Dienstag, 17. April 2018

Ein düsterer HWI Tag


Heute ist Dienstag. Und das bedeutet: ein weiterer Tag in der Hauswirtschaft. Frida ist nicht mehr da. Sie hat einen Job bekommen als Reinigungskraft in einem Hotel. Alle freuen sich für Sie. Doch Tamsin weiß, dass sie keinen Grund zur Freude hat. Denn wie erwartet ist sie nun diejenige, die die Toiletten putzen darf.
Na ja, durch den frühen Wechsel in den Hauswirtschaftsbereich blieb es ihr erspart, auf die Teilzeit Leute zu warten, die immer erst später kommen und früher gehen. “Da wir immer zusammen anfangen müssen wird eben auf die gewartet, ganz gleich wie ungerecht es ist, dass wir pünktlich um 8 Uhr da sein müssen und die anderen erst um 8:30 Uhr oder 9 Uhr, weil sie eine Teilzeitregelung haben.“

„Ich tue ja immer, was man mir sagt. Ich habe die WCs geputzt. Eine nach der anderen, zusammen mit der Putzfrau, die mir noch einige Anweisungen gegeben hat. Zwischendurch gab es auch einige kurze Sitzpausen, aber die haben die Freude auch nicht gesteigert. Denn nach der Toilettenrunde musste ich den Flur fegen. Ein sehr langer Flur mit vielen Abzweigungen. Das war gar nicht so übel, denn so konnte ich mit meinen düsteren Gedanken alleine sein. Der Flur war leer und ruhig. Doch als ich damit fertig war, fühlte ich, wie Rückenschmerzen mir den Tag zu vermiesen drohten. Und meinen Füßen ging es auch nicht gerade gut. Da kam die Aufgabe, das Haus von Spinnweben zu reinigen, gerade richtig. Denn auch hier durfte ich alleine unterwegs sein. Dies habe ich natürlich schamlos ausgenutzt. Sobald ich im Keller angekommen war, wo die Spinte und Umkleideräume von den Schülern sind, habe ich mich auf eine Bank abgesetzt und erst am einmal meinen Rücken entlastet. Es war angenehm. Die Zeit verging wie im Fluge. Ich saß da, alleine, ganz alleine in diesem dunklen Keller und habe mich ausgeruht. Natürlich habe ich auch meine Arbeit erledigt und sämtliche Spinnenweben entfernt. Dies war schnell getan, doch ich wusste, dass es mit den offiziell erlaubten Sitzen noch dauern würde, und so habe ich die freie unbeobachtete Arbeitszeit so lange ausgenutzt, bis ich den Ruf der Putzfrau vernahm, die zu mir in den Keller kam, um zu schauen ob ich schon fertig bin.  Da es meinem Rücken nach diesen ungefähr 20 Minuten schon wieder besserging, bin ich aufgestanden und ihr entgegengekommen. Eigentlich wollte sie den Flur wischen, weil ich ja gefegt habe, aber, weil die Waschmaschine kaputt ist und sie bei der Reparatur dabei sein wollte, hat sie mich gebeten, dies zu erledigen. Das tat ich. Wenn auch ich nicht begeistert von dem uralten Wischmop war. Es war nämlich so einer, wo man diesen nassen Wischmop* jedes Mal vom Wischer lösen müsste, um ihn wieder nass zu machen und dann in dieser Hebelung über dem Eimer auszuwringen. Auf dieses Spielchen hatte ich keine Lust. Also habe ich ihn soweit es ging in den Eimer gesteckt, umgedreht, die andere Seite in den Eimer gesteckt und dann weiter gewischt. Ihn jedes Mal an- und abzustecken, das ist doch blöd. Damit niemand sieht, wie ich mich aus der Affäre ziehe, habe ich den Eimer immer in eine Nische geschoben und mich umgesehen, ob auch niemals herschaut, bevor ich den Wischer auf weniger umständliche Weise befeuchtet habe. Er war dann nass. Nur das zählt. Außerdem muss ich zugeben, dass ich es eklig finde, das dreckige Ding ständig mit der Hand anzufassen. Auf Sorgsamkeit in den Ecken habe ich nicht geachtet, aber das schien der Putzfrau, die plötzlich direkt hinter mir stand, auch nicht sonderlich zu kümmern. Was mich jedoch überhaupt nicht begeistert, ist, dass ich das Haus putzen