Es
ist Montag und Tamsin ist wieder einmal nicht so glücklich, wie sie sein
sollte.
Sie
sorgt sich um Ihr Fahrrad und das Dilemma, wie sie ein neues bekommen soll.
Wenn die Verkäufer dies nur in Einzelteilen liefern, sie das Paket nicht
annehmen und auch nicht von der Post nach Hause schleppen kann. Geschweige
denn, es selbst zusammenbauen kann.
Seitdem
Don fort ist, fühlt sie sich nicht nur alleine, weil nicht mehr ständig jemand
um sie herum ist der sie anschreibt und mit ihr telefoniert. Sie denkt auch
viel mehr und öfter darüber nach, wie es mit einer Frau wäre. Sollen schon seit
langer Zeit findet sie Frauen durchschnittlich viel attraktiver als Männer. Und
das nicht nur äußerlich. Erst, seit er weg ist, wird es ihr richtig bewusst, da
sie anfingen, darüber nachzudenken. Das Problem daran ist: Männer gibt es zuhauf.
Einen Mann zu finden ist viel einfacher. Und Tamsin schafft es ja nicht einmal,
eine einfache Freundin zu finden. Sie mag Dave, na ja, wobei sie Menschen mit
kurzen Haaren einfach nicht äußerlich attraktiv finden kann, doch die
Vorstellung an eine Frau lässt sich nicht los.
Montags
findet immer das einzige sprich statt. Sie ist nahezu immer so aufgewühlt, wenn
Sie da rauskommt. Das gefällt ihr nicht. Sie überlegt, ob sie die Blockierung
des Trockners ansprechen soll. Der Wäschetrockner war das ganze Wochenende
nicht ausgeräumt worden und es war nur einer frei. Wenigstens wurde ihr Fahrgeld
Antrag für Lübeck diesmal nicht abgelehnt.
Tamsin
genießt die frühen Morgenstunden. Um 6 Uhr erwacht sie. Trinkt einen Kaffee und
isst etwas. Guckt dabei eine Frauenknast Serie, die sehr spannend ist. In
letzter Zeit guckt sie her wenig normale Filme, denn die sind nicht immer so
toll wie erwartet und sie hat Angst, dass sie sich dabei langweilt. also schaut
lieber etwas von dem sie weiß, dass es richtig spannend ist.
Obwohl
sie sich manchmal wegen Dave noch unsicher ist, fühlt sie Erleichterung dabei,
dass sie die Vorstellung alleine einsam alt und grau zu werden, ein wenig
loslassen kann. Damals hatte sie sogar gefürchtet, in diesem Kinderzimmer bei
ihren Eltern alt werden zu müssen. Aber sowas ist nicht ihr Schicksal.
In
letzter Zeit ist sie einfach sehr ungeduldig. Kann nicht warten. Will endlich
das Leben leben, dass sie sich schon so lange wünscht. Ihre Betreuerin hat
gesagt, dass sie ihre Ängste nicht innerhalb eines Jahres loswerden kann und
die Therapie sehr lange dauern wird. Zunächst war dies beängstigend. Aber nur,
weil sie nicht geheilt ist, bedeutet das nicht, dass sie nicht trotzdem
anfangen kann zu leben. Auch wenn einige Dinge noch sehr schwierig sind. Sie
sind nicht unmöglich.
Manchmal
ist sie wütend auf ihre Eltern, dafür, dass diese ihr immer alles abgenommen
haben und sie so vor sich hinvegetieren lassen haben, dass Tamsin heute so ist,
wie sie ist. Dass sie nie gelernt hat, selbstständig zu werden. Und dass sie
fast ein ganzes Jahrzehnt alleine in ihrem Zimmer vor dem Computer verbracht
hat und sich nie etwas geändert hat, bis sie selbst den Beschluss gefasst hat,
den ersten Schritt zu wagen. Sonst wäre sie heute noch dort.
Es
geht voran.
Langsam.
Dennoch
hat sie die Sorge, das ist alles so schön wird, wie sie es sich wünscht, wenn
sie schon zu alt ist, um dies richtig zu genießen. Was bringt es, wenn sie
geheilt ist und endlich sorgenfrei und angstlos selbständig leben kann und
schon 60 Jahre alt ist, zu alt für irgendwelche Dinge, vor denen sie immer
Angst gehabt hatte? Mit Freunden feiern. Oder verreisen. Zelten.
Beinahe
hätte sie wieder vergessen, ihre Psycho… Tabletten zu nehmen. Wenn auch die nicht
mehr wirken. Aber in ihrer Stadt gibt es keinen Psychiater mehr, zu dem sie
gehen könnte.
