Die erste Stunde dieses Tages begann
damit, zu besprechen, was den Rest des Tages über getan werden sollte. Wobei drei
Stunden nicht unbedingt als „Tag“ bezeichnet werden sollten. Niemand hatte eine
Idee. Tamsin auch nicht so recht. Sie hat gesagt, was sie nicht tun wollte. Hätte
sie „Computer“ vorgeschlagen, wäre es wahrscheinlich an die Jobbörse gegangen,
was, da sie bereits andere Pläne hat, für sie überflüssig wäre. „Es gibt nichts
langweiligeres, als Stundenlag Stellenanzeigen zu durchforsten, von denen mehr
als die Hälfte sowieso zu hohe Ansprüche haben und der Rest aus anderen Gründen
nicht in Frage kommt.“
An die Computer ging es letztlich
dennoch. „Wir haben Busfahrpläne durchforstet.“ Jeder muss zu anderen Zeiten an
verschiedenen Orten sein. Erneut packt Tamsin die Befürchtung, nachher die einzige
zu sein, die bis zur Abenddämmerung dableiben muss, während alle anderen schon mittags
gehen. Nachdenklich starrt sie auf die Ankunftszeit des späten Busses, der
direkt zu Ende des Vollzeittages abfährt... Wird dies ihrer sein? Sie versucht,
sich mit der späten Zeit anzufreunden.
Der Anleiter wusste die verschiedenen
Zeiten der Teilnehmer nicht und Tamsin wurde selbst noch nicht offiziell erklärt,
wie lange sie nun wirklich bleiben müsse! Als dieser eine frühere Zeit
raussucht und erklärt, dass es so eingerichtet werden soll, dass alle möglichst
zur gleichen Zeit gehen, fällt Tamsin doch ein Stein vom Herzen. Selbst bis
vierzehn Uhr erscheint ihr lange, aber so lange es nicht 17Uhr ist, ist ihr alles
recht.
Allerdings kommen die anderen sechs
Teilnehmer erst nächste Woche, wenn die Ferien zu Ende sind. Aber wenn die
schon wegen ihrer Kinder zuhause bleiben müssen, bezweifelt Tamsin, dass die alle
bis 17Uhr aufgebrummt bekommen, die Durchschnitts-feierabend-zeit steigt und
Tamsin sich den Massenzwängen fügen muss.
Doch möglich wäre es. Tamsin hasst die
Ungewissheit. Sie stellt sich vor, wie alles zu ihrer Zufriedenheit abgeklärt
wird und plötzlich die Chefin auftaucht und sagt: „Was, 14Uhr? Ist das nicht
viel zu früh? Tamsin hat keine Probleme. Das Jobcenter sagt Vollzeit!“
Dass sich zumindest an dem
Ankunftszeiten nichts ändert nimmt Tamsin mit Erleichterung zur Kenntnis. Zwar
wurde nach einem früheren Schul-Bus gesucht, doch aufgrund des Umsteigens ist keiner
so ideal, wie der jetzige. Ja, es wäre schon richtig mies gewesen, würde der
Tag schon vor dem ersten Hahnenschrei mit Gedrängel und sonstigem Schülerstress
beginnen.
Tamsin hat nämlich auch so schon genug
mit sich selbst zu tun. Während sie jeden Morgen an der leeren Haltestelle
wartet und sich daran erfreut, frische Luft atmen zu dürfen, weil keine Raucher
da sind, die ihr mit ihren Stinkerstängeln auf die Pelle rücken, kontrolliert
sie ihre Tasche. Ihre Fahrkarte. Oder ihr Fahrgeld. Weiß sie, dass sie sich eine
Monatskarte besorgen muss, kann sie nicht anders, als alle fünf Minuten zu
kontrollieren, ob sie auch genug Geld dabeihat. „Ich weiß, dass es genug ist.“
Aber hat sie sich auch nicht verguckt? Hat
Tamsin wirklich richtig gezählt? Ist das wirklich ein Zwanziger, oder doch nur
ein Fünfer? Gefaltet sehen die alle so gleich aus... Nichts wäre unangenehmer,
als erklären zu müssen, dass es plötzlich doch nicht reicht.
Um den Drang, ständig prüfen zu müssen,
ob sie ihre Fahrkarte auch dabeihat, zu bekämpfen, lässt sie ihre Handtasche
offen. Damit niemand, der an ihr vorbeikommt unwillkürlich seine Hand hineinsteckt,
umfasst Tamsin die Karte vorsichtshalber. So weiß sie, dass sie da ist und
niemand sie ihr klauen kann.
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