Der Tag im Förderzentrum war diesmal sehr langweilig. Ich saß
am Computer und sollte eine Geschichte weiterschreiben. Eigentlich ist das gut,
aber auf Dauer auch sehr ermüdend immer nur vor dem Bildschirm zu sitzen. Gerne
hätte ich etwas Bewegung gehabt. Draußen ist es kalt und windig und regnet. Es
wird wohl Herbst.
Noch 2
Wochen läuft JOBB. Ihre Betreuerin hat verkündet, dass Tamsin im Anschluss in
eine Tagesstätte gehen könnte. Zuerst hatte Tamsin Panik. Wieder etwas, wo sie
den ganzen Tag bleiben muss?
Es wurde
gesagt, dass es dort keinen Vollzeitzwang geben würde. Dennoch hat Tamsin
Sorgen. Sie wollte erstmal ihren Urlaub genießen und sich ausruhen. Nun hat sie
Angst, dass es sofort nach JOBB mit etwas Neuem losgehen würde.
Dort wird
gekocht und viel unternommen, hieß es. Tamsins größte Sorgen: “Mag ich das
essen, was die bestimmen? Und muss ich dann Zwiebeln schneiden, wenn die das
wollen??”
Abgesehen
davon: wenn sie gegen Mittag wieder zuhause wäre, wäre das vielleicht gar keine
üble Idee dort. Tamsin will ja auch nicht wieder ewig nur zuhause rumsitzen und
sich langweilen. Sie akzeptiert das Infogespräch.
Andere
Leute haben weniger Glück als Tamsin. In der Maßnahme ist noch die Frau Mo, die
soll ein Praktikum machen. Hatte sich das heute angeschaut. Ein kleiner Laden,
etwas weiter weg von ihr. Wenig Kundschaft. Nur ein Angestellter, der kein
Deutsch spricht. Kaum freie Parkplätze. Gefiel ihr nicht. Angeblich muss sie
das machen. In Vollzeit! “Nun sitzt sie da und weint, weil sie dadurch keine
Zeit mehr für ihre Familie hat; erst ca. 16Uhr zuhause ist.”
Tamsin
ist froh, dass diesmal nicht sie diejenige ist, die über solche Zwänge
weint.
Phylliidae'
Leaf Insects sind cool.
„Als ich dann nachmittags nach Hause gekommen bin, habe ich
mir schnelle Bratkartoffeln gemacht und dann angefangen den Computer zu
formatieren. Ich habe der Betreuerin Bescheid gesagt, dass ich am Donnerstag
mit nach Ikea fahren kann. Ein paar Leute aus der Gruppe machen einen Ausflug
dorthin.
Dabei habe ich erfahren, dass der Termin für das Infogespräch
in der Tagesstätte schon feststeht. Nach Ende der Maßnahme soll ich direkt dort
anfangen. Wahrscheinlich werde ich nicht mal meinen Urlaub nutzen können. Ich
brauche eine Beschäftigung und das tut mir dort gut, wird gemalt.
Ich hatte mich auf den Urlaub und die freien Tage gefreut.
Danach gings mir den ganzen Abend rüber richtig schlecht.
Habe ununterbrochen geweint. Denn es ist die Tatsache, dass andere immer wieder
entscheiden, was mir guttut und was gut für mich ist und was ich machen soll.
Das hat mich sehr geärgert. Ich fühle mich nicht frei. Wie ein Sklave in einer
Welt der Unterdrückung. Der tun muss was andere wollen. Der keine eigene
Meinung und keinen eigenen Willen hat.
Ich denke, Dad hat recht, als er damals immer gesagt hat und
mich gewarnt hat, wenn ich sowas wie das hier mache, das ist mir nicht gut
gehen wird und andere immer über mich bestimmen werden. Ich denke darüber nach,
dass ein fremdbestimmtes leben schlimmer ist als gar kein Leben. Ich weiß nicht
was ich tun soll. Ich habe keine andere Wahl als den höheren Mächten zu folgen.
Ich bin arm. Schwach. Seelisch am Ende. Mir ist alles egal. Mir wird sowieso
niemals etwas Gutes passieren. Das Leben wird sich nicht zum Guten wenden. Ich
warte schon so lange darauf. Es gibt kurze Momente die schön sind, aber das ist
auch schon alles. Sie enden viel zu schnell.
Andere fragen, ob es einen gut geht. Wenn es schlecht geht,
wollen sie wissen warum. Aber interessiert die das wirklich? Oder ist das nur
Höflichkeit. Oder Neugier? Ist ja auch egal. Ich hätte nicht denken dürfen, den
Zwängen des Alltags entfliehen zu können.
Ich hatte mich gefreut, wenn ich mit dem Bus nach Lübeck fahre
und den halben Tag unterwegs bin, wenigstens den Rest der Woche Zeit für mich
zu haben. Nicht die ganzen anderen Tage noch auch noch irgendwo unterwegs sein
zu müssen. Lernen, für mich zu kochen. Die Stadt entdecken und Ängste
überwinden. Aber dafür werde ich dann doch wieder keine Zeit haben, wenn ich
sowas wie eine neue Maßnahme machen muss, und dann wieder erst nachmittags zu
Hause sein kann und dann müde bin und keine Lust mehr habe irgendwas zu machen.
Die meinen ist gut. Die können nicht gucken wie es in mir
aussieht. Nehmen mich vielleicht nicht ernst oder denken, ich kann nicht selbst
mich entscheiden für Dinge die gut für mich sind oder schlecht für mich sind.
Wozu soll ich denn noch kämpfen, wenn es eh nie besser wird.
Wenn immer was Neues dazu kommt. Wenn ich nicht über mich selbst bestimmen
darf. Gerade bin ich wirklich frustriert.“
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