Freitag, 7. April 2017

Ein Systemcrash und das ist noch nicht alles…


Während der Installation ihrer Programme hat Tamsin gestern aus Versehen einen totalen Systemcrash verursacht.
Ich habe das Creators Update und danach Windowsblinds installiert. Plötzlich kam die Fehlermeldung „Windowsblinds funktioniert nicht mehr…“ und das Bild wurde schwarz. Alles war weg. Danach habe ich den PC neu gestartet, aber seither ist das Bild bis auf die sichtbare Maus immer noch komplett schwarz. Nichts geht zu drücken/öffnen, bis auf den Taskmanager, aber damit kann ich auch nicht viel anfangen. Auf Eingaben Win+R usw. reagiert er auch nicht. Ich habe schon mehrfacht versucht im abgesicherten Modus zu starten, aber das macht der PC einfach nicht. Dann habe ich mir eine Notfall CD gebrannt, im BIOS auf Booten vom Laufwerk eingestellt, aber das tut er auch nicht. Danach habe ich mit Rufus einen bootfähigen Notfall Stick erstellt, aber den nimmt der PC auch nicht an. Jedes Mal fährt er hoch und nachdem ich das Nutzerpasswort eingegeben habe, bleibt das Bild schwarz.“ Tamsin bekam richtig Panik! „Rufe ich das Bootmenü auf, sind dort seltsamer Weise keine Devices zum Auswählen aufgelistet. Als ich im BIOS im Bootmenü alles bis auf das DVD Laufwerk gelöscht habe, funktionierte es immer noch nicht. Dort stand, ich solle einen Datenträger einlegen, von dem gebootet werden soll. Was ich natürlich hatte. Ich höre zwar das Geräusch, dass der PC auf das Laufwerk zugreift, doch mehr passiert nicht. Es ist als ob er kein Laufwerk/Stick erkennt.
Zur Probe habe ich mal eine Linux CD eingelegt, (im internen sowie auch in einem externen DVD Laufwerk) Aber nicht einmal auf die reagiert er.
Ich weiß nicht weiter. Ich denke, Windowsblinds hat mein System irgendwie zerschossen.“


Inzwischen hat sie es hingekriegt, dass der Rechner von eingelegten Datenträgern startet. Ihr letzter Ausweg bleibt, Windows von CD komplett neu zu installieren. Doch es ist spät. Morgen muss sie früh los. Tamsin will den PC nicht von einem Fachmann reparieren lassen. Sie tut alles, um dies zu vermeiden. „Sowas ist immer teuer. Der macht nichts, was ich nicht auch selbst könnte, außer vielleicht mehr, als ich tun würde.“ Zudem nagt ihr Stolz an ihr. Ihre Eltern glauben, sie kann alles am Computer! Es gab schon viele Probleme, die sie alleine nur mit Hilfe von Internetforen lösen konnte. „Es ist immer ein gutes Gefühl, ein scheinbar unlösbares Problem bewältigt zu haben!“ Doch die Sorge, ob sich ihr letzter Notfallplan auch in die Tat umsetzen lässt, begleitet sie durch die ganze Nacht. Doch damit wird sie sich wohl bis zum nächsten Abend gedulden müssen. „So ein Mist. Da wartete man fast eine Woche auf dieses Update, und dann das!“

„Die neue Maßnahme startet heute. Ich bin aufgeregt, seltsamer Weise jedoch nicht so extrem nervös, wie sonst in derartigen Situationen.“  Als Tamsin vor ca. 3 Jahren in ihre allererste Maßnahme kam, bekam sie vor Nervosität Ausschlag. Ein Jucken auf der Haut, dass Tage vorher auftauche und direkt am Ende des ersten Tages wieder verschwand.
Und nun… „In einer Stunde geht es los und die ersten Symptome der Angst erwachen langem zum Leben.“ Ihr Appetit schwindet, trotz der Ungewissheit, wann sie heute das nächste Mal etwas zu Essen bekommt. Möglicherweise erst abends. Ihr Herz schlägt schneller. Ihre Finger zittern. Die Ängste folgen keiner Logik. Sie sind einfach da. Tamsin versucht dennoch sich zu freuen, auch wenn es ihr lieber wäre, diese Ängste loszuwerden, bevor sie derartige Maßnahmen besucht. „Verdammte lange Wartezeiten!“, murrt sie, unzufrieden darüber, dass Termine bei gewissen Ärzten immer so lange Wartezeiten in Anspruch nehmen.

  > Und, wie war der erste Eindruck?

Während Tamsin sich für den Aufbruch fertiggemacht hat, vernahm sie, wie ihr Dad in ihren Flur geschlichen kam. Sie überlegt gerade, ihre schicke, violette Jacke aus Kunstleder anzuziehen. Darin fühlt sie sich wohl, weniger unattraktiv. Wie eine Dame. Im selben Moment bemerkt sie, wie ihr Dad ebendiese Jacke an sich nimmt. Er will nicht, dass sie gleich am ersten Tag negativ auffällt – okay, das Violett ist schon ein wenig auffälliger als Schwarz - und er bestimmt, dass sie doch eine alte Plastikjacke anziehen solle. Und damit war er samt Jacke verschwunden. Dies versetzte Tamsin in Unzufriedenheit. Sie hasst es, nicht über sich selbst bestimmen zu können, und sie hasst alte, knittrigen Plastikjacken, in denen man sich vorkommt, als träge man einen alten Müllsack am Leib. Doch es bringt nichts, dagegen anzugehen, da er die Jacke prompt in die Waschmaschine stopft.

