Samstag, 14. April 2018

Tamsin plant ein Treffen

 
Tamsin ist hungrig. Sie hat großen Hunger. Dabei ist es erst… halb zehn. Laut Uhr darf sie noch nichts kochen. Es wäre nicht verboten, aber ihre Mom und alle anderen Menschen meinen immer: „Mittag gibt es erst um zwölf! Zum Frühstück isst man Brot!“
Tamsin hatte ein Brötchen und einen Kaffee. Sie schert sich nicht darum, was andere sagen und ob sie mit dem Kopf schütteln, wenn sie sich jetzt schon Nudeln kocht. Warum sollte man sich das vorenthalten, wenn man doch Hunger darauf hat!? Sowas ist genauso dumm, wie, dass man nicht immer den Job haben kann, den man gerne hätte. Die Hälfte seiner Lebenszeit mit Dingen zu füllen, die man nicht mag und die andere Hälfte mit Schlafen zu verbringen – so eine Existenz wäre wertlos. Sinnlos.


Tamsin plant ein Treffen mit Dave. Auch wenn sie nicht weiß, wie er auf eine Verrückte wie sie reagieren wird und ob sich das alles überhaupt lohnt; das Überwinden der Angst und eine negative Erfahrung, die ihr Kummer bereitet, so muss sie es dennoch tun. Ansonsten würde sie sich auf ewig ärgern und sich fragen: Was hätte daraus werden können? Hätte ich glücklich werden können? Das würde sie sonst nie erfahren, wenn sie es nie versucht. „Wenn ich eines Tages mit Don in einer Badewanne sitze oder mich zum FKK-Strand hinschleppen lassen, weil er so gerne nackte Haut ansieht - jeden Abend fragt er, wann er mir einen Badeanzug schenken darf, damit ich mit ihm in eine Schwimmhalle gehe-, würde ich mir sehnsüchtig vorstellen, wie schön es doch wäre, mit Dave Ausflüge zu machen, Achterbahn zu fahren oder bei Wacken zu zelten.“ Geht das Treffen schief, ist der Gedanke, etwas viel Schöneres als Nacktbaden zu verpassen, wenigstens fort und Tamsin weiß, dass Don ihr Schicksal ist. Der einzige Mann auf dieser Welt, der sie lieben kann. „Diese Lektion muss ich lernen.“
Don mag keine Achterbahnen, weil sein Rücken das nicht mitmacht. Er würde auch zelten, aber dann in einem selbstgebauten Zelt, das billiger ist und wo unten Käfer durchkommen, weil es keinen Reisverschluss hat. Er ist auch ein bisschen wirr im Kopf, wie Tamsin und war schon in einigen Kliniken. Bei ihm müsste Tamsin sich keine Sorgen wegen ihrer eigenen Probleme machen. Er versteht es.

Nunja…

Ihre Eltern nerven. Sie wollten mit Tamsin wegfahren, so wie jedes Wochenende. Wenn kein Flohmarkt ist, ist es jedoch langweilig. Es sind immer dieselben Orte. City Park. Lübeck. Immer dieselben Läden. „Komm doch mit, was willst du den ganzen Tag in deiner Bude hocken? Du langweilst dich ja doch nur.“, meinte ihr Dad. Tamsin weiß: Er ist derjenige, der sich langweilt.
Als Ausrede, damit ihre Eltern Ruhe geben und Tamsin Zeit für sich bekommt, behauptet sie, einen Kuchen backen zu wollen. Ihre Mom hatte ihr letzte Woche einen Fertigteich mitgebracht. Zudem lügt sie: „Ich will danach noch alleine einkaufen.“ Damit sie wissen, dass Tamsin keine Zeit hat, und nicht so einen Überraschungsbesuch starten. Ihr Dad wäre wenig begeistert, würde er an die Hintertür klopfen, reingucken und sie mit einem Fremden erwischen.
Bei den Gedanken an die vielen Fragen und die Kommentare wird ihr übel. „Der nutzt dich nur aus. Der wird dich Vergewaltigen. Ich habe dich gewarnt. Du wirst schon sehen! Und versteck bloß dein Geld, wenn der da ist!“, würde er in solchen Situationen meinen. Tamsin hasst es, sich über ihr Leben zu rechtfertigen und nichts tun zu können, ohne dass ihre Eltern ihre Finger im Spiel haben. Sie halten Tamsin für Naiv und Dumm, und wollen sie behüten. Beherrschen… Damit ihr ja nichts Böses geschieht. „Ihnen wäre es wohl lieber, dass ich das Leben allein verbringe, als dass ich von einem Mann verletzt werde.“

„Wenn ich mich nicht mit ihm treffe, kann er mich auch nicht verletzen.“, weiß Tamsin. Anderenfalls hat er dann auch nicht die Chance, gut zu Tamsin zu sein und sie glücklich zu machen.

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