Der Tag begann mit
einem Gewitter. Tamsin liebt diese windstillen, düsteren Momente, in denen
kräftiger Donnerschlag den Gesang einzelner Vögel übertönt.
Je mehr man sich etwas
wünscht, desto weiter rückt es in die Ferne. Tamsin wünscht sich eine eigene
Wohnung. Dies wäre die Voraussetzung, ein eigenes Leben anzufangen. Freunde zu
finden. Einen Freund. In ihr kleines Zimmer kann sie niemanden einladen.
Mittlerweile ist sie in Chats nicht mehr sonderlich aktiv. Zudem geht es mit
dem Niveau dort immer weiter bergab. Und findet sie dort mal einen aus ihrer
Nähe, ist es so ein Perverser mit irgendwelchen Fetischen. Tamsin hatte schon
als Kind eine genaue Vorstellung von ihrem Traummann. Einen, der ein wenig
düster aussieht. Abnormal ist, wie Tamsin. Einen, der gerne Nachts um den
Friedhof spazieren geht.
Oft ist Tamsin
oberflächlich, gibt sich nicht mehr weniger zufrieden, als mit dem aus ihrer
Vorstellung. So ist es bei Möbeln. Aber sie weiß, dass sie nicht ihr ganzes
Leben damit verbringen kann, auf einen Mann zu warten, der nur in ihrer
Fantasie existiert. Je mehr sich es sich wünscht, desto mehr weichen die Kerle,
die das Schicksal ihr zukommen lässt, von ihrer Vorstellung ab. Denn mit Gier
allein erreicht man gar nichts.
Tamsin fürchtet sich
davor, eines Tages einen typischen Standarttypen zu heiraten. Einen
glatzköpfigen, lieben Kuschelbär mit Bierbauch, der gerne Sauerkraut und
Schweinefleisch isst und auf kein Fußballspiel verzichten kann. Der anstatt
Vampirfilme lieber GZSZ oder Sitcoms schaut, gerne auf Osterausstellungen geht
und es lustig findet, den Kühlschrank mit Blümchenaufklebern zu verschönern.
Vor drei Jahren hat
Tamsin einen im Chat kennengelernt. Er ist nett, romantisch, nicht
oberflächlich. Er wohnt so weit weg, dass Tamsin immer geglaubt hat, genug Zeit
zu haben eine Wohnung zu finden, bis der Zeitpunkt da ist, an dem er sie
Besuchen kommt. Diese Chatfeundschaft zerbricht nicht an der Tatsache, dass
Tamsin das treffen Monate/Jahrelang herauszögert. Allerdings sind bisher 3
Jahre vergangen! Tamsin hat oft mit ihm geschrieben, wenn auch nie sonderlich
intensiv über diverse Themen. Sie hat ihm ein Foto gezeigt und er hat sie nicht
blockiert. Tamsin hat keine Komplexe, wenn sie ihn im Videochat sieht, denn er
ist nicht der Typ, bei dem ihre Wangen
rot anlaufen. Sie weiß nicht, ob er die Art Mann ist, die gerne den ganzen Tag
mit einer Brieflache auf der Couch liegt und Sportsendungen schaut. Doch seine
Denkweise gefällt ihr. Er ist nicht pervers, oder versaut. Hat gute Manieren.
In diesem Jahr wollte er an die Ostsee kommen. Im Sommer. Tamsin wird sich noch
einige Wohngruppen anschauen, da in ihrer Stadt kein Platz frei wird, doch
angeblich wird es auch dort bis zum Herbst dauern. Und selbst wenn es früher
geht. Wie soll sie einen Mann, der von ihr nur das beste denkt, erklären, dass
sie Wohnungslos ist? In das kleine Zimmer, dass sie bekommen würde kann sie
doch keinen Besuch empfangen, denkt sie beschämt. Das macht sie traurig.
Vielleicht wird auch er irgendwann weg sein. Irgendwann, wenn Tamsin frei und
bereit für das wahre leben ist... „Hmmmm....“
Tamsin sucht nach
einer neuen Handytasche. Am Preis scheitert es nicht. Doch die Auswahl ist
gleichzeitig riesig und gering. Bei Amazon gibt es so viele, in so vielen
Farben von so vielen verschiedenen, billigen Anbietern... Nur für Tamsin ist
nichts dabei. „Die Motive sind voll öde! Schmetterlinge, Blumen, Herzen.
Überall. Das ist so typisch Mainstream.“
Tamsin sucht etwas besonderes... mit Augen. Oder Vampiren. Oder Zähnen.
Oder Monstern. Mürrisch beäugt sie eine mit Babykatzen drauf. Dann wäre da noch
eine Goldene. Mit Schmetterlingen. Und
eine Rote. Mit Schmetterlingen! „Verflucht seien diese elenden Schmetterlinge!“
Tamsin überlegt. Einfarbig, oder mit
Schmetterlingen? Oder ein paar banale Streifen!?
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