Während
der Installation ihrer Programme hat Tamsin gestern aus Versehen einen totalen
Systemcrash verursacht.
„Ich habe
das Creators Update und danach Windowsblinds installiert. Plötzlich kam die
Fehlermeldung „Windowsblinds funktioniert nicht mehr…“ und das Bild wurde
schwarz. Alles war weg. Danach habe ich den PC neu gestartet, aber seither ist
das Bild bis auf die sichtbare Maus immer noch komplett schwarz. Nichts geht zu
drücken/öffnen, bis auf den Taskmanager, aber damit kann ich auch nicht viel
anfangen. Auf Eingaben Win+R usw. reagiert er auch nicht. Ich habe schon
mehrfacht versucht im abgesicherten Modus zu starten, aber das macht der PC
einfach nicht. Dann habe ich mir eine Notfall CD gebrannt, im BIOS auf Booten
vom Laufwerk eingestellt, aber das tut er auch nicht. Danach habe ich mit Rufus
einen bootfähigen Notfall Stick erstellt, aber den nimmt der PC auch nicht an.
Jedes Mal fährt er hoch und nachdem ich das Nutzerpasswort eingegeben habe,
bleibt das Bild schwarz.“ Tamsin bekam richtig Panik! „Rufe ich das Bootmenü auf,
sind dort seltsamer Weise keine Devices zum Auswählen aufgelistet. Als ich im
BIOS im Bootmenü alles bis auf das DVD Laufwerk gelöscht habe, funktionierte es
immer noch nicht. Dort stand, ich solle einen Datenträger einlegen, von dem
gebootet werden soll. Was ich natürlich hatte. Ich höre zwar das Geräusch, dass
der PC auf das Laufwerk zugreift, doch mehr passiert nicht. Es ist als ob er
kein Laufwerk/Stick erkennt.
Zur Probe habe ich mal eine Linux CD eingelegt, (im internen sowie auch in einem externen DVD Laufwerk) Aber nicht einmal auf die reagiert er.
Ich weiß nicht weiter. Ich denke, Windowsblinds hat mein System irgendwie zerschossen.“
Zur Probe habe ich mal eine Linux CD eingelegt, (im internen sowie auch in einem externen DVD Laufwerk) Aber nicht einmal auf die reagiert er.
Ich weiß nicht weiter. Ich denke, Windowsblinds hat mein System irgendwie zerschossen.“
Inzwischen hat sie es hingekriegt, dass der
Rechner von eingelegten Datenträgern startet. Ihr letzter Ausweg bleibt,
Windows von CD komplett neu zu installieren. Doch es ist spät. Morgen muss sie
früh los. Tamsin will den PC nicht von einem Fachmann reparieren lassen. Sie
tut alles, um dies zu vermeiden. „Sowas ist immer teuer. Der macht nichts, was
ich nicht auch selbst könnte, außer vielleicht mehr, als ich tun würde.“ Zudem
nagt ihr Stolz an ihr. Ihre Eltern glauben, sie kann alles am Computer! Es gab
schon viele Probleme, die sie alleine nur mit Hilfe von Internetforen lösen
konnte. „Es ist immer ein gutes Gefühl, ein scheinbar unlösbares Problem
bewältigt zu haben!“ Doch die Sorge, ob sich ihr letzter Notfallplan auch in
die Tat umsetzen lässt, begleitet sie durch die ganze Nacht. Doch damit wird
sie sich wohl bis zum nächsten Abend gedulden müssen. „So ein Mist. Da wartete
man fast eine Woche auf dieses Update, und dann das!“
„Die neue Maßnahme startet heute. Ich bin
aufgeregt, seltsamer Weise jedoch nicht so extrem nervös, wie sonst in
derartigen Situationen.“ Als Tamsin vor
ca. 3 Jahren in ihre allererste Maßnahme kam, bekam sie vor Nervosität
Ausschlag. Ein Jucken auf der Haut, dass Tage vorher auftauche und direkt am
Ende des ersten Tages wieder verschwand.
Und nun… „In einer Stunde geht es los und
die ersten Symptome der Angst erwachen langem zum Leben.“ Ihr Appetit
schwindet, trotz der Ungewissheit, wann sie heute das nächste Mal etwas zu
Essen bekommt. Möglicherweise erst abends. Ihr Herz schlägt schneller. Ihre
Finger zittern. Die Ängste folgen keiner Logik. Sie sind einfach da. Tamsin
versucht dennoch sich zu freuen, auch wenn es ihr lieber wäre, diese Ängste
loszuwerden, bevor sie derartige Maßnahmen besucht. „Verdammte lange
Wartezeiten!“, murrt sie, unzufrieden darüber, dass Termine bei gewissen Ärzten
immer so lange Wartezeiten in Anspruch nehmen.
> Und, wie war der erste Eindruck?
Während
Tamsin sich für den Aufbruch fertiggemacht hat, vernahm sie, wie ihr Dad in
ihren Flur geschlichen kam. Sie überlegt gerade, ihre schicke, violette Jacke aus
Kunstleder anzuziehen. Darin fühlt sie sich wohl, weniger unattraktiv. Wie eine
Dame. Im selben Moment bemerkt sie, wie ihr Dad ebendiese Jacke an sich nimmt.
Er will nicht, dass sie gleich am ersten Tag negativ auffällt – okay, das
Violett ist schon ein wenig auffälliger als Schwarz - und er bestimmt, dass sie
doch eine alte Plastikjacke anziehen solle. Und damit war er samt Jacke
verschwunden. Dies versetzte Tamsin in Unzufriedenheit. Sie hasst es, nicht
über sich selbst bestimmen zu können, und sie hasst alte, knittrigen
Plastikjacken, in denen man sich vorkommt, als träge man einen alten Müllsack
am Leib. Doch es bringt nichts, dagegen anzugehen, da er die Jacke prompt in
die Waschmaschine stopft.
