Sonntag, 23. April 2017

Verzerrung der Realität




Die Realität schwindet. Tamsin fühlt, wie sie ihr entgleitet. Wie Wasser, dass durch ihre Finger rinnt. Gedanken schwirren durch ihren Kopf. Gedanken und Bilder von Träumen, die einst so stark waren, dass sie sich wie verlorene Erinnerungen anfühlen. Von Erlebnissen, die in der Realität niemals stattgefunden haben.
Bilder von Orten, die sie glaubt zu kennen, die aber gar nicht existieren. Menschen aus der Vergangenheit und Fremde, mit denen sie Dinge erlebt, die niemals stattgefunden haben.
Ein Leben, nach dem sie sich sehnt, welches sie aber niemals haben wird.
Gleichzeitig fühlt sich die Realität an wie ein Traum. Dumpf. Unecht. Wahre Erinnerungen erscheinen irreal. Tamsin fühlt sich kaum mehr wie die Person, die das, was vor zwanzig Jahren stattgefunden hatte, wirklich erlebt hat.
Manchmal fragt sie sich: Ist dies gerade ein Traum, oder ist es real? Wacht sie aus einem besonders intensiven Traum aus, fühlt es sich an, als würde ihr Geist binnen Sekunden von einer Realität in eine andere gezwungen werden. Hinaus aus farbenfrohen Erlebnissen hinein in eine düstere, trübe Eintönigkeit, die keine Abwechslung bietet. Ein Leben, dass jeden Tag gleich ist. Die gleichen Orte, dieselben Tagesabläufe.
Steigt sie morgendlich in den Bus, tut sie, was getan werden muss, ohne dieser Aktivität eine bewusste Bedeutung zuzuordnen.

Ein Gefühl scheint jedoch unverwüstlich: Das Gespür für die Zeit. Tamsin fühlt, wie sie verrinnt. Ihr Körper altert, doch ihr Leben und die Welt, in der es stattfindet bleibt immer dieselbe.

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