Montag, 16. Oktober 2017

Tamsin auf sich allein gestellt

 
Wegen der WG Besprechung brauch Tamsin heute nicht in die Maßnahme kommen. Sie grübelt über das „Warum?“ nach. Vielleicht machen die einen Ausflug und wenn Tamsin um 9 Uhr da ist, wäre es zu spät. Vielleicht nehmen sie auch Rücksicht auf Tamsin, die von allem sichtlich gestresst ist und dies auch zugibt. Oder sie haben keine Lust auf Tamsins Gejammer.
-       Später offenbart sich ihr dann die Erkenntnis:
  Tamsin hatte noch einen Therapie Termin, den sie im Eifer des Stress’s ganz vergessen hatte.

Tamsin nutzt die Zeit zum Einkaufen. Das erste Mal in ihrem Leben geht sie ohne Eltern – wenn auch in Begleitung einer Betreuerin - in einen Supermarkt, um sich Lebensmittel zu kaufen. Als Kind war sie oft alleine zum Kiosk, um sich Naschis zu kaufen. Seit der Kiosk dann dichtgemacht hatte, war es damit vorbei.
Tamsin kauft sich Nuggets. Sie fühlt, wie ihr Stresspegel steigt, während sie nach Obst sucht, ein Brötchen einpackt und überlegt, was sie noch essen könnte. Sie will nicht jeden Tag Nudelbecher essen, und so wagt sie sich nach dem Einkauf an den Ofen. Wenn ihr Dad das kann, kann sie es auch, denkt sie, während sie überlegt, wie sie vorgehen soll.
Letztlich dauerte es länger, als auf der Packung angegeben. Tamsin findet keine Handschuhe und kämpft sich mit dem Backpapier ab, dass danach aus dem Ofen raus muss. „Ich habe mich verbrannt, die Nuggets waren weich und mir war übel!“
Tamsin hat keinen Appetit mehr, geht in die Küche, um den Rest zu entsorgen. Geht wieder zurück, weil im Eimer keine Tüte ist und sie nicht weiß, wo die aufzufinden sind. Entsorgt die letzten zwei Stücke im Klo. Bringt den Teller weg. Gähnt.

Für sie ist das Stress. Ein Stress, den sie sich, wenn sie abends aus der Maßnahme kommt, nicht antun mag. Ihre Freude über den mäßigen Erfolg schwindet. „Wie soll es nur weitergehen!?“

Draußen ist es warm, doch Tamsin sitzt alleine drinnen. Sie könnte in die Stadt gehen. Aber was soll sie dort, alleine?

„Wenn ich eine Klinik aufsuche, werde ich danach als anderer Mensch wiederkommen?“ Einige meinen, ja, es hilft! Tamsin hat Angst davor. „Werde ich mein Buch dann weiterschreiben dürfen? Und was passiert mit meinem Klee? Muss ich da alles essen, was die mir vorsetzen?“ Ihre Sorgen sind seltsam.
Ebenso groß ist die Sorge, dem Schicksal der Einsamkeit zu erliegen. Niemals selbstständig zu leben. Immer mit Panik einkaufen zu gehen. …


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> „Was war besonders schön an diesem Tag?“

Wetter


> „Wie fühlst du dich?“

OK


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