Samstag, 15. April 2017

Fressen gegen die Zeit

Tamsin hat endgültig beschlossen, wenn möglich nur noch vormittags bei McDonalds zu essen. Vormittags, wenn das Frühstück gerade weggeräumt wurde und alles frisch zubereitet wird, schmeckt es einfach am besten! Heiß und saftig. Da schafft man es noch, ein größeres Menü zu verspeisen, ohne sich abhetzen zu müssen, weil das Essen so schnell abkühlt. Vor allem aus der Wärmeablage sind Pommes und Nuggts bestenfalls nur noch lauwarm. So schmecken sie fad, trocken… unangenehm. Als würde man auf einer gewürzten Schuhsole herumkauen. Nimmt man das Essen dann noch für Zuhause mit, schafft man es selbst in ausgehungertem Zustand nicht, einen Burger und gleichzeitig die Pommes zu verschlingen, ohne dass eines von beiden kalt wird.
Hat man sich erst einmal an diese heiße Frische gewöhnt, erscheint es einem ganz schön dreist, wenn man ein für potentielle Kunden vorbereitetes „Gericht“ aus der Wärmeablage bekommt! „Das ist, als würde man für B-Ware in minderer Qualität den vollen Preis für Neuware bezahlen!“ Da wundert es Tamsin nicht, wenn Leute sagen, McDonalds ist Abfall. Das Zeug ist nämlich schon recht teuer, und ausgekühlte Nuggets würde sie nicht mal für umsonst verspeisen.
In Großstädten, wo der Andrang gewaltig ist und die Menschen es wirklich eilig haben, macht eine Wärmeablage wohlmöglich Sinn. Aber hier in dieser winzigen Ortschaft?
Bizarrer Weise erkennt Tamsin selbst in diesem Dilemma einen Vorteil: Ist das Essen kalt, frisst man noch schneller. Ja, man frisst. Letztlich gewinnt man dadurch Zeit, während man durch langsames Genießen heißer Kost wiederum mehr Zeit verliert. Doch wohlbekommt es einem nicht.

Nachdem Tamsin ihren Hanseaten verzehrt hatte, musste sie erst einmal ihren Schreibtisch blitzblank wischen! Dabei hört wie nach langer Zeit mal wieder In Extremo. Sie hat Angst, dass das feuchte Tuch dem schönen Holz des Tisches auf Dauer schadet. Aber was soll sie tun?

Zu später Stunde freut Tamsin sich auf das Osterfeuer. Nichts ahnend macht sie sich mit ihren Eltern auf den Weg. Es ist kalt und stürmisch. Als sie am Feuer ankommen, war es noch nicht entzündet. Noch spielte ein Spielmannszug, was ihre Eltern nicht mögen. Tamsin mag die Musik, ist auf ihrer kleinen Rückbank jedoch machtlos, als ihre Eltern beschließen, noch einmal am Strand zu schauen, ob dort nicht vielleicht nicht auch eines brennt.
Nun dort war keins. Auf dem Rückweg spielte noch immer der Spielmannszug. Tamsin ist enttäuscht, als ihre Eltern mit dem mit der Behauptung „Da ist sowieso kein freier Parkplatz mehr“ versuchen, sie zu besänftigen, während sie geradewegs daran vorbeifahren.
„Es ist doch immer dasselbe. Egal ob Mai- oder Osterfeuer. Oder ein Feuerwerk.“ Kaum sind sie unterwegs, wollen ihre Eltern aus irgendwelchen absurden Gründen wieder heim.“ Und da Tamsin von ihnen abhängig ist, muss sie sich dem fügen.
Anschließend versucht Tamsin sich mit Fernsehen ein wenig aufzuheitern. Was ihr nur schwer gelingt. Sie fragt sich, ob sie je so frei und sorglos leben kann, wie die Menschen aus dem Fernsehen.

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