21.11
Tamsin
fühlt sich noch immer bedrückt. Sie traut sich nicht, die Ungerechtigkeit von
gestern anzusprechen. Vielleicht Freitag, wenn eh jeder gefragt wird, wie er
die Woche fand. Oder montags. Aber sie hat Sorge, dass man sie nicht versteht.
Zudem ist es sowieso immer so: Wenn jemandem etwas Ungerechtes passiert, dann
ihr! „Gestern wollten alle Fliederbeersaft.“ Nur Tamsin bekam keinen. Nun, sie
hatte nichts gesagt, dennoch ist sie traurig, dass man ihr nichts angeboten hat.
„Ich werde oft wie Luft behandelt.“
Inzwischen
redet kaum noch jemand mit ihr. Oft sitzt Tamsin alleine an ihrem Platz und
hört zu, was die anderen sagen. So, wie schon ihr ganzes Leben lang. Nie ändert
sich etwas. Aber wie sollte sie das schon ändern? Sie schafft es nicht. Weil
sie in der WG wohnt, bekommt sie keine Einzelgespräche, denn die finden dort
statt.
Naja,
immerhin wird sie nicht geärgert. Sie muss einfach das Beste daraus machen.
Der
Raum, in dem sie in der langen Pause am Laptop sitzt und schreibt, ist kalt.
Noch
immer ist sie ratlos wegen Dave und Don. Beide wollen sie. Aber sie kann nur
einen haben.
Das
Wetter wird kälter. Tamsin sieht es positiv: Die Gruppe tut nicht im Garten
essen.
Das
ist auch schon alles.
In
8 Minuten ist Essensbesprechung. Tamsin wurde noch nicht gefragt, ob sie auch
mal kochen möchte. Vielleicht, weil sie noch neu ist. Vielleicht wollen die das
aber auch nicht. Vielleicht mögen sie Tamsin nicht. Sie sagt nichts. Sie weiß,
dass sie wieder Pech haben wird: Andere kochen alleine und entscheiden selbst.
Einige auch in Gruppen. „Wetten, dass ich dann mit jemandem kochen müsste, mit
dem ich nicht gut auskomme und dann auch noch das gekocht werden müsste, was
ich nicht mal mag!?“ Sie schweigt.
Montag
gab es hier Lachs mit Kartoffeln. Tamsin hatte mitgegessen. Wie erwartet war
der Fisch voller Greten. Ein Grund, weshalb sie nur Kabeljau mag! Zudem hatte
sie danach total nach Fisch gestunken, so sehr, dass sie duschen musste! Abends
kamen die Eltern, um die Anlage zurückzubringen und Tamsin hatte Panik, dass
die Betreuer das sehen könnten und wieder predigen, dass Tamsin sowas doch
alleine machen muss! Sie hat Angst, dass die sowas bemerken und meckern. Tamsin
war schon früher rausgegangen, aber da kamen die gerade um die Ecke. Nun hofft
sie nur, dass es draußen schon dunkel genug war, sodass das Licht im Fenster
spiegelt und die nicht nach draußen gucken konnten.
Heute
gab es hier Eintopf. Tamsin sitzt am Tisch, guckt zu. Mittwochs ist es schön
hier, weil sie dann lange am Laptop sitzen kann und nicht basteln muss. Zwischendurch
grübelt sie nach. Ob Don nicht die richtige Wahl für sie wäre? Ja, er ist
komisch, aber Dave ist so ruhig und er kennt bisher nur Tamsins schüchterne
Seite.
Und
wie sollte sie außer denen je einen anderen Mann finden? Einen, der sie
wirklich will? Einen wie Don, der an ihr hängt, hatte sie sich immer gewünscht…
in ihren heimlichen Träumen.
Tamsin
überlegt, ob sie vielleicht auch auf Frauen stehen könnte. Wie bei Männern gibt
es einige Frauen, die sie sehr attraktiv findet. Zudem mochte sie Menschen mit
langen Haaren schon immer! Aber auch damit hat Tamsin es schwer. Wie sollte sie
ihrer Familie je erklären, dass sie mit einer Frau zusammen wäre, sofern die
Art von Frau, die Tamsin süß findet, je ihre Zuneigung erwidern würde. Und dazu
müsste sie diese erst einmal finden. Es ist ja schon unmöglich, normale Freunde
zu finden. Oder überhaupt einen ehrlichen Liebhaber!
Allein
bei den Gedanken kommt die Traurigkeit zurück.
Sie
hat Don gesagt, dass sie ausziehen will und er will mit ihr zusammenziehen.
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