Dienstag, 18. April 2017

Der Kampf gegen die Angst

Diese Woche beginnt mit einem Dienstag. In der Maßnahme steht das Entwerfen von Dekorationen auf den Plan. Tamsin genießt den kühlen Waldspaziergang, während dem die Teilnehmer Äste und sonstiges Zeug für die Weckgläser sammeln sollen. Sie hat nicht wirklich Lust zu sammeln, tut es aber dennoch, um einen möglichen negativen Akteneintrag und die anklagende Frage: Warum hast du nicht mitgesammelt? zu vermeiden. Letztlich hatte sie von allen am wenigsten. „Da ich meine Hände damit nicht mehr in meinen Ärmeln vergraben konnte, währen mir beinahe die Finger abgefroren, so eiskalt war es.“, beklagt sie sich.
Bevor es ans Dekorieren geht müssen die Gläser noch gewaschen werden
Unauffällig entfernt Tamsin sich von der Spüle. Wirft einen Blick aus dem Fenster. Dort blühen Tulpen. Sobald jemand mit dem Abwasch begonnen hat, schnappt sie sich ein Handtuch, um abzutrocknen. Dabei fragt sie sich, ob sie sich wohl je überwinden kann, der Spüle freiwillig entgegenzutreten.
Später kehrten die üblichen Ängste dann wieder. Gegen sie zu kämpfen ist ein Kampf, den Tamsin nicht gewinnen kann.
Wie üblich findet Tamsin ihren Platz ein wenig abseits der Gruppe. Am Kopf des Tisches ist immer ihr Platz, selbst wenn der Tisch einmal keinen Kopf hat. Jeder der anderen drei Teilnehmer schnappt sich ein Glas. Tamsin beobachtet, wie die Dame, die das Moos gesammelt hat, es einer anderen anbietet. Doch Tamsin bekommt nichts angeboten. Sie wartet. Diese Hemmung, anstatt aufzustehen und zu fragen nur schweigend abzuwarten, plagt Tamsin in solchen Situationen oft. Immer. Tamsin grübelt über die unbegründete Angst nach. Je mehr sie gegen sie ankämpft, umso stärker scheint sie zu werden. Was kann schon passieren? Es war nicht so, dass die Dame ihr bewusst nichts abgeben wollte.
Eine vertraute Gelichgültigkeit kommt auf. Nach einer Weile stellt Tamsin resigniert fest, dass sie sich nicht überwinden kann. Und wenn schon. Dann lässt sie es eben bleiben. Sie hat sowieso keine Lust auf sowas. Unwillkürlich denkt Tamsin an den Fuchsbandwurm, einem Parasiten, gegen den es angeblich kein Heilmittel gibt und der sich im Menschen einnistet. Isst man ungewaschene Erdbeeren vom Feld, kann man ihn ebenfalls bekommen. Allerlei Getier krabbelt aus dem Moos. Tamsin mag die Natur, und doch verspürt sie Unbehagen, wenn sie sich vorstellt, dass das Zeug anzufassen, ohne sich direkt im Anschluss die Hände zu waschen.
Die Gelichgültigkeit schwillt weiter an, bis ihr plötzlich angeboten wird, einen Schriftzug zu entwerfen. Tamsins Stimmung hebt sich, denn so etwas tut sie gerne.

Ein flüchtiger Schneefall bricht über sie herein. Wider brennt der Gasofenununterbrochen.

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