Dienstag, 2. Mai 2017

Gedankenwelt - Mythenwelt


Vieles ändert sich. Entwickelt sich weiter. Altes wird verbessert, erneuert, verschönert. Leider entwickeln sich die Vorzüge der Moderne sich nicht immer zum Positiven. Nehmen wir die Mythenwelt.
Als Tamsin als Kind das erste Mal von Vampiren erfuhr, waren diese unheimliche Wesen mit bleichen Gesichtern, die auf Friedhöfen hausten, in Särgen schliefen und Fliegen konnten. Die Sonne war ihr Feind. Achja, und sie tranken Blut. In vielen früheren Filmen blieb diese Vorstellung unverändert.
Dann wurde die Welt modern und wie alles andere veränderten sich auch die Vampire: Plötzlich lebten sie in Häusern. Mitten unter uns. Anstatt vornehmer Anzüge oder magischer Umhänge trugen sie moderne Kleidung. Wie wir. Folglich konnten sie auch nicht mehr fliegen. Särge wurden überflüssig, weil das Sonnenlicht ihnen plötzlich nichts mehr ausmachte. Die Vorstellung des Vampirs veränderte sich drastisch. Irgendwann erreichte sie einen Punkt, da wurden sie plötzlich vegetarisch. Vegetarisch galt als cool und gesund! Anstelle von Blut stand von da an entweder ein synthetisch hergestellter Ersatz oder einfach normales Essen, Brot, Saft auf dem Speiseplan. Einige Horror-Filme haben den Vampir so stark verharmlost, dass sogar einige Uralte Kinderfilme noch gruseliger wirken. Vampire verfallen im Sonnenschein nicht qualvoll zu Staub, nein, sie glitzern. Wie eine Fee.
Das Traurige ist, dass dieses Bild eines Vampirs der Masse sehr zu gefallen scheint. Sucht man einen Vampirfilm, um sich mal den öden Abend zu versüßen, und erwartet man in diesem Film unheimliche Gestalten in Särgen mit finsterem Blick, tja, dann kann man lange suchen!
Die Suche ist zwar nicht unmöglich, denn selbst in dieser Zeit kann man sie noch finden, jedoch darf man sich nicht mehr wundern, wenn man den Player startet und plötzlich etwas zu sehen bekommt, dass an ein Familiendrama des Nachmittagsprogrammes von RTL erinnert. Wo die Vampire anstatt mit rotäugigen Fledermäusen oder dunklen Mächten gegen das Gute Kämpfen, nun gegen die Politik und für das Recht kämpfen, mit Tomatensaft ein Teil der menschlichen Gesellschaft sein zu dürfen.

Genauso ergeht es auch den übrigen Mythenwesen. Werwölfe verwandeln sich nicht mehr in grausame Bestien mit scharfen Klauen, sondern in... Wölfe. In schlimmen Fällen sogar in niedliche Hunde.
Sicher, sie sind immer noch mit den Vampiren verfeindet, wenn sie jedoch Kämpfen - Ein Kerl mit dem Aussehen eines Unterwäsche-Models in schickem Anzug kämpft gegen einen übergroßen Hund - fehlt einfach das gewisse Etwas.
Menschen, die von Hunden angegriffen werden, naja, so etwas hört und sieht überall. In den Nachrichten, in der Zeitung...

Tamsin vermutet, dass ihre Meinung über moderne Mythenwesen so negativ ausfällt, weil die früheren Vorstellungen ihre Ansprüche zu sehr in den Himmel heben. Anstatt spannender, gruseliger zu werden, werden viele Details, die frühere Filme so besonders gemacht haben, entfernt. Schaltet man den Fernseher ein und denkt, ah, ein Familiendrama… und stellt plötzlich fest, dass es sich um einen Vampirfilm handelt, kann die schon verstörend sein.



Beinahe ist es lächerlich, wenn die Hölle ein Büro mit weißen Wänden und der Teufel, der Chef, in einem Drehstuhl sitzt. Allerdings ist Tamsin nicht verwundert, wenn sich die moderne, bürokratische Welt die Hölle so vorstellt.

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