Dieser Tag begann für Tamsin wenig
erfreulich. Aus einem ihr unbekannten Grund hatte der Busfahrer versäumt, die
Tür zu öffnen, um Tamsin an ihrer Haltestelle an ihrer neuen Arbeitsstelle
rauszulassen. Er hielt zwar, um neue Fahrgäste einzulassen. Er hielt, und
hielt… Doch nichts geschah. Also musste sie durch den Bus rufen, ob er die Tür
nicht öffnen könne. Dabei fühlte sie sich mehr als unwohl. „Alle Leute haben zu
mir aufgestarrt, als ich die Stimme erhoben habe.“ Eine unangenehme Situation. „Ich
habe schon öfters mitgekriegt, wie Haltewünsche von Fahrgästen ignoriert oder
nicht gehört wurden.“ Einmal waren im Bus zwei kleine Kinder. Alleine. Sie
haben gedrückt und gedrückt, doch er ist einfach weitergefahren. Dann haben sie
angefangen zu weinen, doch niemand reagierte. Nicht einmal die Leute, die weiter
vorne saßen haben etwas gesagt. Nachungefähr einem Kilometer sind die zwei dann
aufgestanden, haben sich dem Busfahrer mitgeteilt, der daraufhin prompt am
Straßenrand irgendwo zwischen den Dörfern angehalten und sie rausgelassen hat.
Der Arbeitstag begann mit Putzen.
Natürlich. Tamsin hatte keine Lust, Tische und Schränke von Schichten alten, schwarzen
Drecks zu befreien. Ihr Rücken schmerzte von der Anstrengung und ihr Zorn
schwoll an. „Ich bi hier, um Schmuck zu fertigen. Nicht um die Putze zu
spielen.“, murrte sie in Gedanken. Dabei ist ihr Interesse an Perlenschmuck und
ähnlichem Fummelkram eher gering. Viel lieber würde sie malen. „Aber dieser
Bereich ist sauber und ruhiger als die staubige Werkstatt. Auch wenn man den
Lärm noch durch die verschlossene Tür hört.“ Außerdem arbeitet sie dort mit
jemanden zusammen, den sie kennt. Und da nichts von allen kreativ erschaffenen
Werken mit nach Hause genommen werden darf, spielt es letztlich keine Rolle,
was sie tut. „So lange ich sitzen kann und mich nicht über Lärm oder so ärgern
muss, ist alles okay. Es gibt sicher schlimmere Ein-Euro-Jobs.“
Tja, Tamsin kann schon egoistisch
sein. Das weiß sie, und eigentlich will sie gar nicht so sein. Sie denkt eben
einfach immer nur an sich. „Und? Einer muss es doch tun!“ Oft hat sie das
Gefühl, der Welt egal zu sein. „In der Werkstatt gibt es keine funktionierende
Uhr.“ Darauf hat sie mehrmals hingewiesen, direkt am ersten Tag. Immerhin darf
sie ihren Bus nicht verpassen, und Handys sind in der Werkstatt verboten. Seither
wird ihr die Uhrzeit rechtzeitig mitgeteilt. Eine andere Teilnehmerin war nicht
so schlau. Sie hat nichts gesagt, deshalb wurde ihr auch nichts gesagt und, wie
sie erzählte, hatte sie den Bus an ihrem ersten Tag fast verpasst. „Es ist gut,
auch mal die banalen Dinge zu äußern. Es kann einen Vorteil bringen.“
Einer der anderen Teilnehmer baut ein
Modellschiff. Er mag Schiffe. Er steckt so viel Können und Mühe in eine Arbeit,
die anschließend gespendet wird. Tamsin kann sich nicht vorstellen, so mühsam
für etwas zu arbeiten, was später bei irgendjemanden in der Ecke steht, und als
Dank dafür nur ein paar Euro zu erhalten. „Ja, vielleicht freut sich jemand
sehr über das Schiff, aber ich glaube, die Dinge, auch die, die anderen nicht
so gut gelingen, landen früher oder später im Müll.“ Oder verstauben auf irgendeinen
Schrank. Die Leiter der Maßnahme meinen, wenn man Dinge behalten dürfte, würde
jeder nur noch für sich selbst arbeiten und gar nichts mehr hergeben wollen. Vielleicht
trifft dies auf einige Leute zu, aber sicher nicht auf alle. „Ich finde,
wenigstens einmal könnten sie eine Ausnahme machen. Wenn jemand so mühsam ein
Schiff baut, hätte er es verdient, als Dank ein zweites für sich selbst bauen
zu dürfen.“ Schließlich geht es hier nicht um Zeit oder profitable Massenproduktion.
Tamsin sollte gegen Ende des Tages mit
zwei anderen etwas aus Papier falten. Etwas sehr Komplexes. Nach Anleitung. Das
hat ihr Spaß gemacht. „Die eine hat es zusammengeknüllt und weggeworfen.“, bemerkt
Tamsin amüsiert. Sie arbeitet gerne an schwierigen Herausforderungen. „Die
andere hat es auch nicht hinbekommen. Ich musste es ihr zeigen.“ Gut, die
Anleiterin hat es dann auch von selbst verstanden, doch Tamsin ist stolz auf
sich.
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