Die Anlaufzeit ist vorbei und nun
starte Tamsins Maßnahme mit vollem Programm. Naja, das erwartet sie zumindest. Sie
fragte sich, ob zwischen den neuen Teilnehmern heute noch mehr bekannte
Gesichter stecken. Ein besonders starker Gedanke hebt sich zwischen allen
hervor: Tamsins Sitzplatz. Es gibt keine Namensschilder. Da die Busgruppe immer
ein wenig später eintrifft, fürchtet Tamsin nun, dass ihr Platz vergeben sein
könnte. Weggeschnappt. „Der große Tisch steht in einer Ecke. Es gibt jeweils
einen Platz am Kopf des Tisches. Oben und unten. Doch nur vom unteren Platz aus
kann man den gesamten Raum überblicken. Auf der linken Seite sitzen alle mit
dem Rücken zur Tafel und zum Raum. Auf der Rechten hat man zwar Überblick,
jedoch steht der Tisch dicht an der Wand, wodurch es so eng ist, dass man immer
warten muss, bis alle aufgestanden sind, damit man rauskommt. Muss man
plötzlich zur Toilette, wird es schwierig.“ Vollem für Tamsin mit ihren Ängsten.
Daher ist Tamsins derzeitiger Platz perfekt. Man kommt leicht raus und sieht
alles, ohne sich großartig verrenken zu müssen.
Dies ist nur eine Kleinigkeit. Tamsin
wundert sich selbst, dass sie sich über derartige Banalitäten derartige
Gedanken macht. „Ich kenne die Erfahrung, mit dem Rücken zur Tafel oder zur Gruppe
zu sitzen, weil Tische und Plätze nicht intelligent aufgestellt sind.“ Vor Zehn
Jahren saß sie während des Beruf-Schulunterrichts einmal zwei Stunden mit dem
Rücken zum Lehrer. Damals waren ihre Ängste noch mächtiger, weshalb sie sich
nicht getraut hat, sich umzusetzen. Hob sie den Kopf, blickte sie in die
Gesichter der anderen Schüler, die ihr verächtliche Blicke zuwarfen.
Dies hasst Tamsin auch in Wartezimmern.
„Egal, wo man hinguckt, ständig starrt man jemanden an, ohne es zu wollen.“
Später:
Nun, wie immer kommt alles anders als
man denkt. Die neue Gruppe aus vier Leuten hat sich die besten Plätze genommen und
mit Taschen „reserviert“, noch ehe Tamsins Gruppe eintraf. Danach mussten sie
erstmal eine Schmöken. Sind fast alles Raucher. Typisch.
Ebenso gibt es kein gemeinsames
Aufbrechen. Jeder hat andere Zeiten, und Tamsin hat mal wieder die längste.
Der Tag war allgemein recht eintönig.
Während die Neuen abwechselnd ihre Einleitung erhielten, durfte der Rest an die
Computer. Viele fanden es langweilig, weil sie nicht wussten, was sie gucken
sollten. Tamsin hat sich derweil eine Menge über Phobien und Psychosen etc.
durchgelesen. Dabei hat sie herausgefunden, dass dieses ständige Grübeln über
dieselben Gedanken ebenfalls eine Art Zwang ist. Grübelzwang. Verbunden mit
Sozialer Phobie und Depression… Ohje.
„Was für eine Zeitverschwendung.“,
beklagt sich eine gelangweilte Teilnehmerin.
„Was macht die?“, vernahm Tamsin dann eine
Stimme zwei Reihen hinter sich. Nun, diese Stimme war nicht neu; viele
unterhielten sich zwischendurch. Doch als die junge Dame dann fortfuhr: „Die
liest etwas über Depression oder so…“ wusste Tamsin, dass sie damit gemeint
war. Leider konnte sie nicht heraushören, ob diese Feststellung abwertend
gemeint war. Ihr war es auch egal. In diesen Momenten war ihr vieles egal, denn
die Voll-Zeitumstellung nagt noch immer an ihren Nerven. Und dies entzieht sich
ihrer Kontrolle.
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