Tamsin hat
geträumt, dass ihre Zahnfüllung weggebrochen ist.
Davor hat
sie ständig Angst. Mag nichts Hartes essen. Der Arzt meinte, irgendwann wird
das wohl wegbrechen. Toll. Aber etwas Anderes kann man nicht machen, keine
Krone, keine härtere Füllung nichts! Denn dies ist ein Sonderfall, für dem es
in der Bürokratie keine Regel gibt. Keine Anträge. Nichts. Also hat Tamsin
Pech. Wie immer.
„Der Tag
in der Küche war heute sehr stressig. Dabei habe ich mich selbst persönlich gar
nicht so unwohl gefühlt. Ich trete der Welt mit einer leichten Gleichgültigkeit
gegenüber, die verhindert, dass Kummer und Verzweiflung an mich herankommen und
mich überwinden. Denn ich will nicht traurig sein oder verzweifelt. Heute
wollten wir Champignonrahmsauce machen. Eine Fahne mit Fleisch und eine ohne.
Dazu Nudeln. Heute sollten wir auch pünktlich damit fertig sein. Bis auf die Zwiebeln
hatte ich keine großen Sorgen. Dann lief das so, dass die Frau mit der ich
kochen sollte verschlafen hat und danach nicht mehr in der Lage war mit zu
kochen. Sie hat dann bei jemandem geklingelt, aber die Person hatte keine Lust
für sie einzuspringen.
Zunächst
wusste ich nicht was ich machen sollte. Habe schon mal die Sachen
zusammengetragen und ausgepackt. Dann sollte ich jemand anders fragen ob der
mit mir macht also beim Kochen hilft. Denn alleine kann ich so etwas nicht.
Weiß das Rezept auch gar nicht.
Die Frau,
die ich gefragt habe, tut gerne kochen und hat auch gerne geholfen. Dann kam
noch die Betreuerin dazu und dann haben wir zu dritt erstmal das Gemüse
geschnitten. Meine Zwiebel-Panik war groß. Die Frau saß mir damit direkt
gegenüber. Zu meiner Verwunderung war der Schmerz jedoch kaum wahrnehmbar.
Vielleicht, weil sie die richtig schneiden konnte. Bevor der Schmerz dann
ernsthaft wurde, habe ich den Tisch gedeckt. Die Leute wissen, dass ich
Zwiebeln überhaupt nicht gut leiden kann. Als dann gefragt wurde ob das für
mich auch in Ordnung ist, wenn so viel davon im Essen sind, war unschlüssig und
habe es nicht kommentiert. Dann kam noch der Spruch, dass man das ja mal mit
Essen müsse. Ich weiß, dass auf einzelne Person bei solchen Gruppen Sachen
nicht immer Rücksicht genommen werden kann. Na ja ich habe es dann so
hingenommen. Der Welt interessiert eh nicht, was ich will oder wie ich mich
fühle.
Die
Erleichterung war dann groß, heißt das Essen doch ganz gut schmeckte. Obwohl
das total voller Zwiebeln war mit den Pilzen. Es hat gut geschmeckt. Der
Schmerz, vor dem ich die ganze Woche über solche Angst hatte, blieb zu 95% aus.“
Gegen
Nachmittag ist Tamsins Stimmung eigentlich ganz gut. Trotz des stressigen vormittags.
Sie ist
froh, danach einen freien Tag zu haben. Naja, bis auf das Therapiegespräch.
Danach ging
Tamsins Stimmung wieder den Bach runter. Sie muss Busfahren üben. Muss wohl
öfters mal alleine nach Lübeck fahren. Neben der Sorge vor alten Bussen, die die
Haltestellen nicht ansagen, hat sie Geldsorgen. Große Angst, ständig die teuren
Tickets kaufen zu müssen und dann gar kein Geld mehr für andere Sachen übrig zu
haben.
Ein Auto
ist auch zu teuer.
Tamsin hat
Durst, traut sich aber nicht in die Küche, weil sie nicht will, dass andere sie
weinen sehen. Die Leute tun immer so teilnahmsvoll, können aber doch nicht
helfen oder es verstehen.
Jahrelang
hat Tamsin gehofft, endlich Hilfe zu bekommen. Eine Therapie zu machen. Und
dann ist das alles so kompliziert! „Kann ich mir das leisten?“
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