musste während der Rest der Gruppe Spaß hatte. Kam ich an der Tür unseres Gruppenraumes vorbei, habe ich die anderen lachen gehört. Sie hatten gerade mit einer Sozialpädagogin Unterricht. Als ich gegen Mittag, kurz vorm Ende meiner Schicht noch einmal dort vorbeikam, habe ich sie beim Kartenspielen gesehen. Diese Ungerechtigkeit brach mir das Herz. Ich durfte keinen Spaß haben, ich musste tun was ich hasste und dabei Schmerzen ertragen. Weil ich spürte, wie Tränen mir in die Augen stiegen, habe ich mich auf der Toilette eingeschlossen. Dort habe ich meiner Trauer freien Lauf gelassen. Und über die Ungerechtigkeit nachgedacht. Ich habe es genossen auf der Toilette zu sitzen, denn ich musste einfach sitzen, um die Schmerzen loszuwerden. Frau Ti hat beim Gehen durch den Flur bei einem Gespräch mit einem Kollegen erwähnt, dass unsere Gruppe, sobald die Teilzeit-Leute weg sind, noch einen Spaziergang machen wird. Die Vorstellung, nach den vielen stehen und bücken auch noch einen schmerzhaften 4Km langen Marsch durch die Stadt zu bewältigen, erschien mir wie der reinste Wahnsinn. Ich konnte nicht mehr. Und die Tränen flossen weiter. Ich wollte nicht, dass andere nicht weinen sehen. Und ich wollte auch nichts mehr tun, wo man weiterhin stehen oder gehen muss. Plötzlich habe ich mich gar nicht mehr getraut die Toilette zu verlassen. Ich wusste, ich würde wieder anfangen zu weinen, wenn ich zu meiner Gruppe komme und sie beim Kartenspielen sehe oder gefragt werde, ob ich mitspielen möchte. Etwas später…. Irgendwann musste ich ja da raus. Meine Gruppe hat gerade Pause gemacht. Niemand war dort, im Raum. Frau Ti, die alleine dort war, hat meine roten Augen jedoch erkannt. Ich wollte nicht mit ihr reden, weil ich wusste, dass es sinnlos ist. Ich habe mich dann doch dazu breitschlagen lassen und wie erwartet kam nicht viel Positives für mich dabei heraus. Ich habe erzählt, dass das viele stehen und bücken vor den Toiletten mir Rückenschmerzen bereitet. Und auch, dass ich eine Teilzeitausbildung oder Arbeit bevorzuge. Daraufhin meinte sie, dass ich mir das abschminken könne. Hier oben im Norden wo es nur Dörfer und Bauernhöfe gibt, werde ich keinen Betrieb finden, der mich in der Teilzeitausbildung Unterstützt. Stattdessen soll ich lieber an mir arbeiten, fitter werden und lernen, mich an den Schmerz zu gewöhnen, damit ich Vollzeit arbeiten oder die Ausbildung in Vollzeit schaffen kann. Entweder das oder ich muss in eine Großstadt ziehen, in der viele moderne Betriebe auch solche Teilzeitbeschäftigungen anbieten. >>Vollzeit ist normal und ja, das gehört sich so. Und wenn ich erst einmal lernen länger aufzubleiben und nicht mehr so müde bin werde ich das auch schaffen.<< Das meinte sie. Es ist genauso wie 2007. Da haben die JOBB Leute auch immer gesagt, ich gewöhne mich dran und alles Leid ist meine eigene Schuld, weil ich es angeblich nicht wollen würde.“

„Heute an diesem wunderschönen frühlingshaften Frühsommer Tag war wieder etwas früher Feierabend und ich war um 15 Uhr zu Hause. Gerne wäre ich noch einkaufen gegangen, aber da meine Füße so sehr weh taten, wollte ich einfach nur noch sitzen. Ich habe mir ein schnelles Nudelgericht zubereitet und mich vor den Fernseher ausgeruht. Danach war es ungefähr 17 Uhr. Ich habe neue Kraft gefühlt und mich entschlossen noch ein paar Blumentöpfe vorzubereiten, um da demnächst Zirkus und eine Mimose einzupflanzen. Die Samen habe ich bei Amazon bestellt. Die sind schon da. Eine halbe Stunde später war ich jedoch schon wieder müde und froh, mich in mein Bett legen zu können.“

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