Tamsin beißt die Zähne zusammen. Nicht aus
Wut, sondern um zu verhindern, dass ihre Zunge über die immer noch spitze
Zehnecke kratzt.
Gegen Mittag fährt Tamsin mit ihren Eltern
nach Fehmarn. Dort gab es Pizza, aber der Italiener ist schon lange nicht mehr
so gut wie früher. „Einen richtig guten Pizzabäcker zu finden ist verdammt
schwierig.“ Irgendwie ist fast gar nichts mehr wie früher. Die Pizza vom
Imbiss, in dem sie als Kind gerne gegessen hat, schmeckt heute fast genauso
künstlich wie eine Eingefrorene. Der Käse wird schnell hart und die Soße
schmeckt wie aus der Dose. Da ist nichts selbstgemacht.
Die Suche nach einem Laden, der gute Pommes
verkauft, ist dagegen wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. „Ich probiere nicht
gerne neue Imbisse aus. Ich mag es nicht, enttäuscht zu werden.“ Das letzte Mal
Pommes hatte Tamsin vor einigen Monaten in einer Fischhalle. Sie waren
wabbelig, schmeckten ranzig und ungewürzt. Die Pommes von McDonalds sind okay.
Allerdings nur morgens. Kauft man sie ab mittags, bekommt man die vorbereiteten
aus der Wärmeablage, die bestenfalls nur noch lauwarm sind. McDonalds-Essen
schmeckt allgemein ungenießbar, sobald es abgekühlt ist. Frisch und heiß ist es
dagegen schon irgendwie… lecker. Doch ob man es so bekommt, ist ebenfalls wie
ein Glücksspiel. „Ich mag dieses „Hauptsache es muss schnell gehen-Konzept“
nicht! Bin allerdings auch dankbar dafür, denn würde man immer heißes, direkt
zubereitetes Essen bekommen, würde ich dort viel öfters essen, was noch mehr
unangenehme, übergewichtige Folgen für mich hätte, als ohnehin schon.
Wie dem auch sei. Tamsin hat den heutigen
Ausflug nicht sonderlich genossen. Das Wetter war schön, fast schon so warm wie
schon seit einigen Jahren nicht mehr zu so früher Zeit, doch ihr Zahn nagt sehr
an ihren Nerven. Tamsin kauft sich Kaugummi, dass sie über die scharfe Stelle
legt. Danach geht es ihr ein wenig besser, doch auf Dauer ist das auch keine
Lösung. Die Vorstellung, erneut Erfolglos zum Zahnarzt zu gehen, ohne, dass
sich etwas bessert, bereitet ihr Unbehagen.
Gegen Abend hat Tamsin endlich ihren
Schreibtisch fertiggestellt. „Heute habe ich die obere Platte angestrichen und
verziert.“ Die Arbeit ist anstrengend, dieses ständige Bücken, vorbeugen,
stehen, setzen, rüber lehnen… Doch Tamsin merkt auch, dass die Bewegung ihr
guttut. Zudem bemüht sie sich, nicht mehr so viel zu naschen und mehr Obst zu
essen. „Gestern habe ich freiwillig Hühnersuppe gegessen. Als Kind habe ich sie
gehasst, weil es mich immer geärgert hat, wenn Hähnchen gekocht wird, da es
gebraten tausend Mal besser schmeckt. Auch gekochtes Gemüse zu essen ist
ungewohnt. Als Kind mochte ich es nie, und das war okay. Ich weiß selbst nicht,
wie es zu dieser Abneigung kam. Mom machte mir dann immer etwas Anderes, und so
entstand die Gewöhnung, dass ich immer das esse, was ich mag, und das ist wenig
abwechslungsreich.“ Unwillkürlich erwischt Tamsin sich wieder dabei, wie sie
jeden Löffel bevor er in ihrem Mund landet genauestens beäugt. Neben Fleisch,
Wurzeln und Klöße schwimmt viel in der Suppe, was Tamsin keiner eindeutigen
Bestimmung zuweisen kann. Sind es Gewürzte, Kräuter oder doch etwas ganz Anderes?
Gerne würde sie diesen Kontrollzwang in einen Sack stopfen und einfach
reinhauen! Doch das scheint unmöglich. Sie kann einfach keinen Löffel mit
Dingen leeren, dessen Ursprung sie nicht kennt. Diese Angewohnheit plagt sie
schon seit früher Kindheit.
Tamsin weiß noch, wie sie damals im Alter
von zwölf Jahren mit einer Schulfreundin vom nahen Imbiss oft Pommes geholt
hatte. Jeder eine Schachtel voll. Die Freundin hatte immer gelacht und sich
gefreut, als Tamsin die „Schlechten“ mit den schwarzen Stellen aussortiert und
ihr gegeben hatte. Sie verstand nicht, wieso es Tamsin Übelkeit bereitete, wenn
diese mit Appetit verschlungen werden.
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