Montag, 31. Oktober 2016

Oha!


Getrieben von Langeweile hat sich Tamsin entschieden, mit ihren Eltern zum Strand zu fahren. Ein kleines Vergnügen. Die parkten dort, direkt auf der Küste, um den Blick ein paar Minuten über Meer schweifen zu lassen.  Kurz sind sie auch einmal ausgestiegen, um die frische Seeluft einzuatmen. Die ist gesund. Aber das war’s dann auch schon. Kein Spaziergang. Nichts weiter. Als Kind hatte Tamsin immer ihren Lenk Drachendabei. Heute meinen ihre Eltern, sie sei zu alt für so etwas. „Ich vermisse die alten Zeiten.“
Im Anschluss, da es noch zu früh für den Heimweg war – was sollten sie dort auch? Sich wieder vor die Glotze fläzen, bis die Augen zufallen? – haben sie einen kurzen Abstecher in die nahe Hafenstadt gemacht. Sie haben sich die zwei Jahre alte Mega-Hotel-Ferienhaus-Baustelle angeschaut. Am See wurde Sand aufgeschüttet, sodass die eine Hälfte nun wie ein kleiner Strand aussieht. Ein Mini-Strand hinter dem Strand. Was danach kam, das hätte Tamsin sich jawohl denken können! Ihre Eltern wollten einkaufen. Und weil Tamsin die zehn Kilometer nicht zu Fuß nach Hause latschen wollte, musste sie natürlich mit. Das Geschäft lockte mit Gratis WLAN, dass das Auto jedoch nicht erreichte. Normalerweise übernahm in solchen Situationen Lucy die Oberhand. Lucy würde fluchen und verstehen wollen, warum ihre Eltern ihr eine Stunde ihrer Zeit stehlen, eine Stunde mit sinnlosen Aktivitäten vergoldet werden muss. Nicht, dass ihr diese Zeit am Ende des Tages großartig fehlen würde. „Aber es ist mein Leben und ich hasse Zwänge und Kontrolle!“
Gut, der Einkauf ging diesmal schnell. Ihre Mom brauchte nicht viel, auch wenn sie auf den Weg zur Kasse drei Mal denselben Gang zurückging und dachte: „Vielleicht gibt es hier ja doch noch etwas, das ich brauche. Ein günstiges Angebot, ein Schnäppchen, hihi.“ Schnäppchensuche zieht so einen Einkauf gewaltig in die Länge. 

Am späten Nachmittag übernahm Mira das Bewusstsein. Was in letzter Zeit recht selten vorkam. Mira war lustig, immer gut gelaunt, ein wenig Gleichgültig und liebte alles, was Bunt ist. Jene Freude, die Lucy verbscheute. Mira hatte sich die Freiheit genommen, im Chat ein neues Fotoalbum mit allen sich auf dem Pc befindenden Fotos über Essen anzulegen. (Wenigstens hatte sie den Anstand, keine Grillen und Käfer mit hochzuladen. Sie dachte jedoch darüber nach. In anderen Ländern gälten diese als Delikatesse!). Tamsin fotografiert gerne Pizza. All diese Fotos landeten in ihrem Onlinealbum. „Ist mir egal, was die anderen denken.“, fand Mira dabei. „Wenigstens ist das mal etwa anderes, als immer nur öde Blumen oder Selfies, in denen wie N***n posiert wird. Warum muss ich dieses blöde Wort zensieren? Weiß doch eh jedes Kind, was gemeint ist! Ok, zurück zum Thema. Ja, ich find’s krass, anders zu sein, und wenn die Chatter darauf anders, als mit langweiligen Standart-Kommentaren reagieren, ist das doch cool, oder? Man ey, ich habe total Hunger auf Pizza. Blödes Zahnfleischloch. Wie lange dauert es noch, bis das verheilt ist!?“

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