  > Und die Maßnahme?

„Obwohl die Leute einen relativ freundlichen Eindruck gemacht haben, hat mich die Erkenntnis, dass die Maßnahme täglich bis 17Uhr dauert, ein wenig getroffen. Es wird nicht einfach, sich an die Umstellung zu gewöhnen. Normalerweise endet mein Tag um diese Zeit. Ich schaue noch einen Film, esse und gehe dann ins Bett, da ich immer recht früh recht müde bin.“ Die lange Zeit war das, was Tamsin in ihrer Tätigkeit im Jahre 2007 immer gehasst hat. Nun hat sie Angst, dass ihre Tage wie damals nur noch aus Arbeit und schlafen bestehen. Dass sie danach so müde ist, dass sie für nichts mehr Zeit oder Lust hat. Dass sie es nicht mehr schafft, an ihrem Roman zu arbeiten. Dass jede Sekunde plötzlich so kostbar ist, dass sie zu schade ist, um sie mit Aufräumen, Waschen und anderen wichtigen Dingen zu vergeuden. „Nun, Die Bereiche scheinen okay zu sein. Es gibt sogar Computer. Man kann malen. Man muss die Stunden nicht im Dauerstehen verbringen. Ich soll mir Dinge aufschreiben, die ich gerne machen würde.“ Tamsin versucht erstmal das Beste daraus zu machen. Wenn sie dort sinnvolles Lernt und Dinge tun kann, die sie sowieso auch zuhause tut, sollte es zu schaffen sein.

Sobald Tamsin wieder daheim war, hat sie sich darangemacht, ihrem Laptop genau dasselbe anzutun, wie am Tag zuvor ihrem PC. „Ich kann’s nicht fassen. Er fährt nichtmehr hoch. Bootet nicht mehr richtig.“ Zunächst verspürt Tamsin tiefe Verzweiflung. „Kann denn nicht wenigstens einmal etwas Positives passieren!?“ Frustriert macht sie sich daran, herauszufinden, wie man bei diesem Ding ins BIOS kommt. „Warum nur muss das überall verschieden sein, verdammt!“ Doch zu ihrer Erleichterung scheint dies Unglück nicht so fatal zu sein, wie das gestrige. Lenovo bietet eine Reparaturfunktion, die sogar funktioniert. Tamsin beeilt sich, ihre Computer fertigzukriegen, alles neu zu installieren und so weiter. Sie fürchtet, ab nächste Woche keine Zeit mehr für derartiges zu haben.


Abends: Lucy liegt wach. Kann nicht schlafen. Sie hat weiterhin Angst vor einem Rückfall zu 2007. Sie bedauert, dass die vorige Kreativ-Maßnahme abgebrochen wurde. Ja, klar hatte sie Probleme, aber, wenn sie so darüber nachdenkt waren es nur Probleme die sie sich selbst gemacht hat. Auch wenn sie selbst nichts dafürkann, oder es nicht wollte. Keine Maßnahme wird je wieder so sein, wie ihre Vorletzte. Ganz im Gegenteil. Es wird immer etwas Negatives geben.
Ängste können besiegt werden. Doch gegen Vorschriften, Zwänge, Bürokratie ist man machtlos. Verkorkste Gedanken schwirren durch ihren Kopf. Vielleicht ist es wirklich so, dass immer andere über sie bestimmen werden. Das sie niemals über sich selbst bestimmen kann, dass Wünsche und Bedürfnisse irrelevant sind, wenn es um die Bestimmungen der Gesellschaft geht. Man ist dem unterlegen, genauso wie ein Kabeljau einem Angler.
Es sind immer wieder dieselben Gedanken die durch ihren Kopf schwirren und sie einfach nicht zur Ruhe kommen lassen. Heute sie hasst sich für ihre Faulheit und ihrem Hauptschulabschluss und für die Abhängigkeit von anderen, die er ihr beschert. Wäre sie damals doch nur schlauer, eifriger, zielstrebiger und gewissenhafter in der Schule gewesen, dann wäre sie jetzt vielleicht unabhängig und es gebe keine Leute oder Ämter, die über sie bestimmen und ihr vorschreiben, was sie tun muss. Sie fragt sich, ob die Angst vor der Zukunft genauso wie ihre Phobie ebenfalls als etwas Behandelbares diagnostiziert werden könnte. Eine Angst, die ihr genommen werden kann? Alles scheint so aussichtslos. Situationen, die diese alten Ängste auslösen, steigern die Furcht zusätzlich. Zuvor hatte sie sie kaum wahrgenommen, denn es glaub andere Dinge, die sie beschäftigten. Nun aber, wo die Zukunft immer näher rückt, steigt auch die Ungewissheit, wie diese wohl aussehen mag. Obwohl sie weiß, dass es übertrieben oder überflüssig ist, schleichen sich düstere Gedanken in ihren Geist. Gedanken, die sie niemals aussprechen würde, weil Derartiges in dieser Gesellschaft ein Tabuthema ist. Doch was soll sie tun? Sie lassen sich einfach nicht abschütteln. In gewisser Weise geben Sie ihr sogar Hoffnung. Sie weiß, dass Zwänge und Vorschriften sie nur in ihren Bann zwingen können, wenn sie es auch zulässt!

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