Klee im Schnee.
Heute früh ist Tamsin mit dicken Zehen
aufgewacht. Ihre Zehen schwellen immer an, sobald es draußen Frost gibt. „Es
ist ja auch verflucht kalt hier, und da der Gasofen aus Sicherheitsgründen
nachts nicht brennen darf, ist die Luft hier morgens einfach eisig.“
„Es ist fußkalt.“; meint ihre Mom und stellt
ihr rasch ein Paar dicke Hausschuhe hin, die sie auch im Bett tragen muss. Was
sie aber nicht tut, weil sie mit eingepackten Füßen nicht einschlafen kann.
Dann hat Tamsin versucht, sich ein Nutella
Toast zu schmieren. „Habe es versucht!“ Aber das Nutella war so hart, als käme
es aus dem Eisschrank. Die Wärme des Toasts hat es dann ein wenig geschmolzen.
Letztlich war das Toast kalt, das Nutella ungleichmäßig und klumpig verteilt.
„Ich glaube, niemand von all den Bewerbern, die eine Wohnungszusage erhalten,
benötige diese Wohnungen so sehr, wie ich.“ Klingt das jetzt egoistisch? „Ich
wünsche es mir so sehr eine warme Unterkunft im Winter. Freiheit. Leben.“ Ein
Traum, der so weit entfernt scheint, wie die Sterne am Himmel.
„Hmm, es gibt einen neuen Kaffee mit
Vanille.“ Der heizt ihre Gedanken ein wenig auf.
Ein weiteres Übel: Seit gestern
hat sich das mit der neuen Maßnahme erledigt. Ihre Ängste waren zu stark, als
dass sie mit den Werkstattmittarbeitern klarkommen könnte. Viele benehmen sich
wie Bauarbeiter. Fluchen und sind laut. „Auf diesem Schiff wehen raue Winde.“
Kein Ort für die schüchterne, ruhige Tamsin.
„Kann die nicht sprechen, oder
was!?“, hatte ein großer Mann geschimpft, als Tamsin nur einmal nicht
antwortete. Was er zuvor von ihr wollte, sie wusste es nicht, da sie ihn
schlichtweg nicht gehört hatte. Bis dann dieser anklagende Ruf kam.
„Kann ich nicht sprechen?“,
fragt Tamsin sich, während ihre Phobie ihre Fesseln um sie immer enger zieht.
Diesen Satz hat Tamsin schon öfters gehört. Doch diesmal hat er das Fass zum
Überlaufen gebracht. „In der Schule war es genauso. Oft haben andere laut
geredet, Sätze wie „Ist die Stumm? Kann die nicht reden? Ist die so arrogant
oder warum sagt die nicht mal was!?“, sind damals oft gefallen. Andere Menschen
verstehen sie eben nicht. Bilden sich eigene Urteile, die oft nichts mit der
Wahrheit gemeinsam haben.
Phobien sind für Außenstehende
einfach unmöglich nachzuvollziehen.
Tamsin wurde klar, dass diese
Maßnahme nicht der richtige Ort für sie war. „Mh, das wusste ich eigentlich
schon, als ich das erste Mal reinkam und mir die Kerle in den blauen
Arbeitshosen forsch entgegengekommen sind.“ Zu denen wollte sie nicht gehören.
„Ich habe nichts gegen Bauarbeiter, doch ich bevorzuge Büroarbeit. Da ist es
sauber und nicht so laut. Meistens. Warm und gemütlich. Ich hoffe, das war
meine letzte Werkstatt, in die ich geschickt wurde.“
Tamsin ist auch traurig darüber.
Sie hätte den kleinen Extraverdienst gut gebrauchen können. Gerne hätte sie
ihre Ängste überwunden. „Den anderen Frauen fällt es so leicht. Sie Sägen und
bauen, haben keine Hemmungen. Gerne wäre ich auch so.“
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