Mittwoch, 26. Juli 2017

Massenzwang


Wieder hat Tamsin im Geschäft nach Ohrhörern gesucht. „Dort waren fünf Regale voll! Und ausnahmslos alles nur diese In-Ear-Ohrenschmalzstopfer!“ Die Normalen sind wohl Out. Unmodern. Vielleich mögen diese Neuen wirklich besseren Sound haben. Dies ist jedoch kein Kompromiss für die Nachteile, die dadurch entstehen. Sie sind unhygienisch. Können den Gehörgang schädigen. „Einmal habe ich solche Dinger ausprobiert. Einmal. Nach zwei Sekunden lagen sie aufm Boden, obwohl sie nicht einmal bis zur Hälfte im Gehörgang steckten.“ Wahrscheinlich war dies ihr Fehler. Und selbst danach klebte der Schmalz dran. Nachdem sie sie vom Boden aufgehoben hatte, hatte Tamsin sich geweigert, sie noch einmal, dies Mal tiefer ins Ohr zu pressen. Seitdem hat sich das Thema In-Ear für sie erledigt.

Die Suche nach einem Smartphone mit Tastatur hat Tamsin vor 3 Jahren aufgegeben. > Auch so ein Nischenprodukt, dass viele wollen, aber niemand bekommt, weil es nicht hergestellt wird, obwohl die Industrie weiß, wie doof das Schreiben auf Touchscreen ist. Ständig vertippt man sich. „Der angebliche Grund ist: Es wäre zu teuer in der Produktion und niemand würde so etwas kaufen.“ Weil Tastaturen unmodern sind. Klingt absurd, aber Tamsin könnte das sogar glauben. Immerhin gibt es Menschen, die sich ein IPhone kaufen, nur um mit so einen coolen, modernen Teil anzugeben, selbst wenn das Ding weniger kann als ein normales Handy.

Damals hatte Tamsin nachgefragt, warum es das damals neue Honor Handy nur in China in Gold zu kaufen gibt. In Deutschland kam dies nur in Schwarz und Weiß raus. Die Antwort war: „In Deutschland wäre Gold nicht so beliebt.“ Ja, in Deutschland sind die Trendfarben eher grau, weiß, schlicht und langweilig. In jeder Hinsicht. Beim Wohnen, bei Kleidung. Aber muss sich deswegen jeder dem anschließen?
Inzwischen fahren auf den Straßen wieder vermehrt bunte Autos. Vor einigen Jahren hieß es, schlichte Farben wären seriös. Dass es kaum bunte Autos gab, war Tamsin aufgefallen. Wahrscheinlich war dies jedoch nicht so, weil die Menschen seriös wirken wollten. Die Industrie wollte, dass alle seriös rüberkommen und hat wohl einfach weniger farbige Autos produziert. Als Kunde hat man dann keine große Auswahl mehr. Man ist auf das Produkt angewiesen und dann heißt es: Entweder das Weiße, oder gar keins.

Bei Möbeln ist es nicht anders. Moderne Möbel sind kantig, dezent, schlicht und werden in „normalen“ Farben gehalten. Braun, weiß, grau, manchmal auch schwarz. Komplett goldene Möbel zu finden ist unmöglich. Und wenn, dann wird ein ganz dezentes, helles Gold verwendet. Möbel, die von der schlichten Masse abweichen findet man höchstens in teuren Spezialgeschäften. Barockmöbel findet man, wenn, dann nur noch in grau oder weiß. Gold ist out. „Die meisten, die ich kenne, kaufen im Discounter.“ Das hat zur Folge, dass alle Wohnungen „modern“ eingerichtet sind, ob sie wollen oder nicht.
Gut, dass Flohmärkte aus diesem Raster rausfallen. Hätte Tamsin dort nicht ihre Barockmöbel gefunden, wäre sie jetzt auch von modernen Standards umzingelt.

„Heute habe ich mir die Nägel komplett bunt lackiert. Weil ich es kann.“ Dabei gefällt Tamsin Schwarz viel lieber. Normalerweise bemalt sie sie immer schwarz. Andere finden schwarze Nägel „mutig“ oder anders. Tamsin fühlt sich damit wohl. „Schwaz macht schön.“ Die Bösen Wesen aus Gruselfilmen haben oft schwarze Nägel.
Im Kontrast zu diesem Wöchentlichen Bunt stehen ihre schwarzen Gewänder. Manch einer mag meinen, im Sommer sollte man nichts Schwarzes tragen. Aber das ist Tamsin egal.

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