>
Und die Maßnahme?
„Obwohl
die Leute einen relativ freundlichen Eindruck gemacht haben, hat mich die
Erkenntnis, dass die Maßnahme täglich bis 17Uhr dauert, ein wenig getroffen. Es
wird nicht einfach, sich an die Umstellung zu gewöhnen. Normalerweise endet
mein Tag um diese Zeit. Ich schaue noch einen Film, esse und gehe dann ins
Bett, da ich immer recht früh recht müde bin.“ Die lange Zeit war das, was
Tamsin in ihrer Tätigkeit im Jahre 2007 immer gehasst hat. Nun hat sie Angst,
dass ihre Tage wie damals nur noch aus Arbeit und schlafen bestehen. Dass sie
danach so müde ist, dass sie für nichts mehr Zeit oder Lust hat. Dass sie es
nicht mehr schafft, an ihrem Roman zu arbeiten. Dass jede Sekunde plötzlich so
kostbar ist, dass sie zu schade ist, um sie mit Aufräumen, Waschen und anderen
wichtigen Dingen zu vergeuden. „Nun, Die Bereiche scheinen okay zu sein. Es
gibt sogar Computer. Man kann malen. Man muss die Stunden nicht im Dauerstehen
verbringen. Ich soll mir Dinge aufschreiben, die ich gerne machen würde.“
Tamsin versucht erstmal das Beste daraus zu machen. Wenn sie dort sinnvolles
Lernt und Dinge tun kann, die sie sowieso auch zuhause tut, sollte es zu
schaffen sein.
Sobald
Tamsin wieder daheim war, hat sie sich darangemacht, ihrem Laptop genau
dasselbe anzutun, wie am Tag zuvor ihrem PC. „Ich kann’s nicht fassen. Er fährt
nichtmehr hoch. Bootet nicht mehr richtig.“ Zunächst verspürt Tamsin tiefe Verzweiflung.
„Kann denn nicht wenigstens einmal etwas Positives passieren!?“ Frustriert
macht sie sich daran, herauszufinden, wie man bei diesem Ding ins BIOS kommt.
„Warum nur muss das überall verschieden sein, verdammt!“ Doch zu ihrer
Erleichterung scheint dies Unglück nicht so fatal zu sein, wie das gestrige.
Lenovo bietet eine Reparaturfunktion, die sogar funktioniert. Tamsin beeilt
sich, ihre Computer fertigzukriegen, alles neu zu installieren und so weiter.
Sie fürchtet, ab nächste Woche keine Zeit mehr für derartiges zu haben.
Abends: Lucy liegt wach. Kann
nicht schlafen. Sie hat weiterhin Angst vor einem Rückfall zu 2007. Sie
bedauert, dass die vorige Kreativ-Maßnahme abgebrochen wurde. Ja, klar hatte
sie Probleme, aber, wenn sie so darüber nachdenkt waren es nur Probleme die sie
sich selbst gemacht hat. Auch wenn sie selbst nichts dafürkann, oder es nicht
wollte. Keine Maßnahme wird je wieder so sein, wie ihre Vorletzte. Ganz im
Gegenteil. Es wird immer etwas Negatives geben.
Ängste können besiegt werden.
Doch gegen Vorschriften, Zwänge, Bürokratie ist man machtlos. Verkorkste
Gedanken schwirren durch ihren Kopf. Vielleicht ist es wirklich so, dass immer
andere über sie bestimmen werden. Das sie niemals über sich selbst bestimmen
kann, dass Wünsche und Bedürfnisse irrelevant sind, wenn es um die Bestimmungen
der Gesellschaft geht. Man ist dem unterlegen, genauso wie ein Kabeljau einem
Angler.
Es sind immer wieder dieselben
Gedanken die durch ihren Kopf schwirren und sie einfach nicht zur Ruhe kommen
lassen. Heute sie hasst sich für ihre Faulheit und ihrem Hauptschulabschluss
und für die Abhängigkeit von anderen, die er ihr beschert. Wäre sie damals doch
nur schlauer, eifriger, zielstrebiger und gewissenhafter in der Schule gewesen,
dann wäre sie jetzt vielleicht unabhängig und es gebe keine Leute oder Ämter,
die über sie bestimmen und ihr vorschreiben, was sie tun muss. Sie fragt sich,
ob die Angst vor der Zukunft genauso wie ihre Phobie ebenfalls als etwas
Behandelbares diagnostiziert werden könnte. Eine Angst, die ihr genommen werden
kann? Alles scheint so aussichtslos. Situationen, die diese alten Ängste
auslösen, steigern die Furcht zusätzlich. Zuvor hatte sie sie kaum wahrgenommen,
denn es glaub andere Dinge, die sie beschäftigten. Nun aber, wo die Zukunft
immer näher rückt, steigt auch die Ungewissheit, wie diese wohl aussehen mag.
Obwohl sie weiß, dass es übertrieben oder überflüssig ist, schleichen sich
düstere Gedanken in ihren Geist. Gedanken, die sie niemals aussprechen würde, weil
Derartiges in dieser Gesellschaft ein Tabuthema ist. Doch was soll sie tun? Sie
lassen sich einfach nicht abschütteln. In gewisser Weise geben Sie ihr sogar
Hoffnung. Sie weiß, dass Zwänge und Vorschriften sie nur in ihren Bann zwingen
können, wenn sie es auch zulässt!
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