Als
Tamsins Bus heute früh ankam und sie noch 15 Min. auf den Anschlussbus warten
musste, hat es geregnet. Naja, genieselt. Kurz nach dem Aussteigen überlegt
Tamsin, ins überdachte Haltestellenhäuschen zu gehen, da vernimmt sie das unverkennbare
Klicken eines Feuerzeuges. Ihre Kollegin, die dort ebenfalls wartet, steckt
sich gerade eine Kippe an. Obwohl Tamsin zehn Meter entfernt stehe, schlug ihr
der Rauch wie ein Faustschlag ins Gesicht. Ununterbrochen.
Nach
einer Weile hört der Regen auf. Im spiegelnden Fenster des Busses, in dem der
Fahrer gerade Frühstückt, beobachtet Tamsin die umstehenden Leute. Einige sind
am Kiffen, so eifrig, als bereitet es ihnen große Freude, ihre Lungen zu
malträtieren. Andere starren wie hypnotisierte Zombies auf ihre Smartphones. Kaum
jemand sagt was.
Vergangenen Freitag wurde beschlossen,
dass Tamsins Gruppe an ihrem Vollkorn-Plakat weiterarbeiten sollte. Heute, Montag,
hieß es dann: Küche! „Tamsin, du gehst
mit in die Küche!“ Es sind wenig Leute da und jemand muss das Essen machen!
Tamsin hatte einst vor ihrer starken
Abneigung davon erzählt. Daher durfte sie in den Verkaufsbereich. Es war ja
nicht so als ob die Jugendlichen ohne ihre Unterstützung hätten hungern
müssen. „Dafür muss ich dann morgen...“
Das Einräumen der Getränke in die
Warenausgabe empfand Tamsin sogar als... angenehm. Aber vielleicht lag dieses
Hochgefühl auch nur daran, der Küche entkommen zu sein!?
Das lange Stehen und zuschauen, wie der
Kassiervorgang ablief, war schon anstrengender. Kurzerhand haben sich alle auf
die Fensterbank gesetzt.
Danach sollte der Speisesaal
saubergemacht werden. Da niemand Tamsin gesagt hat, was sie genau tun sollte
und sie keine Motivation hatte – Ey, die wissen, dass diese Bereiche nichts für
mich sind. Warum werde ich dennoch reingesteckt!? - überlegte sie kurz, ging
dann auf Klo und als sie wiederkam, waren die Leute wieder wo anders. Egal.
Trotzig setzt Tamsin sich in den Gruppenraum und wartet. Entspannt ihren Körper
ein wenig.
Zwei Stunden wurde sich dann noch über
diverse Verkaufs-Themen unterhalten. Tamsin hat keine Wahl, außer gelangweilt
zuzuhören. Sie späht zu dem Plakat, wo am Anfang jeder Teilnehmer Wünsche und
Ziele aufgeschrieben hatte. Motivation. Sinnvolle Nutzung der Zeit. Freude. Was
ihr damals Hoffnung gab, erscheint ihr nun wie eine reine Lüge, denn nichts von
dem trifft zu.
Außerdem spürt Tamsin, wie die
Gleichgültigkeit an ihr nagt. Gerne ist sie hilfsbereit und bemüht, ihre Ängste
zu bezwingen und mit den Menschen zu reden, doch all dies ist ihr plötzlich
egal. „Ich will nicht, dass es so ist, aber ich kann es nicht kontrollieren.“
Da wieder nicht auf die Buszeiten
geachtet wurde bzw. nicht gesagt wurde, wann die „Vollzeitler“ denn heute
Schluss hätten – an der Tafel stand: Ende um 16:30 -, muss Tamsin den zweiten
Bus an der entfetten Haltestelle nehmen. Tamsin war unzufrieden, da dieser
Marsch Zeit kostet, wenn auch sie Zeit spart, da es letztlich dennoch zehn
Minuten schneller geht, als würde sie in JOBB auf den nächsten „nahen“ Bus
warten. Wie JOBB-Typisch erntete sie direkt wieder einen Standartspruch: „Du
bist noch keine 80, du kannst laufen!“
Frustriert macht Tamsin sich auf den
Weg. „In der alten Maßnahme wurde immer schon früh am Morgen nach den Bussen
geschaut, damit jeder seinen rechtzeitig bekam. Hier wird irgendwann im Laufe
des Nachmittags auf die Uhr geschaut und beschlossen, dass es für heute genug
ist, und gefragt: wann kommt euer nächster Bus, wer weiß das?“ Und oft ist der
dann vor wenigen Minuten abgefahren. Dem anderen Mädchen, dass mit ihr da ist,
macht das alles nichts aus. Bietet an, bis zum Abend zu bleiben und dann noch
den längeren Weg zu laufen. Naja, aber die sitzt ja auch nicht nur teilnahmslos
und demotiviert daneben und muss anderen zuhören, so wie Tamsin.
Hier traut Tamsin sich nicht am frühen
Morgen eine Auskunft nach der Feierabendzeit zu erbitten. Zum einen will sie
nicht unhöflich wirken, wie so ein Faulpelz, der kaum, dass er da ist, schon
nach Feierabend fragt. Zum anderen scheint diese Frage auch niemand wirklich
beantworten zu können... wollen.
Ihre Eltern kommen ihr auf halben Wege
entgegen. Es war schon spät, im Gebäude war kein Empfang, sodass Tamsin nicht
erreichbar war und sie hatten sich Sorgen gemacht.
Tamsin hat keinen Hunger, zwingt sich aber einen Chickenburger rein.
Morgen muss sie in die Küche. Sie überlegt sich hinzulegen. Schlafen... „Aber
sobald ich einschlafe, ist morgen.“ Tränen brennen in ihren Augen. Wird sie den
Großküchen je entkommen können? „Es ist wie ein Boomerang, der immer wieder zu
mir zu zurückkommt, mich mit voller Härte trifft und mich damit jedes Mal ein
Stücken tiefer in den Abgrund rammt.“
Vielleicht ist es Schicksal. Vielleicht soll es so
sein. Vielleicht muss Tamsin diese „Prüfung“ durchstehen, bevor das angenehme
Leben kommen kann?
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