Trotz des Ärgers der letzten Woche
erwarten Tamsins Eltern tatsächlich, dass sie noch einmal in Aukrug schlafen
würde. Dabei kommt Mom in zwei Tagen sowieso nach Hause. „Ich verstehe den Sinn
nicht.“ Ja, abends Essen gehen ist schön, aber die meiste Zeit verbringen sie vor
dem Fernseher oder schlafen. Das kann man genauso gut auch zu Hause. Anstatt
abends wieder heimzufahren wollte Dad die Nacht dort verbringen und dann
morgens ganz früh abfahren. Dabei sind die Nächte in dieser Wohnung grauenhaft.
Sie beide teilen sich ein Bett, weil es nur Zwei davon gibt. Die Enge bereitet
ihnen keinen angenehmen Schlaf. Ein Bett ist steinhart, das andere viel zu
weich. Dass Tamsin sich eins aussuchen konnte, machte es auch nicht besser. In
beiden Räumen sind laute Heizungsgeräusche zu hören. Die Luft ist so muffig,
dass sie nachts aufwacht, zum Fenster trotten und durch den schmalen Spalt
frische Luft schnappen muss. Im Schlafzimmer kommen dann noch die Geräusche von
der Straße dazu. Jedes vorbeirauschende Auto ist so laut zu hören, als stände
man direkt daneben.
Ewig versuchen sie, sie zum Mitkommen
zu überreden. „Aber ich sage mir, ich bin 27, ich kann selbst entscheiden und muss
mich nicht zwingen lassen, wenn ich nicht will. Oder?“
Sie hasst diese Situation. Dad regt
sich über alles so leicht auf. Schreit rum. Tamsin hatte sich etwas zu Essen
rüber geholt, weil sie Angst hatte, dass er so wütend wird, dass sie den ganzen
Tag/Wochenende nichts zu essen bekäme. „Ich will nicht angemeckert werden.
Vermeide den Kontakt.“ Hätte sie eine eigene Wohnung mit eigener Küche bliebe ihr
der ganze Stress erspart. Aber erst, wenn die Kur vorbei und Mom wieder hier
ist, kann sie weitersuchen. Selbst wenn sie jetzt eine Wohnung gefunden hätte,
es bringt nichts, wenn er sie wieder anmeckert oder sich letztlich noch weigern
würde, sie zur Besichtigung zu fahren. „Mein Fahrrad ist Schrott, aber ich
hätte sowieso gar nicht die Motivation, damit zu fahren; im kalten Sturm den
2Km langen Berg hinauf zu strampeln.“ Hinzu kommen die Ängste, die sie wie
eiserne Fesseln in ihren dunklen Gemächern gefangen halten.
Diese Abhängigkeit von den Eltern ist
das schlimmste. Als kleines Kind hatte sie Omas Haus mit dem großen Garten
geliebt. Heute wünsche sie sich nichts mehr, als wieder in der Stadt zu wohnen.
Dieser damalige Umzug 2005 hat vieles zerstört. Vor allem Freundschaften. „Ich
lebe in der Abgeschiedenheit, am Rand eines Dorfes, in dem es nicht mal ein
Geschäft gibt. Ohne Auto.“ Die Eltern trauen ihr nicht zu, alleine zu fahren. Sie
wäre noch zu unsicher. Aber ständig mit ihnen herumzukutschieren hatte sie auch
keine Lust. Also fährt sie fast gar nicht mehr. Was schade ist, da sie den
Führerschien nur gemacht hatte, um der Freiheit in Stück näher zu kommen. Was
für ein Irrglaube! Oft fühlt sie sich alleine. „Weil ich es bin.“ Aber bald
wird es vorbei sein. Sie muss es positiv sehen - oder an der Hoffnungslosigkeit
verzweifeln.
Obwohl sie mehrfach betont hatte,
nicht mitzukommen, außer, sie schlafen nicht dort, fragte Dad gerade wieder:
„Wann wollen wir los? Um half Elf?“ Sie glaubt, er will es nicht verstehen. „Sie
wollen, dass ich es mache, also muss ich.“
„Muss ich wirklich?“
Zu allem Überfluss sind hier schon
wieder Mäuse. Denk Tamsin jedenfalls. Die Fallen sind leer, aber sie hört
Rascheln und das Gift wurde angefressen. Ihre Straußenfeder, die ich
dummerwiese aufm Boden liegen gelassen hatte, ist zerfetzt. Das ist lästig. Sie
hat Angst, dass ihre Möbel angefressen werden, die sie sich für eine neue
Wohnung zusammengesammelt hat.
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