Donnerstag, 13. Juli 2017

An einem Donnerstag

Wieder war Tamsin in der Maßnahme beinahe, bis auf die Unterbrechung durch einen Vortrag über Gesundheit, den jemand gehalten hat, durchgehend am PC beschäftigt. Das unerträgliche stechen hat ihre Augen verlassen, doch sie brennen noch ein wenig und sie hat keine Lust auf Computer. Die andere losen aus, wer in den Kiosk geht, weils niemandem Spaß macht. „Vielleicht wäre ich gerne gegangen.“ Doch Tamsin traut sich nicht, dass zu sagen. Außerdem daurt dies den ganzen Tag, da man sich zwischendurch nicht abwechselt. Den ganzen Tag auf deinen Beinen... „Nee…“

Tamsin hat ihrer Chefin auf Wunsch weitere Teile ihres Romans übergeben. Sie sagt, es gefällt ihr sehr, und auch ihre Tochter hatte sich bedankt. „Ich hatte gewartet, dass nach 3 Kapiteln Schluss ist. Nun sind es schon 7.“ Tamsin freut sich über das Interesse. Auch wenn einige Fehler vorhanden sind. Die Geschichte ist seltsam und Tamsin rechnet jederzeit damit, dass das Interesse verfliegt.
Zwischendurch erscheint deren Tochter, die ihr Begeisterung ebenfalls kurz verkündet. Tamsin fühlt sich geehrt. Dieses Gefühl, von jemanden bewundert zu werden oder etwas zu erschaffen, was Anderen gefällt, ist schön. Gleichzeitig ist sie sich aber nicht sicher, ob das wirklich gut ist und wie sie damit umgehen soll. „Ich will ein Buch schreiben. Veröffentlichen. Der Welt zeigen, dass ich auch etwas kann. Dass mein Dasein einen Sinn, einen Wert hat. Die Gesellschaft bereichern.“ Doch es erscheint ihr eher wie ein Traum, als ein realistisches Ziel. Wie es wäre, wenn sie wirklich Erfolgt hätte, darüber hat sie noch nicht nachgedacht. „Daran wage ich nicht zu denken.“ Dazu wäre Glück nötig, und davon hat Tamsin nicht viel.
 „Erfolg…“ Um ehrlich zu sein hat Tamsin sogar ein wenig Angst davor. „Es muss kein Bestseller werden. Mein Werk gedruckt in einer Grabbelkiste bei Kik zu finden wäre schon sensationell!“  
Tamsin arbeitet ununterbrochen an der Korrektur. Gut, dass es Office für das Handy gibt. „Ich nutze jede freie Minute sinnvoll.“ Im Bus. Im Auto – zum Verdruss ihres Dads, der lieber möchte, dass Tamsin aus dem Fenster auf Büsche, Hecken und Straßen glotzt anstatt auf ihre „Daddelkiste.“

Tamsin erzählt ihrer Mom, dass ihr jemand einen guten Zahnarzt empfohlen hat. Obwohl dieser ein wenig weiter weg ist, was längere Fahrzeit bedeutet, was ihre Eltern eigentlich nicht sonderlich begeistert, scheint es in Ordnung zu sein.  Tamsin mag ihren Zahnarzt; ist nett und schnell erreichbar, doch seit dort eine neue ist, die den Spuckesauger nicht richtig halten kann und mit den Geräten so stark an den Lippen zerrt und Tamsin spürt, dass sie mit ihrem Problem dort nicht ernsthaft weiterkommt, will sie schon länger wechseln. Doch wohin? Viele Zahnärzte in der Stadt hatte sie schon ausprobiert. „Einige wirken ungründlich, sind unsanft oder einfach unsympathisch.“ Tamsin würde niemals wieder zu einem gehen, der einen vereiterten Zahn ohne Betäubung aufbohrt! Vermutlich, weil es schneller geht.
Ihr Dad weiß auch keinen Rat. Zu Tamsins Verdruss erzählt ihre Mom ihm, dass jemand ihr von einem Arzt erzählt hat, Prompt fängt er wieder an zu meckern, darüber, dass Tamsin lieber auf „Assis“ hört als auf ihn, obwohl er selbst keine Ahnung hat. Er mag es nicht, dass Tamsin aufgrund ihrer Ängste Arbeitslos ist, zu Maßnahmen geht und mit gleichgesinnten zusammen ist. Da die Leute jedoch nett zu ihr sind, fühlt Tamsin sich von dieser Aussage verletzt.
Voraussichtlich in 3 Monaten kann Tamsin in die Wohngruppe ziehen. Vielleicht auch früher. Doch sie beschließt, es ihrer Mom nicht zu erzählen, weil sie es ihrem Dad erzählt und der seinen Unmut darüber wieder an Tamsin auslässt. „Man muss über alles reden.“, meint sie, aber angesichts der angespannten Situation ist es Tamsin egal, wenn es sie überraschend trifft.
„Ich will mich nicht mehr beschimpfen lassen, nur, weil ich ein Recht nutze, dass jedem Menschen gebührt.“ Noch freut sie sich auf die nahe, wenn auch eingeschränkte Freiheit. Aus dem Haus gehen und direkt mit einem Fuß in einer Stadt stehen... Keine Erklärungen dafür abgeben zu müssen, damit sie wissen wo ich hingehe und sich keine „Sorgen“ machen. Nicht mehr jeden Nachmittag alleine vor dem Computer verbringen... Ein großer Nachteil jedoch ist, dass kein Essen mehr fertig ist, sobald Tamsin heimkommt. „Ich will gar nicht daran denken, wie es ist, wenn die Vollzeit beginnt und ich erst um 17 Uhr heimkomme.“  Tamsin wäre müde. Unmotiviert, dann noch zu kochen und damit noch mehr zu arbeiten.

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