Tamsin
ist froh, das Geld von ihrem Laptop zurückbekommen zu haben. „Nach dem, was ich
so über den Shop gelesen habe, hätte es mich auch schlimmer treffen können.“
Dort wird sie zukünftig nicht mehr bestellen, auch wenn die Sachen dort so
billig sind. Einfach Gebrauchtware versenden und Geld für Neuware zu kassieren,
das ist doch die Höhe! Anscheinend gibt es Kunden, die das nicht merken. In dem
Fall ein gutes Geschäft für den Shop.
Wenn
Tamsin aufgeregt oder nervös ist, fällt ihr das klare Denken schwer. Sie ist
irritiert. Vor einiger Zeit beim Gespräch im Jobcenter hieß es, sie solle sich
die neue Maßnahme zunächst nur ansehen. Deshalb war sie vergangenen Freitag
dort. Doch dort wiederum hieß es, es würde erstmal nur ein Gespräch
stattfinden. Nichts von Probe Tag! Tamsin grübelt darüber nach, ob es ihr beim
Jobcenter falsch erklärt wurde, ob sie es falsch verstanden hatte, oder ob sich
der Plan ohne ihr Mittwissen nur nachträglich verändert hatte.
Letztlich
spielt es keine Rolle. Es war, wie es war und heute ist Montag. Doch die
Vorstellung, die Realität zu verdrehen und Worte und Tatsachen falsch
wahrzunehmen erschüttert sie. Als beispielsweise gefragt wurde, ob Tamsin Halb-
oder Vollzeit machen soll und vom Amt her prompt Vollzeit bestimmt wurde, weil
Tamsin keine Kinder hat und daher ruhig bis abends dortbleiben kann, hatte die
Angst ihr Gedächtnis kurzzeitig lahmgelegt. Dies mag seltsam und übertrieben
klingen, schließlich prägt Vollzeitarbeit das genormte, nicht zu hinterfragende
Standartleben dieser Gesellschaft, doch die Umstellung wird Tamsin
schwerfallen. Und wie sehr, ja, wen kümmert das schon?
Jedenfalls
war dieses Gefühl, Worte zu hören, ohne ihnen eine Bedeutung zuordnen zu
können, erschütternd. Und sie weiß nicht, was sie dagegen tun soll?
Tamsin erinnert sich an
eine Zeit vor den Maßnahmen. Einer Zeit, in der sie, nachdem sie bereits
mehrere Jahre ganz alleine in ihrem Kinderzimmer verbracht hatte, weil sie
weder Arbeit noch Freunde hatte/fand, sich sogar nach JOBB ins Jahre 2007
zurückgewünscht hatte. Es war hart, aber Jahrelang alleine nur zuhause zu
verbringen und höchstens mal kurz rausgehen, wenn Mom abends von der Arbeit
kam, wurde mit der Zeit ebenfalls unerträglich.
Dies ist nun ungefähr
vier, fünf Jahre her. „Ich weiß noch, wie ich traurig in meinem Zimmer auf und
abgegangen bin, weil ich das ewige Sitzen vor Fernseher oder PC nicht ehr
ausgehalten habe. Ich wollte raus, aber wohin? Ganz alleine ohne Auto in einem
Dorf, wo der Bus nur dreimal Täglich fährt? Meine einstige
Lieblingsbeschäftigung, das Chatten, wurde zur Qual.“ Langeweile paarte sich
mit Lustlosigkeit, und das trieb sie beinahe in den Wahnsinn.
Ihren Ängsten unterlegen,
fühlte sie sich wie gefangen in einem goldenen Käfig. Sie hatte alles, doch
nicht das, was sie wirklich brauchte. „Ich glaube, letztlich ist kein Leben so
furchtbar, wie eines in ewiger Einsamkeit.“
Tamsin
nimmt Puckis und Wasser mit. Ihr wurde erklärt, in der Maßnahme gäbe es einen
Kiosk und Mittagessen. Die bizarre Angst, dass mitgebrachte Nahrung dort nicht
erlaubt sein könnte, packt sie.
Mit
gemischten Gefühlen legt sie ihre Kette um. „Es ist doch schön, endlich wieder
Schmuck zu tragen, schönere Klamotten anzuziehen und etwas zu erleben.“, sagt
sie sich. Gerne trägt sie ihren selbst entworfenen Schmuck. Sie genießt die
Anerkennung, wenn andere ihn bewundern. Ganz gleich, ob geheuchelt oder ehrlich
gemeint.
> Und wie war der erste Tag?
Tamsin
hat ihren ersten Tag in der neuen Maßnahme gut überstanden. Sogar sehr gut. Die
anderen Teilnehmer, die zusammen mit ihr dort starten, waren ihr bereits aus
einer früheren Maßnahme bekannt. Die sind alle sehr nett. Auch die Angestellten
scheinen sehr um das Wohl der Teilnehmer bemüht. Der Chefin gefällt, dass
Tamsin gerne schreibt. Sie ist fasziniert. Zudem wurde Tamsin erklärt, dass es
dort keine Zwänge geben soll; niemand wird gezwungen, stundenlang in der Küche
zu stehen. Aber wie es wirklich sein wird, wird sich später zeigen. Tamsin ist
oft skeptisch. Sie kann Dinge oft erst richtig glauben, wenn diese sich ihr
bewiesen haben.
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