Freitag, 5. Mai 2017

Freitag – ein Tag in der Großküche

Tamsin versucht sich von den immer widerkehrenden Zwangsgedanken bezüglich JobB abzulenken, indem sie zwanghaft an etwas Anderes denkt. „Mein Office macht mich fertig.“ Mit ihrem Acer PC hat sie nur ärger. Zu Anfang dachte sie, es länge an irgendwelchen Acer AddIns. Sie hat sie deaktiviert, entfernt, andere Office Versionen probiert. Hat so viel versucht. Nach ihrem Systemcrash war alles Überflüssige Weg, und dennoch stürzt Office beim Schreiben ständig ab!

Heute früh ist Tamsin mit Wimpern im Auge aufgewacht. „Man, ist das lästig, wenn man ins Bad jetzt und dann nicht einmal in den Spiegel schauen kann, um es herauszuholen, weil sich die Augen erst an das Licht gewöhnen müssen.“

Tamsin hat schon seit einer Woche nicht mehr an ihrem Roman gearbeitet. Eine ungewöhnlich lange Auszeit. „Mir kommen einfach keine Ideen.“ Ihr Kopf ist leer. Ihr Leben fühlt sich gehetzt an.

Obwohl heute Freitag ist, ist jeder ein Narr, der ein sanftes Ausklingen der Woche erwartet. Denn heute war die Gruppe nur zu dritt. Viele waren Krank. Doch es lagen Einkäufe im Kühlschrank, die verarbeitet zu werden verlangten. Darum wurde beschlossen, dass Tamsin mit den anderen zwei in die Küche geht. Unzufrieden beugt sie sich der Anweisung. Sie sieht ein, dass man auch mal für kranke Kollegen einspringen muss, und im Grunde verging die Zeit auch recht schnell.

Angefangen hatte es mit dem Erhalt der Arbeitskleidung. Weißes Oberteil, Hose, Schürze, Haarband, Schuhe und Mütze. Während die zwei anderen sich umzogen, hat Tamsin versucht, einen Termin bei einem Psychologen zu bekommen. Was nicht so ganz geklappt hat. „Überall landet man auf einer Warteliste, was manchmal bis zu zwei Jahre dauern kann.“ Zeit, die Tamsin nicht übrighat. Anschließend trottete sie missmutig zur Kleiderausgabe. Wartet, bis jemand kommt. Trottet mit dem Zeug in den Keller, wo die Umkleiden sind. Wie zu erwarten waren die Teile, die ihr ausgehändigt wurden, viiiiiel zu klein. „Außerdem bekam ich zwei linke Schuhe!“ Sie spürt, wie ihr Stresspegel steigt. Mürrisch zieht sie sich wieder an - gerade noch rechtzeitig, da die Tür nicht zu war und einer der Anleiter dort vorbeikam. Sofort bekommt sie neue Kleidung. „Ich wusste, dass die anderen bereits in der Küche anfingen, habe mich aber nicht abgehetzt.“ Der Keller gefiel ihr. Ein kleines Labyrinth aus dunklen Gängen, Spinten und Umkleideräumen. Neugierig wagt sie sich ein wenig vor, bis sie plötzlich ein Geräusch hört und wieder umkehrt, um sich umzuziehen. Obwohl sie diese komplette Küchenmontur für das bisschen Muffin-Backen ein wenig übertrieben findet, ist es doch anerkennend, dass Sauberkeit dort eine so große Rolle spielt. „Dies dezimiert die Wahrscheinlichkeit, Haare im Essen zu finden.“
Der folgende Küchentag erwies sich weniger Erfreulich, als erwartet. Insgeheim hatte Tamsin gehofft, den Smoothie, dessen Rezept sie selbst rausgesucht hatte, machen zu können. Doch als sie eintraf war dieser längst fertig. Tamsin steht nicht so auf Teamarbeit, und ihre Ängste hindern sie, zu fragen, was sie denn nun tun so. Folglich wartet sie auf Anweisungen, während die anderen beiden Damen in harmonischer Zusammenarbeit den Teig anrühren. Sie lachen und es macht ihnen sichtlich Spaß. Für Tamsin ist da kein Platz. Unsicher verharrt sie im Abseits. „Ich durfte dann die Kekse aufs Blech packen und den Smoothie in Gläser füllen.“ Letztlich überrascht sie das nicht. Küchenarbeit ist eben nichts für sie. Immer kommen ihr die öden Hilfs-Aufgaben zu gute; mal etwas kleinschneiden, wegräumen oder zugucken.
Als wolle das Schicksal ihre miese Stimmung zunehmend anheizen, wird Tamsin prompt zum Abwasch dirigiert. Fein, sie würde nach Handschuhen fragen. Gäbe es keine, so nahm sie sich vor, alles zu tun was nötig wäre, um für ihren freien Willen und die Akzeptanz ihrer Abneigung zu kämpfen!
Diese Sorge erledigte sich dann von selbst. Wie bereits in ihrer alten Maßnahme 2007 gab es einen Geschirrspüler. Das Geschirr wurde in blaue Kisten gepackt und dann hineingefahren. „Es ist ein seltsames Gefühl, in derselben Maßnahme wieder an genau derselben Maschine zu stehen, wie damals, auch wenn dies ein anderer Ort in einer anderen Stadt ist.“ Tamsin trocknet ab, bringt vereinzelnd Sachen weg, lässt der Verzweiflung und den dunklen Gedanken Einzug, während sie sich fragt, wieso es statt elender Traurigkeit nicht bittere Wut sein kann, die ihre Seele durch die Mangel dreht. Traurigkeit ist jämmerlich. Peinlich. Wut dagegen macht Stark. Gleichgültigkeit.

Später fragt Tamsin dann, ob der Küchenbereich wirklich Pflicht ist und jeder mal wechseln muss. Die verneinende Antwort beruhigt sie, und später kann sie sogar wieder lachen.



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