Donnerstag, 27. Oktober 2016

Zähne



Nachdem ihr Zahn Tamsin eine unangenehm schlaflose Nacht beschert hatte, ereilt sie am nächsten Morgen das Glück, dass ihr Termin zur Zahnentfernung, wenn auch mit über einer Stunde Wartezeit, vorgezogen werden konnte. Das unangenehmste dabei war die Spritze. „Der Doc war recht grob. Es musste wohl schnell gehen. Mein Termin war nicht ohne Grund erst in vier Wochen.“ Aber sie war froh, dass sie überhaupt so schnell rankam.
Nachdem nun die eine Sorge vorüber ist, plagen sie neue Sorgen…. Ob sie den nötigen Zahnersatz, um die Lücke zu füllen, überhaupt erhalten wird. Wie teuer wird es sein, und wie groß wird ihr Eigenanteil sein? „Werde ich mir das überhaupt leisten können?“ Wenn oben und unten die letzten zwei Zähne fehlen, fühlt es sich an, als hätte man ein großes Loch im Mund. Die Zunge rutscht rein. Probleme beim Sprechen… Beim Trinken sammelt sich das Wasser darinnen wie in einem Brunnen, aus dem es abläuft, sobald ich die Position der Zunge verändere.
Naja. Den Tag verbrachte sie vor dem Fernseher. Natürlich hatte sie einen 3D Film und danach ihre Lieblings Anime Serie geschaut.
Der darauffolgende Tag verlief nicht anders. Doch obwohl so viel Freizeit, in der sie einfach nur faul vor der Glotze hängen kann, schon etwas Reizvolles an sich hat, wusste sie, dass sie dem spätestens nach einer Woche überdrüssig werden würde. „Ja, es ist toll, sich bis auf Zahnarzttermine um nichts kümmern zu müssen. Keine Verpflichtungen. Aber die Langeweile lauert unter jedem Sonnenaufgang, und der Tag wird kommen, an dem sie mich einholen wird.“, weiß Tamsin. Mit der Langeweile kommen Depressionen. Lustlosigkeit. Nichts macht mehr Spaß. So war es, bevor sie in die Maßnahme kam. „Ich habe nur gelebt, um zu träumen, denn im Traum gibt es keine Langeweile.“, erinnert sie sich an die damalige Zeit von vor zwei Jahren. Wirklich, noch nie in ihrem Leben hat sie einen Traum geträumt, in dem sie sich gelangweilt hat.
Bereits nächste Woche beginnt eine neue Maßnahme. Es geht voran. Ein neuer Abschnitt wird beginnen. Doch diese kurzen Anflüge von Hoffnungslosigkeit lassen sich einfach nicht abschütteln. Wird Tamsin jemals das Leben führen, dass sie sich so sehr wünscht? Wird sie je Freunde finden, die zu ihr stehen? Einen Job, der ihr Freude bereitet? Einen Ehemann? Manchmal denkt sie „Klar, nichts unmöglich, auch das nicht!“ Aber es ist schon so viel Zeit vergangen, in der sie nichts erreicht hat. Wieso sollte sich das irgendwann noch ändern? Ihre Chancen stehen verdammt schlecht. Tamsin ist schwach, unsportlich und sieht auch nicht besonders gut aus. Sie ist auch Lustig und kreativ, aber die Welt ist oberflächlich. „Es ist, als ob ein Fluch auf mir liegt. Je mehr ich mir etwas wünsche, desto weiter rückt es in die Ferne.“ Eine eigene Wohnung ist nur eines von vielen.

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