Montag, 4. Februar 2019

Tagestätte - und andere Sorgen…

 
Es ist Montag und Tamsin ist wieder einmal nicht so glücklich, wie sie sein sollte.

Sie sorgt sich um Ihr Fahrrad und das Dilemma, wie sie ein neues bekommen soll. Wenn die Verkäufer dies nur in Einzelteilen liefern, sie das Paket nicht annehmen und auch nicht von der Post nach Hause schleppen kann. Geschweige denn, es selbst zusammenbauen kann.

Seitdem Don fort ist, fühlt sie sich nicht nur alleine, weil nicht mehr ständig jemand um sie herum ist der sie anschreibt und mit ihr telefoniert. Sie denkt auch viel mehr und öfter darüber nach, wie es mit einer Frau wäre. Sollen schon seit langer Zeit findet sie Frauen durchschnittlich viel attraktiver als Männer. Und das nicht nur äußerlich. Erst, seit er weg ist, wird es ihr richtig bewusst, da sie anfingen, darüber nachzudenken. Das Problem daran ist: Männer gibt es zuhauf. Einen Mann zu finden ist viel einfacher. Und Tamsin schafft es ja nicht einmal, eine einfache Freundin zu finden. Sie mag Dave, na ja, wobei sie Menschen mit kurzen Haaren einfach nicht äußerlich attraktiv finden kann, doch die Vorstellung an eine Frau lässt sich nicht los.

Montags findet immer das einzige sprich statt. Sie ist nahezu immer so aufgewühlt, wenn Sie da rauskommt. Das gefällt ihr nicht. Sie überlegt, ob sie die Blockierung des Trockners ansprechen soll. Der Wäschetrockner war das ganze Wochenende nicht ausgeräumt worden und es war nur einer frei. Wenigstens wurde ihr Fahrgeld Antrag für Lübeck diesmal nicht abgelehnt.

Tamsin genießt die frühen Morgenstunden. Um 6 Uhr erwacht sie. Trinkt einen Kaffee und isst etwas. Guckt dabei eine Frauenknast Serie, die sehr spannend ist. In letzter Zeit guckt sie her wenig normale Filme, denn die sind nicht immer so toll wie erwartet und sie hat Angst, dass sie sich dabei langweilt. also schaut lieber etwas von dem sie weiß, dass es richtig spannend ist.

Obwohl sie sich manchmal wegen Dave noch unsicher ist, fühlt sie Erleichterung dabei, dass sie die Vorstellung alleine einsam alt und grau zu werden, ein wenig loslassen kann. Damals hatte sie sogar gefürchtet, in diesem Kinderzimmer bei ihren Eltern alt werden zu müssen. Aber sowas ist nicht ihr Schicksal.
In letzter Zeit ist sie einfach sehr ungeduldig. Kann nicht warten. Will endlich das Leben leben, dass sie sich schon so lange wünscht. Ihre Betreuerin hat gesagt, dass sie ihre Ängste nicht innerhalb eines Jahres loswerden kann und die Therapie sehr lange dauern wird. Zunächst war dies beängstigend. Aber nur, weil sie nicht geheilt ist, bedeutet das nicht, dass sie nicht trotzdem anfangen kann zu leben. Auch wenn einige Dinge noch sehr schwierig sind. Sie sind nicht unmöglich.
Manchmal ist sie wütend auf ihre Eltern, dafür, dass diese ihr immer alles abgenommen haben und sie so vor sich hinvegetieren lassen haben, dass Tamsin heute so ist, wie sie ist. Dass sie nie gelernt hat, selbstständig zu werden. Und dass sie fast ein ganzes Jahrzehnt alleine in ihrem Zimmer vor dem Computer verbracht hat und sich nie etwas geändert hat, bis sie selbst den Beschluss gefasst hat, den ersten Schritt zu wagen. Sonst wäre sie heute noch dort.
Es geht voran.
Langsam.
Dennoch hat sie die Sorge, das ist alles so schön wird, wie sie es sich wünscht, wenn sie schon zu alt ist, um dies richtig zu genießen. Was bringt es, wenn sie geheilt ist und endlich sorgenfrei und angstlos selbständig leben kann und schon 60 Jahre alt ist, zu alt für irgendwelche Dinge, vor denen sie immer Angst gehabt hatte? Mit Freunden feiern. Oder verreisen. Zelten.

Beinahe hätte sie wieder vergessen, ihre Psycho… Tabletten zu nehmen. Wenn auch die nicht mehr wirken. Aber in ihrer Stadt gibt es keinen Psychiater mehr, zu dem sie gehen könnte.

