Freitag, 7. Juli 2017

Ein weiter Weg


Wie gehts? Was machst du gerade?

> Wie immer beschissen, bin gerade beim Chatten.

Tamsin hat Skype aktiviert. Und diese moderne Unübersichtlichkeit verhindert, dass sie es wieder... abschalten kann. Gleichzeitig hat sie in einem Chat, den sie öfters mal besucht, auch wenn sie nicht chattet, ihre Addy angegeben. Die Folge: Täglich adden sie fremde Leute. Der Nachteil: „Bereits am frühen Morgen darf mich mich mit blöden Standartfragen herumschlagen!“
„So früh schon wach? Wieso? wo kommst du her? Wo ist das? ...“
Man darf nicht mal mehr ein nettes Guten Morgen erwidern, weil darauf prompt ein „Was mach du grade?“ folgt. „Diese dämliche Noobfrage regt mich auf!!“ Die Blödheitsseuche hat demnach nicht nur Chats befallen.
Es ist grässlich, mit was für Fragen man überhäuft wird. Eine Frage nach der anderen. Wie am Fließband. Antwortet man nicht, kommt direkt die nächste. „Wenn es wenigstens verschiedenen Fragen wären! Fragen, bei denen die Antwort Spaß macht.“
Tamsin will sich nicht mehr über derartige Dämlichkeiten aufregen.
Aber ehrlich darf man in Chats auch nicht sein. Jemand meinte: „Du siehst hübsch aus.“ Tamsin steht nicht auf Männer mit so kurzen Haaren. Aber sagt sie: „Du nicht.“, ist derjenige beleidigt. „Man muss also schon lügen...“

Um das Übel noch zu vervollständigen, macht ihr Zahn ihr abermals Probleme. Es ist wieder dasselbe Problem mit der scharfen kante, die an ihrer Zunge kratzt und schmerzen verursacht. Nur, dass diese Kannte schon des Öfteren weggeschliffen wurde. Schleifen wird auf Dauer keine Lösung sein. Aber was soll sie tun? Den gesunden Zahn Überkronen lassen?  „Ausgerechnet wieder am Freitag!“ Es ist wie ein Fluch!

Tamsins Stimmung ist gemindert. In ihrer Maßnahme hatte sie einen 5Km Marsch hinter sich. In sengender Hitze. Mit Jacke. Ihr Dad hatte gemeint, es würde kühl werden und regnen. Also hat sie die dickere Plastikjacke auf zum Spaziergang angezogen. Sobald Tamsin dann draußen war und die Wärme gespürt hat, war sie sich jedoch nicht mehr sicher, ob sie sie noch ausziehen und zurückbringen sollte, weil der Raum möglicherweise abgeschlossen war und Tamsin sich dann nicht getraut hätte, zu fragen, ob noch einmal kurz aufgeschlossen werden könnte, damit sie die blöde Jacke über ihren Stuhl hängen kann. Zunächst hatte sie keine Lust, sie in der Hand rumzuschleppen, behielt sie an und versuchte die schweißnasse Hitze, die sich in ihrem Rücken sammelte, zu ignorieren. Was die ersten drei Kilometer funktionierte. Es war ein schöner Marsch durch das winzige Städtchen und weckte Erinnerungen an alte Zeiten in einer anderen Maßnahme, die in derselben Stadt stattfand. Dort waren sie täglich gelaufen, dafür aber weniger. Hier wird 1-2x Wöchentlich gelaufen, dafür aber doppelt so viel. "Da diese Maßnahme sich mehr am Stadtrand befindet, gehen wir öfters durch den Wald" Tamsin mag die Natur, vor allem im Sommer hält sie sich gerne in dichten Wäldern auf. Den Zecken zum Trotz. 
Dennoch hat Tamsin sich heute mindestens einmal dabei erwischt, wie sie, nachdem sie zu dicht an den Wegesrand ging und dabei ein paar Grashalme gestreift hat, ihren Fußknöchel mit den weißen Strümpfen nach Zecken abgesucht hat. Doch da waren keine. Tamsin hasst Mücken. Doch Zecken sind ein wahrer Graus, auf den sie in diesen Sommerzeiten keine Lust hat.    

Vorfreude mischt sich mit Unbehagen....  In der Maßnahme wurden wie gestern und dem Tag davor weiterhin Pläne für die Sommerferien geschmiedet. Tamsin sollte nun die Planung für die Kinderlosen Teilnehmer übernehmen. Ein Stadtbummel soll stattfinden. Einerseits freut sie sich darüber, denn es ist sicher schön, zusammen mit der Gruppe etwas zu erleben. Mehr, als den immer sich wiederholenden Alltag. Und falls nicht, in den Städten gibt es inzwischen überall offenes WLAN. Was bedeutet: Sollten sich alle aufteilen und Tamsin keine Lust haben, durch uninteressante Geschäfte zu irren, kann sie sich auf eine Bank setzen, ein bisschen spielen, schreiben oder lesen. Damit vergeht die Zeit auch schnell. Sofern der Akku das mitmacht. Die Begeisterung etwas zu erleben ist mindestens genauso groß wie die Furcht vor dem Gegenteil. Ohne Sinn und Ziel in eine Stadt geschickt zu werden. Den Ängsten erlegen... Es ist Ewigkeiten her, seit Tamsin alleine, ganz alleine Einkaufen war. 
Nie hat Tamsin sich um so etwas wie Ferien geschert. Diese Zeiten sind Vergangenheit. Aber nun, wo sie in dieser Maßnahme für "Alleinerziehende" und Langzeitarbeitslose besucht, weiß sie, dass die Zeit kommen wird, die alte Erinnerungen wiederaufleben lassen wird, in dem sie mit Schulferien konfrontiert wird. Derweil weiß Tamsin wirklich nicht, ob sie sich auf die kommende Zeit freuen soll. Mit Kindern basteln. Kochen. Dinge tun, die sie hasst. Oder danebensitzen, der Lustlosigkeit erlegen und zusehen, während die Gedanken abschweifen.        

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