In
der TS liegt heute ein Gespräch vor ihr. Mh.
Seit
eine Betreuerin sie weinend auf dem Klo vorgefunden hat, wollen die ihr helfen,
ihre Probleme zu bewältigen.
“Das
Gespräch verlief ganz kurz und eigentlich wurde nichts geklärt, außer die
Tatsache , dass ist am Mittwoch noch ein Gespräch geben wird.“
“es
sollen neue Gruppen gegründet werden, deswegen fand heute eine Abstimmung
statt. Letzte Woche sollte jeder auf Papier aufschreiben, welche Gruppen er
gerne hätte. Dann wurden die Gruppen, die am meisten erwähnt wurden aufgelistet,
sodass aus diesem sieben Gruppen heute zwei ausgewählt werden sollten. Und die
beiden, die am meisten Stimmen bekamen, wurden nur in den Plan aufgenommen.
Auch von den alten Gruppen wurden einige aufgelistet, und die, die zu wenig
Stimmen bekam, werden aus dem Programm genommen. Ich war sehr fest davon
überzeugt, dass Gruppen gewählt werden würden, die mir nicht gefallen.
Beispielsweise stand zur Auswahl, Schreibgruppe, Sport und schwimmen, Natur
Spaziergänge, backen und der freitägliche Gang über den Wochenmarkt. Jeder
konnte zwei Punkte davon auf einen Zettel schreiben. Im Grunde ist alles nicht
schlecht. Na ja, außer schwimmen, weil ich komplexe habe und meinen Körper
nicht in der Öffentlichkeit zeigen mag. Obwohl ich in einer früheren Maßnahme
2014 gerne Gymnastikübungen gemacht habe, war mir unwohl als es so aussah, als
würden viele für eine Sportgruppe gestimmt haben. Letztlich gewann aber die
Schreibgruppe und die Natur Gruppe. 2 Dinge, für die ich auch gestimmt hätte.
Oder habe.“
Am
Donnerstag soll einen Ausflug zum Strand stattfinden. Obwohl ich sowas
eigentlich mag und früher immer gerne gemacht habe, fühle ich nicht viel
Motivation zum Spazieren gehen in der Kälte. Obwohl es wahrscheinlich nicht so
sein wird, habe ich die besorgte Vorstellung, stundenlang marschieren zu müssen
ohne Pause, bis mir der Rücken durchbricht.
Ich
würde lieber da bleiben und lesen. Aber das geht nicht, weil so viele Leute
mitfahren, dass ein Auto nicht reicht und beide Betreuer fahren müssen. Und
alleine darf man nicht dort bleiben. Also bleibt mir nur die Wahl entweder
mitzufahren oder Urlaub zu nehmen. Ich werde wohl mitfahren. Es gibt wirklich
schlimmeres.
Früher
in der Maßnahme 2014 fand ich Gruppenausflüge immer toll. Selbst wenn wir nur
spazieren gehen waren oder es kalt draußen waren. Aber damals gab es die nicht
so oft und es war etwas Besonderes. Heute gibt es jede Woche einen Ausflug und
es ist sozusagen Pflicht mitzufahren. Sofern man kein Urlaub nehmen will.
Dieses Gefühl, dass es wie ein Zwang ist und ich das machen muss, raubt mir ein
wenig die Freude und Motivation. Damals hat es mich nie gekümmert, wenn alle
sich fröhlich beim Spazierengehen unterhalten und ich schweigend hinterhergehe.
Inzwischen macht es mich traurig.
Wahrscheinlich
bin ich zurzeit so lustlos und bedrückt, weil ich mich so auf mich alleine
gestellt fühle. Vor ungefähr zwei Wochen ist eine neue Teilnehmerin in die
Gruppe gekommen, und die wurde direkt aufgenommen und so behandelt, als wäre
sie schon jahrelang dort. Sie lacht und redet mit anderen und geht mit den
Rauchern rauchen, und dabei verhalten die sich, als hätte es vorher nie etwas
anderes gegeben. Als wären sie schon lange befreundet.
Ich
dagegen bin immer noch der Stille Außenseiter. Nur die wenigsten sprechen mich
kurz an. Aber ich kann das verstehen. Ich mag auch keine Menschen ansprechen
die nur still dasitzen und nie etwas sagen. Es ist viel leichter mit Menschen
in Kontakt zu treten, die offen und redegewandt sind.
Vergangene Nacht habe ich mal wieder von
Achterbahnen geträumt. Und sowas träume ich ständig.
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