Dienstag, 25. Juli 2017

Tamsin hat Geburtstag


Tamsin wünscht sich nichts mehr, als ihren Geburtstag mit Freunden zu feiern. Torte essen, etwas unternehmen. Spaß haben. Party!
Aber sie hat keine Freunde. Daher fährt sie wie üblich mit ihren Eltern irgendwo hin. Es ist langweilig und niemand weiß so recht, wohin… Es regnet. Ist kalt. Einen richtig heißen, langen Sommer gab es schon lange nicht mehr.
Noch ist Tamsin keine Dreißig, aber der Gedanke, dass sie nun ungefähr 1/3 ihrer Lebenszeit nutzlos zuhause vergeudet hat, ist erschreckend. Zurückblickend ist eine Maßnahme in Vollzeit, in der es ihr gar nicht so schlecht geht immer noch besser, als eine Ewigkeit nur Zuhause zu sitzen, während das Leben still und unbedeutend vorüberzieht. Aufstehen, Computer, Essen, Computer, Fernsehen, Schlafen. Es mag entspannt und sorglos klingen, aber nachdem sie dadurch beinahe dem Wahnsinn verfallen war, weiß Tamsin, dass dies die grausamste aller Alternativen wäre. „Ewig alleine. Unbemerkt. Ein Niemand sein. Von niemandem wahrgenommen werden.“
„Vielleicht schaffe ich es nächstes Jahr.“ Noch dieses Jahr zieht sie aus. Irgendwann. Und auch wenn sie in ihrer Wohngruppe keine Freunde findet, alleine wird sie nicht mehr sein.

Gratuliert von den Verwandten hat ihr keiner. Aber das wundert Tamsin nicht. Sie ist schüchtern und findet so etwas auf telefonischem Wege unpersönlich. „Auf Facebook wurde mir gratuliert.“ Von einigen Bekannten.

Mit den Eltern war Tamsin Sushi essen. Um der Torte willen sind sie zuvor noch im kalten Regen durch die Lübecker Innenstadt gewandert. „Dies ist der erste Geburtstag, an dem ich eine Jacke trage.“ Und dann auch noch eine Dickere.

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