In der TS liegt heute ein Gespräch vor ihr. Mh.
Seit eine Betreuerin sie weinend auf dem Klo vorgefunden hat, wollen die ihr helfen, ihre Probleme zu bewältigen.

“Das Gespräch verlief ganz kurz und eigentlich wurde nichts geklärt, außer die Tatsache , dass ist am Mittwoch noch ein Gespräch geben wird.“

“es sollen neue Gruppen gegründet werden, deswegen fand heute eine Abstimmung statt. Letzte Woche sollte jeder auf Papier aufschreiben, welche Gruppen er gerne hätte. Dann wurden die Gruppen, die am meisten erwähnt wurden aufgelistet, sodass aus diesem sieben Gruppen heute zwei ausgewählt werden sollten. Und die beiden, die am meisten Stimmen bekamen, wurden nur in den Plan aufgenommen. Auch von den alten Gruppen wurden einige aufgelistet, und die, die zu wenig Stimmen bekam, werden aus dem Programm genommen. Ich war sehr fest davon überzeugt, dass Gruppen gewählt werden würden, die mir nicht gefallen. Beispielsweise stand zur Auswahl, Schreibgruppe, Sport und schwimmen, Natur Spaziergänge, backen und der freitägliche Gang über den Wochenmarkt. Jeder konnte zwei Punkte davon auf einen Zettel schreiben. Im Grunde ist alles nicht schlecht. Na ja, außer schwimmen, weil ich komplexe habe und meinen Körper nicht in der Öffentlichkeit zeigen mag. Obwohl ich in einer früheren Maßnahme 2014 gerne Gymnastikübungen gemacht habe, war mir unwohl als es so aussah, als würden viele für eine Sportgruppe gestimmt haben. Letztlich gewann aber die Schreibgruppe und die Natur Gruppe. 2 Dinge, für die ich auch gestimmt hätte. Oder habe.“

Am Donnerstag soll einen Ausflug zum Strand stattfinden. Obwohl ich sowas eigentlich mag und früher immer gerne gemacht habe, fühle ich nicht viel Motivation zum Spazieren gehen in der Kälte. Obwohl es wahrscheinlich nicht so sein wird, habe ich die besorgte Vorstellung, stundenlang marschieren zu müssen ohne Pause, bis mir der Rücken durchbricht.
Ich würde lieber da bleiben und lesen. Aber das geht nicht, weil so viele Leute mitfahren, dass ein Auto nicht reicht und beide Betreuer fahren müssen. Und alleine darf man nicht dort bleiben. Also bleibt mir nur die Wahl entweder mitzufahren oder Urlaub zu nehmen. Ich werde wohl mitfahren. Es gibt wirklich schlimmeres.
Früher in der Maßnahme 2014 fand ich Gruppenausflüge immer toll. Selbst wenn wir nur spazieren gehen waren oder es kalt draußen waren. Aber damals gab es die nicht so oft und es war etwas Besonderes. Heute gibt es jede Woche einen Ausflug und es ist sozusagen Pflicht mitzufahren. Sofern man kein Urlaub nehmen will. Dieses Gefühl, dass es wie ein Zwang ist und ich das machen muss, raubt mir ein wenig die Freude und Motivation. Damals hat es mich nie gekümmert, wenn alle sich fröhlich beim Spazierengehen unterhalten und ich schweigend hinterhergehe. Inzwischen macht es mich traurig.
Wahrscheinlich bin ich zurzeit so lustlos und bedrückt, weil ich mich so auf mich alleine gestellt fühle. Vor ungefähr zwei Wochen ist eine neue Teilnehmerin in die Gruppe gekommen, und die wurde direkt aufgenommen und so behandelt, als wäre sie schon jahrelang dort. Sie lacht und redet mit anderen und geht mit den Rauchern rauchen, und dabei verhalten die sich, als hätte es vorher nie etwas anderes gegeben. Als wären sie schon lange befreundet.
Ich dagegen bin immer noch der Stille Außenseiter. Nur die wenigsten sprechen mich kurz an. Aber ich kann das verstehen. Ich mag auch keine Menschen ansprechen die nur still dasitzen und nie etwas sagen. Es ist viel leichter mit Menschen in Kontakt zu treten, die offen und redegewandt sind.

Vergangene Nacht habe ich mal wieder von Achterbahnen geträumt. Und sowas träume ich ständig.

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