Freitag, 13. Oktober 2017

Freier Freitag

Wieder erwacht Tamsin mit Kopfweh. Sie grübelt über ihre Probleme nach, die eigentlich gar keine Probleme sind, weil sie nur in ihrem Kopf existieren. Das weite Laufen zum Bus ist nur ein Problem, weil sie es dazu macht.

Heute hat sie Frei, weil ein Techniker kommt, der ihr Internet aktiviert. Er kam nach dem Frühstück.
Danach hat Tamsin ein Gespräch geführt, in dem dunkle Gedanken offengelegt wurden. Tamsin schämt sich dafür. Sie will nicht zugeben, über Derartiges zu denken, weil dies in Tabuthema ist. Entweder wird man nicht ernstgenommen, oder man wird komisch angeschaut. Tamsin ist jedoch mittlerweile an diese depressiven Gedanken gewöhnt. Sicher, niemals würde sie sie in die Tat umsetzen, dazu ist es noch viel zu früh und noch besteht Hoffnung auf eine gute Zukunft, so absurd es auch erscheinen mag. Und so lange die Quelle rasch beseitigt wird, braucht sie deswegen in keine Klinik.
In diesem Fall war die Quelle die große Herausforderung mit dem Bus. Die Vorstellung, im Dunklen und bei eisiger Kälte möglicherweise alleine durch das Dort, vorbei am einsamen Wald zu hetzen, war dermaßen niederschmetternd, dass ihr die Tränen kamen. Dazu die Aussagen, sie kann das und sie muss das! „Ich muss!“
Zumindest in den Ferien kann sie später kommen und so den Weg mit dem Bus nehmen anstatt zu laufen. Sie nimmt dafür in Kauf, eine Stunde länger bleiben zu müssen und dadurch vielleicht abends keine Zeit mehr zum Kochen zu haben.

Eigentlich wollte Tamsin zum Strand, runde Steine suchen. Als ihre Eltern kamen, wollten sie jedoch nicht mehr so weit fahren, weil es um 15Uhr ja schon recht spät war und ihr Dad nicht im Dunklen fahren mag. Tamsin verdreht die Augen. Bis dahin hätten sie die Strecke fünfmal hintereinander hin und zurückfahren können.
Also fuhren sie an den Neustädter Strand - an dem nicht ein einziger Stein lag. Ihr Dad hat ihr ihren Klee nicht mitgebracht- Einige stehen noch immer aufm Hof und werden gelb. Tamsin ist enttäuscht. Ihr Klee ist für sie wie das Haustier, welches sie nicht haben kann. „Ich könnte mir einen Vogel zulegen. Wie früher. Erlaubt wäre es, wenn im Haus auch nicht gerne gesehen, weil er Lärm macht.“ Aber Tamsin hat zu wenig Zeit. Und noch weniger Geld. Ihre Chefin meinte, irgendwann könne sie auch einen Hund haben. Tamsin hat bzw. hatte immer Angst vor Hunden. Besonders vor Großen. Bevor sie in die Maßnahme kam hatte sie nie einen Hund gesehen, der größere Angst vor ihr hat, als sie vor ihm. So lange er also nicht wild ist, wie der, der sie als Kleinkund angesprungen und sehr erschreckt hat, könnte sie sich das vielleicht sogar vorstellen. Sofern sie gelernt hat, damit umzugehen.

Vor vielen Jahren hatte Tamsin sich einmal Fische zugelegt. Und Garnelen. Weil das Ostseewasser immer kühl ist, dachte sie, auch ihre Fische müssten es kalt haben. Informiert hatte sie sich nicht. Und am nächsten Tag waren sie alle tot.


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