Samstag, 27. Mai 2017

Das verlängerte Wochenende

25.5

Das verlängerte Wochenende

Vatertag
Dies war wieder einmal so ein üblicher Pleitentag. Mit ihren Eltern wollte Tamsin zu einem Flohmarkt. Ihr Dad hatte davon im Internet gelesen. Also machten sie sich auf den Weg. Fast 2 Stunden Fahrt – für nichts. Denn dort war gar kein Flohmarkt. Also fuhren sie wieder heim, denn ihr Dad traut sich nicht, in Kiel reinzufahren – nicht ohne Navi und eine Zieladresse. „Wie öde.“

Kommt der Sommer, kommen auch die Spinnen. Tamsin ist nicht erfreut. Die Spinnenweben ließen sich wie Zuckerwatte über dem Federbüschl aufdrehen.

Der Samstag begann wie ein Traum-Sommertag. Windstill, warm, sonnig. Gestern haben, wie auch letzten Freitag, Tamsins Ohren wieder gejuckt. Sie wollte zum HNO, doch keiner hatte mehr auf, als ihre Mom von der Arbeit kam und sie bereit waren, mit dem Auto in die nächste Stadt zu fahren. Der HNO in Tamsins Nähe taugt nichts. Meinte einst, die Ohren seien nur trocken, während ein anderer prompt etwas viel Ernsteres ausfindig gemacht hat. Nun, heute war das Jucken wieder weg. „Seltsam.“

Tamsin sucht derweil immer noch. Einen Laptop, eine Wohnung… Eine Frau aus der Maßnahme meinte einst, wenn Tamsin keine Wohnung am Stadtrand nehmen will, kann es auch nicht so dringend sein. Das ärgert Tamsin, die sich in der Abgeschiedenheit, fernab aller Geschäfte und dem richtigen Leben, wie abgeschoben fühlen würde. Tamsin muss kein Auto haben. Nicht zwingend. Eine Wohnung in der Stadt, in der Nähe ihrer zukünftigen Arbeitsstelle, alle Geschäfte und Ärzte in Reichweite… Das wäre perfekt. Kein Auto zu haben spart Geld, und weniger Geld haben zu müssen bedeutet, weniger Arbeiten zu brauchen, was ihre alte Angst von einem erschöpften Vollzeitjobleben voller Zeitdruck, ausgelöst von JOBB 2007, ein wenig mindert.

Mit ihren Eltern war sie zum Strand, Bratnudeln essen. Zwar schmecken die dort immer noch wie im letzten Jahr, aber Tamsins Verlangen danach ist nicht mehr so groß. „Wenn man so am Strand entlanggeht, in die kleinen Strandläden schaut und sich ans Wasser setzt, fühlt man sich beinahe schon, wie im Urlaub.“ Auch wenn’s nur wenige Stunden andauerte.
Danach ging es an einen anderen Strand zum Eis essen. Tamsin mag kein italienisches Eis, weil dies so wässerig und geschmacklos ist. Also muss man schon mal den Ort wechseln, damit den hohen Ansprüchen des guten Geschmacks genüge getan wird. Obwohl Tamsin die Zeit genossen hat; aufs Meer zu schauen, Segelschiffe zu beobachten und die Reichen in ihren Schnellbooten zu beneiden, verspürte sie den Rest des Tages eine ungewöhnliche Müdigkeit.
Gegen Abend wurde die Hitze schier unerträglich. Jedoch nicht so unerträglich wie das Winterwetter. Egal wie heiß es sein mag, den Winter wünscht sie sich niemals zurück.

Sonntag hatte Tamsin einen grauenhaften Traum. „Ich war 50 und habe alles was ich habe an die Verwandten verschenkt. Antike Möbel, Knuddels-channel. Dann hatte ich nichts mehr und habe erkannt, dass Großzügigkeit sinnlos ist, wenn nur andere sich freuen und man selbst nichts mehr hat. Dann wollte ich alles zurück, doch das ging nicht. Es wäre gestohlen.“ Der Traum sagte aus: Tamsin vermisst, was sie einst hatte und will es zurück. Nichts ist für immer und es gibt immer etwas, dass man eines Tages vermissen wird. Alte Zeiten. Schulfreunde. Das gemeinsame SNES-Spielen. Rumalbern. Jahrmärkte.

Mit der zielstrebigen Suche nach einer Camera begibt Tamsin sich auch heute wieder auf die üblichen Flohmärkte. Zunächst entdeckte sie besagte Camera, doch das übliche Akku-Problem scheint unausweichlich. Der Akku war leer, und die Dame betonte mehrfach, das gerät wäre noch funktionsfähig. Das Lächeln alter Damen kann trügerisch sein, und Tamsin ist skeptisch. 50€ für Elektroschrott ausgeben? Gerade jetzt, wo sie für einen neuen Laptop spart? „Nein!“ Die Suche geht weiter. „Verdammt!“

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