, all meine Bilder schon aufzuhängen.“ Innerlich hat Tamsin kein gutes Gefühl.

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