Tamsin
ist hungrig. Sie hat großen Hunger. Dabei ist es erst… halb zehn. Laut Uhr darf
sie noch nichts kochen. Es wäre nicht verboten, aber ihre Mom und alle anderen
Menschen meinen immer: „Mittag gibt es erst um zwölf! Zum Frühstück isst man
Brot!“
Tamsin
hatte ein Brötchen und einen Kaffee. Sie schert sich nicht darum, was andere sagen
und ob sie mit dem Kopf schütteln, wenn sie sich jetzt schon Nudeln kocht. Warum
sollte man sich das vorenthalten, wenn man doch Hunger darauf hat!? Sowas ist
genauso dumm, wie, dass man nicht immer den Job haben kann, den man gerne hätte.
Die Hälfte seiner Lebenszeit mit Dingen zu füllen, die man nicht mag und die
andere Hälfte mit Schlafen zu verbringen – so eine Existenz wäre wertlos. Sinnlos.
Tamsin
plant ein Treffen mit Dave. Auch wenn sie nicht weiß, wie er auf eine Verrückte
wie sie reagieren wird und ob sich das alles überhaupt lohnt; das Überwinden
der Angst und eine negative Erfahrung, die ihr Kummer bereitet, so muss sie es
dennoch tun. Ansonsten würde sie sich auf ewig ärgern und sich fragen: Was
hätte daraus werden können? Hätte ich glücklich werden können? Das würde sie
sonst nie erfahren, wenn sie es nie versucht. „Wenn ich eines Tages mit Don in
einer Badewanne sitze oder mich zum FKK-Strand hinschleppen lassen, weil er so
gerne nackte Haut ansieht - jeden Abend fragt er, wann er mir einen Badeanzug
schenken darf, damit ich mit ihm in eine Schwimmhalle gehe-, würde ich mir
sehnsüchtig vorstellen, wie schön es doch wäre, mit Dave Ausflüge zu machen,
Achterbahn zu fahren oder bei Wacken zu zelten.“ Geht das Treffen schief, ist
der Gedanke, etwas viel Schöneres als Nacktbaden zu verpassen, wenigstens fort und
Tamsin weiß, dass Don ihr Schicksal ist. Der einzige Mann auf dieser Welt, der
sie lieben kann. „Diese Lektion muss ich lernen.“
Don
mag keine Achterbahnen, weil sein Rücken das nicht mitmacht. Er würde auch
zelten, aber dann in einem selbstgebauten Zelt, das billiger ist und wo unten
Käfer durchkommen, weil es keinen Reisverschluss hat. Er ist auch ein bisschen
wirr im Kopf, wie Tamsin und war schon in einigen Kliniken. Bei ihm müsste
Tamsin sich keine Sorgen wegen ihrer eigenen Probleme machen. Er versteht es.
Nunja…
Ihre
Eltern nerven. Sie wollten mit Tamsin wegfahren, so wie jedes Wochenende. Wenn
kein Flohmarkt ist, ist es jedoch langweilig. Es sind immer dieselben Orte.
City Park. Lübeck. Immer dieselben Läden. „Komm doch mit, was willst du den
ganzen Tag in deiner Bude hocken? Du langweilst dich ja doch nur.“, meinte ihr
Dad. Tamsin weiß: Er ist derjenige, der sich langweilt.
Als
Ausrede, damit ihre Eltern Ruhe geben und Tamsin Zeit für sich bekommt,
behauptet sie, einen Kuchen backen zu wollen. Ihre Mom hatte ihr letzte Woche einen
Fertigteich mitgebracht. Zudem lügt sie: „Ich will danach noch alleine
einkaufen.“ Damit sie wissen, dass Tamsin keine Zeit hat, und nicht so einen
Überraschungsbesuch starten. Ihr Dad wäre wenig begeistert, würde er an die
Hintertür klopfen, reingucken und sie mit einem Fremden erwischen.
Bei
den Gedanken an die vielen Fragen und die Kommentare wird ihr übel. „Der nutzt
dich nur aus. Der wird dich Vergewaltigen. Ich habe dich gewarnt. Du wirst schon
sehen! Und versteck bloß dein Geld, wenn der da ist!“, würde er in solchen
Situationen meinen. Tamsin hasst es, sich über ihr Leben zu rechtfertigen und nichts
tun zu können, ohne dass ihre Eltern ihre Finger im Spiel haben. Sie halten
Tamsin für Naiv und Dumm, und wollen sie behüten. Beherrschen… Damit ihr ja
nichts Böses geschieht. „Ihnen wäre es wohl lieber, dass ich das Leben allein
verbringe, als dass ich von einem Mann verletzt werde.“
„Wenn
ich mich nicht mit ihm treffe, kann er mich auch nicht verletzen.“, weiß
Tamsin. Anderenfalls hat er dann auch nicht die Chance, gut zu Tamsin zu sein
und sie glücklich zu machen.
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