Dienstag, 11. September 2018

Willenlos?

Der Tag im Förderzentrum war diesmal sehr langweilig. Ich saß am Computer und sollte eine Geschichte weiterschreiben. Eigentlich ist das gut, aber auf Dauer auch sehr ermüdend immer nur vor dem Bildschirm zu sitzen. Gerne hätte ich etwas Bewegung gehabt. Draußen ist es kalt und windig und regnet. Es wird wohl Herbst.


Noch 2 Wochen läuft JOBB. Ihre Betreuerin hat verkündet, dass Tamsin im Anschluss in eine Tagesstätte gehen könnte. Zuerst hatte Tamsin Panik. Wieder etwas, wo sie den ganzen Tag bleiben muss?  
Es wurde gesagt, dass es dort keinen Vollzeitzwang geben würde. Dennoch hat Tamsin Sorgen. Sie wollte erstmal ihren Urlaub genießen und sich ausruhen. Nun hat sie Angst, dass es sofort nach JOBB mit etwas Neuem losgehen würde.  
Dort wird gekocht und viel unternommen, hieß es. Tamsins größte Sorgen: “Mag ich das essen, was die bestimmen? Und muss ich dann Zwiebeln schneiden, wenn die das wollen??” 
Abgesehen davon: wenn sie gegen Mittag wieder zuhause wäre, wäre das vielleicht gar keine üble Idee dort. Tamsin will ja auch nicht wieder ewig nur zuhause rumsitzen und sich langweilen. Sie akzeptiert das Infogespräch.  

Andere Leute haben weniger Glück als Tamsin. In der Maßnahme ist noch die Frau Mo, die soll ein Praktikum machen. Hatte sich das heute angeschaut. Ein kleiner Laden, etwas weiter weg von ihr. Wenig Kundschaft. Nur ein Angestellter, der kein Deutsch spricht. Kaum freie Parkplätze. Gefiel ihr nicht. Angeblich muss sie das machen. In Vollzeit! “Nun sitzt sie da und weint, weil sie dadurch keine Zeit mehr für ihre Familie hat; erst ca. 16Uhr zuhause ist.” 
Tamsin ist froh, dass diesmal nicht sie diejenige ist, die über solche Zwänge weint. 

Phylliidae' Leaf Insects sind cool.

„Als ich dann nachmittags nach Hause gekommen bin, habe ich mir schnelle Bratkartoffeln gemacht und dann angefangen den Computer zu formatieren. Ich habe der Betreuerin Bescheid gesagt, dass ich am Donnerstag mit nach Ikea fahren kann. Ein paar Leute aus der Gruppe machen einen Ausflug dorthin.

Dabei habe ich erfahren, dass der Termin für das Infogespräch in der Tagesstätte schon feststeht. Nach Ende der Maßnahme soll ich direkt dort anfangen. Wahrscheinlich werde ich nicht mal meinen Urlaub nutzen können. Ich brauche eine Beschäftigung und das tut mir dort gut, wird gemalt.
Ich hatte mich auf den Urlaub und die freien Tage gefreut.
Danach gings mir den ganzen Abend rüber richtig schlecht. Habe ununterbrochen geweint. Denn es ist die Tatsache, dass andere immer wieder entscheiden, was mir guttut und was gut für mich ist und was ich machen soll. Das hat mich sehr geärgert. Ich fühle mich nicht frei. Wie ein Sklave in einer Welt der Unterdrückung. Der tun muss was andere wollen. Der keine eigene Meinung und keinen eigenen Willen hat.

Ich denke, Dad hat recht, als er damals immer gesagt hat und mich gewarnt hat, wenn ich sowas wie das hier mache, das ist mir nicht gut gehen wird und andere immer über mich bestimmen werden. Ich denke darüber nach, dass ein fremdbestimmtes leben schlimmer ist als gar kein Leben. Ich weiß nicht was ich tun soll. Ich habe keine andere Wahl als den höheren Mächten zu folgen. Ich bin arm. Schwach. Seelisch am Ende. Mir ist alles egal. Mir wird sowieso niemals etwas Gutes passieren. Das Leben wird sich nicht zum Guten wenden. Ich warte schon so lange darauf. Es gibt kurze Momente die schön sind, aber das ist auch schon alles. Sie enden viel zu schnell.

Andere fragen, ob es einen gut geht. Wenn es schlecht geht, wollen sie wissen warum. Aber interessiert die das wirklich? Oder ist das nur Höflichkeit. Oder Neugier? Ist ja auch egal. Ich hätte nicht denken dürfen, den Zwängen des Alltags entfliehen zu können.

Ich hatte mich gefreut, wenn ich mit dem Bus nach Lübeck fahre und den halben Tag unterwegs bin, wenigstens den Rest der Woche Zeit für mich zu haben. Nicht die ganzen anderen Tage noch auch noch irgendwo unterwegs sein zu müssen. Lernen, für mich zu kochen. Die Stadt entdecken und Ängste überwinden. Aber dafür werde ich dann doch wieder keine Zeit haben, wenn ich sowas wie eine neue Maßnahme machen muss, und dann wieder erst nachmittags zu Hause sein kann und dann müde bin und keine Lust mehr habe irgendwas zu machen.

Die meinen ist gut. Die können nicht gucken wie es in mir aussieht. Nehmen mich vielleicht nicht ernst oder denken, ich kann nicht selbst mich entscheiden für Dinge die gut für mich sind oder schlecht für mich sind.

Wozu soll ich denn noch kämpfen, wenn es eh nie besser wird. Wenn immer was Neues dazu kommt. Wenn ich nicht über mich selbst bestimmen darf. Gerade bin ich wirklich frustriert.“

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